Während die AfD in Umfragen immer weiter zulegt, eskaliert die Gewalt gegen die Partei. Nur durch Glück ist bisher noch kein Mensch ums Leben gekommen. Doch die letzten Wochen zeigen: Weit hin ist es nicht mehr.
von Marie Wiesner
Bei der Fraktionsklausur der Union Ende Oktober 2025 wurde die AfD einmal mehr als Feindbild markiert. «Es gibt zwischen der CDU und der AfD keine Gemeinsamkeit», so Bundeskanzler Friedrich Merz, der bereits anlässlich der Einheitsfeierlichkeiten wenige Wochen zuvor eine härtere Gangart im Umgang mit den Blauen angekündigt hatte.
«Solidarität ist ein Gefühl – und das teilen wir nicht mit der AfD.» Fraktionschefin der Grünen
Mittlerweile richtet sich die Gewalt nicht mehr nur gegen Büros, sondern ganz gezielt gegen die Repräsentanten der Partei, ohne Rücksicht auf Menschenleben. Auffällig: Es gibt keine räumlichen Schwerpunkte. Die Tatorte verteilen sich quer durch die Republik – von der schwäbischen Provinz über städtische Szenehochburgen bis ins ländliche Brandenburg.
Der Sohn der Bürgermeisterin
Leibertingen – eine beschauliche Gemeinde im baden-württembergischen Landkreis Sigmaringen, in der normalerweise höchstens das Zwitschern der Vögel für Unruhe sorgt – wäre wohl der letzte Ort, an dem jemand einen Mordanschlag aus der linksextremen Szene vermutet hätte. Doch in der Nacht auf den 23. Oktober 2025 schleicht sich der 22-jährige Tobias K., an dessen Kinderzimmer-Fenster ein Anti-AfD-Plakat angebracht ist, durch die Straßen des 2.200 Einwohner-Dorfes. In seiner Tasche versteckt er mehrere selbstgebaute Brandsätze. Im Visier sind die Häuser zweier Männer, die im Ort als AfD-Vertreter gelten – auch wenn einer von ihnen die Partei längst wieder verlassen hat, ein Detail, das offenbar noch nicht bis in jede Ecke Leibertingens vorgedrungen ist. Gegen die Fenster der ahnungslosen Familien wirft er Molotow-Cocktails, auch ein anrückendes Polizeifahrzeug wird attackiert. Nur durch Glück – und dank des schnellen Eingreifens der Beamten – gibt es in dieser Nacht keine Toten.

Wenige Tage später wird der Extremist, der an seinen Tatorten Parolen wie «FCK NZS» («Fuck Nazis») oder «AFA 161 Area» (Abkürzung für Antifa-Zone, ein von der militanten Linken proklamiertes Gebiet) hinterließ, verhaftet. Die Staatsanwaltschaft erwirkt einen Haftbefehl wegen Mordversuchs. Doch obwohl es keinerlei Zweifel am politischen Hintergrund gibt, erhalten die Brandanschläge kaum mediale Aufmerksamkeit. Dabei gäbe es genug Gründe, hinzusehen. Alternative Medien deckten auf, dass Tobias K. Sohn der noch amtierenden Bürgermeisterin Claudette Kölzow (parteilos) aus dem Nachbarort Buchheim ist. Sie verfehlte beim jüngsten Urnengang Ende September 2025 die Wiederwahl. Möglicherweise, weil sie sich als Gegnerin der AfD präsentierte, im Internet zu Brandmauer-Demonstrationen aufrief und unter dem Motto «Nie wieder ist jetzt» vor der Kamera posierte. Dass ihr eigener Sohn zum Brandstifter und Beinahe-Mörder geworden ist, möchte die Politikerin gegenüber der Presse nicht kommentieren. Gut möglich, dass der Hass des jungen Mannes auf die Partei seine Wurzeln im Elternhaus hat.
