Deutschland

Bruch des 2+4-Vertrages: Mit der Wehrpflicht zur 460.000-Mann-Armee

Bruch des 2+4-Vertrages: Mit der Wehrpflicht zur 460.000-Mann-Armee
Verteidigungsminister Boris Pistorius beim Truppenbesuch in Augustdorf im Lipper Land.

Die Bundesregierung plant, die Bundeswehr massiv auszubauen – auf 460.000 Soldaten. Damit würde Deutschland eine zentrale Verpflichtung des Zwei-plus-Vier-Vertrags brechen, der einst die Wiedervereinigung absicherte.

von Sevim Dagdelen

Deutschland befindet sich nicht im Krieg mit Russland. Das ist eine ebenso banale wie keineswegs zukunftstaugliche Feststellung. Denn man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Bundesregierung einen Krieg gegen Moskau vorbereitet. Völkerrechtliche Bindungen, die Deutschland 1990 eingegangen ist, legen einer Politik der Kriegstüchtigkeit bisher Fesseln an. Die Bundesregierung aber ist auf dem besten Wege, diese Fesseln zu lösen. Der Weg zur Wehrpflicht, der in diesen Tagen an sein Ende kommt, da eine Einigung zwischen Union und SPD kurz bevorsteht, scheint vorgezeichnet. Mit der Einführung der Wehrpflicht soll eine deutsche Massenarmee geschaffen werden, die den Zwei-plus-Vier-Vertrag hinter sich lässt.

Selbstbindung aufgegeben

Teil des Zwei-plus-Vier-Vertrags ist die Verpflichtungserklärung der Bundesrepublik Deutschland in Artikel 3 Absatz 2, die wörtlich festhält:

„Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland hat in vollem Einvernehmen mit der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik am 30. August 1990 in Wien bei den Verhandlungen über konventionelle Streitkräfte in Europa folgende Erklärung abgegeben: Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland verpflichtet sich, die Streitkräfte des vereinten Deutschland innerhalb von drei bis vier Jahren auf eine Personalstärke von 370.000 Mann (Land-, Luft- und Seestreitkräfte) zu reduzieren.‘“

Der Beginn der Reduzierung wurde auf das Inkrafttreten des ersten KSE-Vertrags gelegt. Die Erklärung zur einseitigen Abrüstung erfolgte unabhängig von Abrüstungsschritten anderer europäischer Staaten, auch wenn darin die Hoffnung geäußert wird, dass auch die anderen ihre Personalstärken reduzieren. Insofern ist das Argument nicht stichhaltig, Deutschland müsse sich nicht mehr an die Selbstbindung bei der Personalobergrenze der Bundeswehr halten, weil Russland infolge der NATO-Osterweiterung die Umsetzung des KSE-Vertrags 2007 einseitig ausgesetzt hat.

Mit der einseitigen Reduzierung der Stärke der Bundeswehr auf 370.000 Mann und weiteren völkerrechtlichen Verpflichtungen – wie dem Verzicht auf ABC-Waffen, dem Verbot der Stationierung ausländischer Streitkräfte auf dem Gebiet der ehemaligen DDR sowie der Selbstverpflichtung, dass von deutschem Boden nur noch Frieden ausgehen wird – wollte das vereinigte Deutschland die Angst seiner Nachbarn vor einem wiedererstarkenden deutschen Militarismus zumindest dämpfen.

Pistorius’ Plan: Massenarmee statt Friedensversprechen

Verteidigungsminister Boris Pistorius hat nun angekündigt, eine tiefgreifende Reform der Bundeswehr auf den Weg zu bringen, die bereits im Frühjahr 2026 greifen soll. Kern ist die Erhöhung der Truppenstärke auf 460.000 Mann. Das ist auch der Grund, warum Pistorius – wie von den USA gefordert – für die massive Aufstockung der Bundeswehrsoldaten unbedingt die Wiedereinführung der Wehrpflicht braucht. Die Wehrpflicht ist das Instrument, um eine deutsche Massenarmee aufzubauen, die die Bindungen des Zwei-plus-Vier-Vertrags abstreift. Der Pistorius-Plan ist nichts anderes als die Umsetzung der Vorgabe von Bundeskanzler Friedrich Merz, die Bundeswehr zur „stärksten konventionellen Armee Europas“ zu machen.

Der Plan der 460.000-Mann-Armee soll in den nächsten Jahren rasch umgesetzt werden. Derzeit gibt es rund 182.000 Soldatinnen und Soldaten in der Bundeswehr. Die USA streben, vermittelt durch die NATO, eine Aufstockung auf 260.000 aktive Kräfte an. Hinzukommen sollen 200.000 Reservistinnen und Reservisten. Deutschland soll nach der gefährlichen Illusion der Regierung Merz/Klingbeil militärisch in der Lage sein, die Atommacht Russland auch an deren Grenze herauszufordern. Die Einführung der Wehrpflicht soll zudem die Voraussetzung schaffen, die Bundeswehr über die 460.000 Mann hinaus zu erweitern. Entsprechend würden immer mehr Rekruten eines Jahrgangs per Losverfahren eingezogen werden.

Die Ankündigung, den Zwei-plus-Vier-Vertrag auch im Punkt der Truppenstärke der Bundeswehr nicht weiter beachten zu wollen, wird wohl folgenlos bleiben. Sanktionsmöglichkeiten bei Vertragsbruch sind nicht vorgesehen, und das Vertrauen zwischen den Vertragspartnern ist ohnehin bereits auf einem Nullpunkt angelangt. In der historischen Rückschau muss jedoch festgestellt werden, dass die Selbstbindungen Deutschlands, die es vertraglich eingegangen war, um die Zustimmung seiner Nachbarn und der ehemaligen Alliierten zu erlangen, zunehmend aufgelöst werden. Am Horizont erscheint ein Deutschland, das durch diesen Schlaf der Vernunft die Geister der Vergangenheit erneut heraufbeschwört.

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