Deutschland

Das Versagen bei der Flut

Das Versagen bei der Flut
Die Okertalsperre bei Altenau im Harz im niedersächsischen Landkreis Goslar.

Deutschland steht unter Wasser. Während der Kanzler in die Flutgebiete fährt und betroffen guckt, andere dem Klimawandel die Schuld geben, deuten die Füllstände der Harz-Talsperren daraufhin, dass die Überflutungen teilweise auf Missmanagement zurückzuführen sind.

von Willi Weißfuß

Hochwasser sind ein verheerendes, aber leider kein seltenes Ereignis. So kam es im Dezember in vielen Gebieten Deutschlands aufgrund von anhaltenden Regenfällen zu Hochwassern und Überschwemmungen, die teilweise noch anhalten. Gerade Grünen-Politiker und Klimaaktivisten sehen als einzigen Grund für das Hochwasser durch Klimawandel ausgelösten Regen und suchen die Schuld bei den deutschen Kohlekraftwerken und Verbrennerautos.

Dabei deutet einiges darauf hin, dass auch menschliches Versagen diesmal eine entscheidende Rolle spielte. Denn sowohl die hohen Regenmengen im Jahr 2023 als auch die Pegelstände in den Flüssen und Talsperren sind länger bekannt gewesen. Beides wurde anscheinend ignoriert

Regenjahr statt Dürrejahr

Ein Blick auf die offiziellen Wetterdaten des Deutschen Wetterdienst zeigt, dass das Hochwasser mit Ansage kam. Denn 2023 war entgegen aller Behauptungen, die noch im Sommer aufgestellt wurden, kein Dürrejahr. Im Gegenteil: 2023 fielen 954 Liter Regen pro Quadratmeter. Damit lag die Niederschlagsmenge insgesamt 160 Liter pro Quadratmeter höher als in der Vergleichsperiode 1991-2020. Insbesondere in der zweiten Jahreshälfte fiel besonders viel Regen.

Allein im Oktober und November fielen zusammen 226 Liter pro Quadratmeter, im Dezember kamen weitere 114 Liter pro Quadratmeter hinzu. Dies zeigt, dass das Hochwasser nicht überraschend kam, sondern man spätestens Ende November hätte reagieren müssen, um durch ein gezieltes Wassermanagement in den Flüssen dem Hochwasser ein paar Wochen später zuvorzukommen.

Denn Flüsse sind in Deutschland hochreguliert und werden permanent überwacht. Mithilfe von Staustufen beziehungsweise Talsperren kann der Wasserpegel der Flüsse sehr gut reguliert werden. Nötig ist dies vor allem, um den Schiffsverkehr sicherzustellen und die Energie der Flüsse für die Wasserkraft nutzbar zu machen, aber auch zur Hochwasserregulierung. Anonymous News hat Daten von Talsperren in Deutschland ausgewertet und teilweise ein problematisches Talsperren-Management festgestellt.

Überlauf mit Ansage

Exemplarisch für Missmanagement stehen die Harz-Talsperren. Die insgesamt sechs Talsperren haben ein maximales Stauvolumen von 182 Millionen Kubikmetern und einen sich jährlich wiederholenden Füllstand-Zyklus. Um den März herum erreichen die Talsperren ihren höchsten Füllstand, mit rund 150 Millionen Kubikmetern.

Im dann kommenden Sommer geben die Talsperren mehr Wasser ab, als sie aufnehmen und reduzieren ihren Füllstand auf 80 bis 60 Millionen Kubikmeter, um dann in den Wintermonaten wieder auf rund 150 Millionen Kubikmeter angestaut zu werden. In den letzten Jahren gab es von diesem Zyklus nur zwei Jahre die abwichen, 2021 wo der maximale Füllstand bei rund 120 Millionen Kubikmetern und der niedrigste Füllstand bei rund 100 Millionen Kubikmetern lag und 2023, dem Hochwasserjahr.

Das Versagen bei der Flut
Daten: Deutscher Wetterdienst

Mitte April 2023 erreichten die Harztalsperren mit rund 150 Millionen Kubikmetern ihren Höchststand im Frühjahr. Bis dahin war alles soweit normal. Doch anstatt die Talsperren wie sonst üblich über den Sommer hinweg kontrolliert abzulassen, wurde in den Talsperren vergleichsweise wenig Wasser abgelassen. Anfang Oktober waren etwas mehr als 120 Millionen Kubikmeter in den Harz-Talsperren angestaut.

Zum Vergleich: 2022 waren es zu diesem Zeitpunkt 80 Millionen Kubikmeter – 40 Millionen Kubikmeter weniger als 2023. Anfang Dezember 2022 hatten die Harztalsperren sogar nur 60 Millionen Kubikmeter angestaut – ein Jahr später waren es 150 Millionen Kubikmeter. Ende Dezember kam es dann zum Super-GAU. Der Füllstand der Harz-Talsperren lag bei 98,5 Prozent. Einzelne Talsperren wie zum Beispiel die Okertalsperre mussten deswegen unkontrolliert Wasser abgeben und verschärften damit das Hochwasser in Niedersachsen.

Dabei wäre es eigentlich möglich gewesen, die Talsperren durch ein gezieltes Ablassen von eingestautem Wasser zu einer echten Hilfe beim Hochwasserschutz zu machen. Um Beispielsweise 45 Millionen Kubikmeter Wasser kontrolliert abzulassen, hätten die sechs Talsperren von Juni an zusammen lediglich 3 Kubikmeter pro Sekunde mehr Wasser ablassen müssen. Dies hätte für die Aller, den Fluss in denen die Flüsse der Harz-Talsperren münden, kaum Auswirkungen gehabt. Die Aller hat einen mittleren Abfluss von 114 Kubikmetern pro Sekunde.

Dieses 45 Millionen Kubikmeter fehlen jetzt bei der Bekämpfung des Hochwassers und überschwemmen unter anderem Verden, den Ort, wo Olaf Scholz Betroffenheit zeigte und wo die Aller für Überschwemmungen sorgt. Eine Aufarbeitung des Wassermanagements bei den Talsperren wird dringend nötig sein – es gibt viele Fragen zu beantworten.

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