Bilanz 2025
«Über Straftaten gegen Repräsentanten und Mitglieder der im Bundestag vertretenen Parteien in der ersten Hälfte des laufenden Jahres berichtet die Bundesregierung in ihrer Antwort (21/1171) auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion (21/985). Danach wurden laut dem Kriminalpolizeilichen Meldedienst in Fällen politisch motivierter Kriminalität im ersten Halbjahr 2025 insgesamt 98 Gewalt- und 174 Äußerungsdelikte gemeldet, die gegen Vertreter dieser Parteien gerichtet waren. Von den 98 Gewaltdelikten waren laut Vorlage in 68 Fällen Vertreter der AfD betroffen, in neun Fällen Vertreter der Sozial- und in sieben Fällen der Christdemokraten, während auf Vertreter der FDP sechs Fälle sowie auf Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen und auf Vertreter der Linken jeweils vier Fälle entfielen.» (Website des Deutschen Bundestages)
Ortswechsel: 500 Kilometer nördlich, in die Studentenstadt Göttingen – seit Jahrzehnten eine Hochburg der Linksautonomen. Am Abend des 4. Oktober 2025 treffen sich etwa 15 Mitglieder der AfD, darunter der Bundestagsabgeordnete Micha Wehre aus Hannover, zu einem Parteistammtisch. Anschließend wollen sie, so teilt Wehre später mit, einen Abstecher machen, um sich das berüchtigte Antifa-Zentrum Obere-Masch-Straße 10 – in der Szene bekannt als OM10 – «einmal von außen anzusehen». Dann geht alles ganz schnell: Aus dem Haus, in dem sich auch die Räumlichkeiten linksextremer Fußball-Ultras des 1. SC Göttingen 05 befinden, stürmen bis zu 20 Angreifer und gehen auf die Patrioten los. Zwei Mitglieder im Alter von 28 und 35 Jahren werden verletzt, einer der beiden muss sogar in die Notaufnahme.

Immerhin: Polizisten können fünf der Angreifer, zwei Frauen im Alter von 26 und 35 Jahren, sowie drei Männer zwischen 23 und 49 Jahren, dingfest machen. Gegen sie wird jetzt ermittelt. Reinhild Goes, Vorstandsmitglied der AfD in Göttingen, sieht in der brutalen Attacke auch den Versuch, die Partei im Vorfeld der niedersächsischen Kommunalwahl im Herbst 2026 einzuschüchtern. «Wenn wir durch Göttingen gehen, greifen sie uns an. Werden wir deshalb nicht mehr durch unsere eigene Stadt gehen? Nein!», stellt die Politikerin klar.
Fünf Anschläge auf Bernd Baumann
Einschüchterung – das ist auch das Ziel eines Anschlags in der Elbmetropole Hamburg, die als Hochburg der linksextremen Szene gilt. In der Nacht auf den 3. November 2025 wird das Auto von Bernd Baumann, Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, in Brand gesetzt, ebenso drei weitere Fahrzeuge, die vor seinem Wohnhaus parken. Während sich die Antifa noch am selben Tag auf dem – trotz Verbots abrufbaren – Portal Indymedia zu ihrem hinterhältigen Angriff bekennt und weitere Taten ankündigt, bleiben die Politiker der etablierten Parteien erstaunlich still. Lediglich Vertreter der zweiten Reihe verurteilen die Tat, wie etwa der CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Mattfeldt, der sich «tief betroffen» zeigt. Andere hätten, so Baumann, ihm zwar hinter verschlossenen Türen ihre Anteilnahme ausgedrückt, fürchteten jedoch, sich öffentlich zu positionieren, um nicht selber medialer Stimmungsmache und rotem Terror zum Opfer zu fallen.

Oder sie nutzen, in völliger Täter-Opfer-Verdrehung, auch diesen Brandanschlag, um gegen die AfD zu wettern: «Solidarität ist ein Gefühl – und das teilen wir nicht mit der AfD», poltert etwa Sima Imhof, Fraktionschefin der Grünen in der Hamburger Bürgerschaft. Klare Worte finden dagegen die AfD-Vorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla, die in einer gemeinsamen Stellungnahme vom «Angriff auf einen führenden Repräsentanten der größten Oppositionsfraktion» sprechen, der gleichzeitig «auch ein Angriff auf die deutsche Demokratie» sei. Baumann selber, der bereits das fünfte Mal Opfer ähnlicher Terrorakte geworden ist, lässt sich nicht einschüchtern: «Danach motiviert es mich, jetzt erst recht weiterzumachen.»
