Hintergründe

Jahrestag einer Keule: Wie die CIA vor 50 Jahren den Begriff „Verschwörungstheoretiker“ erfand

Jahrestag einer Keule: Wie die CIA vor 50 Jahren den Begriff „Verschwörungstheoretiker“ erfand
ohn Fitzgerald „Jack“ Kennedy (* 29. Mai 1917 in Brookline, Massachusetts; † 22. November 1963 in Dallas, Texas)

Als im Nachgang des Kennedy-Attentats Zweifler an der offiziellen Darstellung immer mehr Einfluss gewannen, entwickelte die CIA 1967 eine Strategie, um diese zu diskreditieren. Die heute noch beliebte Begriffs-Keule des “Verschwörungstheoretikers” war geboren.

Auch in aktuellen Debatten ist es wenig hilfreich, wenn Medien und politische Vertreter die eigene Position in umstrittenen Fragen als “Verschwörungstheorie” brandmarken. Da können noch so viele Lücken in der offiziellen Erzählung über ein Attentat oder einen Terroranschlag klaffen: Wurde die Keule einmal geschwungen, ist dem minder informierten Publikum sofort klar, dass es sich bei Zweiflern nur um Verrückte und bösartige Wahnsinnige handeln kann.

Das Branding ist kein Zufall. Wie der Journalist und Anwalt Markus Kompa auf Telepolis beschreibt, feiert der Begriff des so genannten Verschwörungstheoretikers dieser Tage seinen fünfzigsten Geburtstag. Geboren wurde die Formel 1967 in den Denklaboren der CIA. Und auch der Anlass zur Erarbeitung eines strategischen Konzeptpapiers, das bis heute erhalten ist und den Titel CIA Document 1035 – 960: Concerning Criticism of the Warren Report trägt, ist durchaus ein historischer: Es war der Mord am damaligen US-Präsidenten John F. Kennedy, der zur Genese des Verschwörungstheoretiker-Vorwurfs führte.

Zweifeln ist kommunistisch

Das Problem der Agency damals: Kritische Berichte, Bücher und Analysen, die den offiziellen Warren-Report auseinandernahmen und an der Einzeltäterschaft zweifelten, feierten große Erfolge. Bis zu 46 Prozent der US-Bürger schenkten den Zweiflern ganz oder teilweise Glauben. Alternierende Erklärungsmuster, die Kennedys Nachfolger Lyndon B. Johnson als Profiteur des Attentats sahen und eine Verwicklung der CIA in das Kennedy-Attentat andeuteten oder postulierten, wurden von dem US-Geheimdienst als wachsende Gefahr für die nationale Integrität gewertet.

Die Lösung: Die kritischen Stimmen mussten diskreditiert werden. US-Personal im Ausland wurde angewiesen, die entsprechenden Memes in diplomatischen Gesprächen zu platzieren. “Conspiracy Talk” über das Kennedy-Attentat sei demnach entweder kommunistische Propaganda oder werde von Akteuren verbreitet, die eigentlich aus ganz anderen Motiven handeln, so die Marschrichtung.

„Point out also that parts of the conspiracy talk appear to be deliberately generated by Communist propagandists.“

Dem Konzeptpapier zufolge seien die zu diskreditierenden Verschwörungstheoretiker wie folgt zu zeichnen: Als teilweise oder gänzlich wahngeleitete Irre, die in ihre eigenen Theorien vernarrt seien, unsauber recherchieren und letztendlich von plumpem Profitinteresse getrieben seien.

„Our ploy should point out, as applicable, that the critics are (I) wedded to theories adopted before the evidence was in, (I) politically interested, (III) financially interested, (IV) hasty and inaccurate in their research, or (V) infatuated with their own theories.“

Das CIA-Dokument nennt dabei namentlich den Enthüllungsjournalisten Edward Epstein, an dessen Person die Strategie beispielhaft erprobt werden sollte. Medien, die finanzielle oder personelle Verflechtungen mit der CIA aufwiesen, hat man für die ehrabschneidenden Rufmordkampagnen mit ins Boot geholt. Eine einflussreiche Rolle spielte laut Kompa dabei auch der Time-Life-Herausgeber Henry Luce, der mit dem früheren CIA-Direktor und Mastermind Allen Dulles freundschaftlich verbunden war. Einen pikanten Hinweis enthält das CIA-Papier ganz am Ende der letzten Seite:

“DESTROY WHEN NO LONGER NEEDED”, steht dort in großen Lettern – “Zerstören, wenn nicht mehr vonnöten”.

Bis heute aber zirkuliert das Dokument im Internet. Die darin angesprochenen Strategien scheinen aus Sicht der Agency immer noch ungebrochen aktuell zu sein. Einziger Unterschied: Heute geht es nicht mehr nur um die Frage, wer John F. Kennedy ermordet hat.

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