Doch auch die AfD-Hochburgen im Osten der Republik sind nicht mehr sicher. Ein Beispiel ist Nauen, eine 20.000 Einwohner-Stadt im Brandenburger Havelland. Zur Bürgermeisterwahl am 28. September stellt sich mit dem AfD-Stadtrat Sven Kilian (er kandidiert parteifrei) auch ein alternativer Bewerber. Bereits im Wahlkampf kommt es zu Übergriffen, unter anderem wird das Auto des Kommunalpolitikers beschädigt und eine Reihe von Plakaten besprüht.
Kurz nach Bekanntgabe des Ergebnisses eskaliert die Gewalt: Kilian sieht, wie ein Mann in der Nähe des Rathauses seine Plakate in Brand setzt. Als der Gewalttäter von Kilians Unterstützern zur Rede gestellt wird, schlägt er zu – und holt plötzlich sogar mit einer (zuvor verdeckt am Körper getragenen) Machete aus. Geistesgegenwärtig gelingt es dem Angegriffenen, die Wucht der Attacke abzufedern, dennoch wird er durch die Machete schwer am Kopf verletzt. Unter Einsatz von Pfefferspray können die anrückenden Polizisten schließlich den Antifanten überwältigen. Obwohl ein tödlicher Ausgang nur knapp verhindert wurde, stuft die Staatsanwaltschaft die Tat lediglich als gefährliche Körperverletzung ein. Immerhin: Der 22-jährige Angreifer befindet sich mittlerweile in Untersuchungshaft.
Ein Schreckensjahr
Laut Statistik wurden im Jahr 2024 insgesamt 86 Angriffe auf Büros der größten Oppositionspartei registriert – mehr als einmal in der Woche flogen Pflastersteine oder Farbbomben auf die Geschäftsstellen der AfD. 2025 setzten sich die Übergriffe gegen Patrioten fast ungebrochen fort (siehe folgende Grafik). Eine sicherlich unvollständige Übersicht:
27. Februar 2025: Die Antifa sprüht bei einer Veranstaltung von Martin Sellner in Berlin Pfefferspray in das Gebäude und versucht, sich gewaltsam Zugang zu verschaffen. Die herbeigerufene Polizei stellt sich schützend vor den Veranstaltungsort.
2. Juni 2025: Im geplanten Bürgerbüro der AfD in Nierstein-Schwabsburg (Rheinland-Pfalz) werden die beiden Glasscheiben der Tür eingeschlagen und dann Behälter mit Buttersäure hineingeworfen.
3. Juni 2025: Die Antifa besprüht das identitäre Zentrum Chemnitz mit lila Farbe und veröffentlicht ein Bekennerschreiben auf Indymedia.
21. September 2025: Ein unbekannter Täter wirft im Büro des AfD-Landtagsabgeordneten Jörg Prophet in Nordhausen/Thüringen eine Scheibe ein.
29. September 2025: Gegen 20:20 Uhr wirft eine verdächtige Person einen brennenden Gegenstand durch ein beschädigtes Fenster des AfD-Büros in München-Perlach, wird dann aber von einem Zeugen vertrieben. Als die Einsatzkräfte eintreffen, finden sie Rauch in den Räumen vor – jedoch keine offenen Flammen.
3. Oktober 2025: Es kommt zu einem erneuten Feuerwehreinsatz im selben AfD-Büro. Die Einrichtung wird fast vollständig zerstört. Dank des schnellen Einsatzes kann das Feuer nach 30 Minuten gelöscht und Schlimmeres verhindert werden. Ein 20-Jähriger wird festgenommen.
Der Wahlhelfer wurde durch die Machete schwer am Kopf verletzt.
Mehrere potenzielle Tötungsdelikte, Körperverletzungen, Brandanschläge: Radikalisiert werden die Täter oft durch etablierte Politiker und Mainstream-Medien, deren Desinteresse an den Schandtaten den kriminellen Linksextremisten ein «Weiter so» signalisiert. Sogar Bild hat das Problem erkannt. In einem «Kommentar zum Baumann-Angriff» schreibt das Blatt: «Das Schweigen macht die Radikalen stark!» Auch im Bundesinnenministerium will man den Ernst der Lage erkannt haben. In einer Stellungnahme Anfang November heißt es, «dass sich Gewalttaten nicht mehr bloß gegen die Partei als Kollektiv richten, sondern verstärkt auch einzelne Mitglieder in das Zielspektrum rücken». Ob diesen Worten auch Taten folgen?
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