Lehrer und Schüler, die gegen die AfD mobilisieren, Lehrer, die gegen einen konservativen Schüler Front machen. Recherchen geben Einblick in das linke Biotop an einer hessischen Schule. Mittendrin: die Schulleitung.
von Sandro Serafin
Daß der Verfasser der Mail aufgebracht ist, merkt man sofort. Für einen korrekten Satz hat die Zeit offenbar nicht mehr gereicht, als er am 21. Oktober seinen Text verschickt, im Ton ausgesprochen grob. „Ich werde die hohlen Phrasen, mit denen meine demokratischen Pflichten als Lehrer, die Grundrechte zu achten und zu verteidigen, nicht weiter kommentieren“, schreibt er fehlerhaft – und fügt dann doch noch zwei Sätze an.
Erstens: „Daß mit der Schülervertretung junge Menschen freiwillig auf eine politische Stellungnahme/Positionsbestimmung und den demokratischen Diskurs verzichten, ist das Gegenteil von dem, was ihre Aufgaben als demokratische Instanz innerhalb der Schule beinhaltet.“ Und zweitens: „Ich hoffe mal, daß die Schülervertretung keine Spielwiese für zukünftige kleine Möchtegerndiktatörchen darstellt und werde mich nicht weiter auf dieses Niveau herabbegeben.“ Die Mail beendet der Verfasser „mit antifaschistischem Gruß“.
Die Lehrer-Mail hat den Betreff „Faschos“
„Antifaschistischer Gruß“? Was nach einer Nachricht aus einer Antifa-Gruppe klingt, ist tatsächlich die Mail eines Lehrers an einen Schüler. Verfasser ist Manfred Schulz*, Lehrer an einer Berufsschule in Hessen. Empfänger ist Matthias Lang, ein zu diesem Zeitpunkt noch 17 Jahre alter, politisch aufgeweckter und erkennbar eigenständig denkender Schulsprecher an der Schule, an der Schulz unterrichtet. Bei dem Lehrer hat Lang selbst keinen Unterricht – er lernt in einem anderen Fachbereich.
Die Sache hat eine Vorgeschichte: Im August hatte der Lehrer versucht, die Schülervertretung dazu anzustiften, am 29. November gegen die Neugründung der AfD-Jugend im mittelhessischen Gießen zu demonstrieren. „Habt ihr Lust und Zeit, euch an den Vorbereitungen zu beteiligen, auch mit den SchülerInnen?“, fragte er in einer Mail und fügte an: „Ich hab ’nen Schwung Flyer dabei.“ Betreff der Nachricht: „Faschos“. Schulz rechnete wohl nicht damit, daß der neue Schulsprecher da nicht mitmachen würde.
Der Schulsprecher wehrt sich
Doch Lang machte nicht nur nicht mit. Er wehrte sich sogar aktiv – mit einer sachlich-ruhigen, aber ziemlich klaren Mail. „Im Namen der Schülervertretung teile ich Ihnen mit, daß Ihr Anliegen bei uns auf grundlegende Bedenken stößt“, schrieb er an Schulz. „Offizielle schulische Kommunikationskanäle sind nicht dafür vorgesehen, partei- oder kampagnenbezogene Aufrufe zu verbreiten.“ Und: „Zur Klärung möglicher Verstöße gegen das Neutralitätsgebot habe ich den Vorgang der Schulleitung übermittelt.“
Ein konservativer Schüler, der einem linken Lehrer zu widersprechen wagt und die Schülervertretung nicht für linke parteipolitische Zwecke zu mißbrauchen gedenkt: Schulz kann damit offenbar nicht umgehen und haut dem noch minderjährigen Schüler den Vorwurf des „Möchtegerndiktatörchens“ an den Kopf. Es ist ein Frontalangriff eines linken Lehrers auf einen konservativen Schüler – und beileibe nicht der einzige Vorfall dieser Art in den vergangenen Monaten.
Der Redaktion liegen zahlreiche Mails und Chatnachrichten vor, die Einblicke in das von Lehrern und Schulleitung beförderte linke Meinungsklima an besagter Schule ermöglichen. Es ist ein Fall, wie es ihn vielfach an deutschen Bildungseinrichtungen geben dürfte. Und wie er mit vertauschten Rollen – rechte Lehrer gegen linken Schüler – sicherlich sofort zu einem medialen Aufschrei führen dürfte.
Der grüne Lehrer findet die Junge Union rechtsextrem
Bereits vor dem Austausch mit Schulz hatte Schulsprecher Lang einen anderen linken Lehrer an seiner Schule mit Kritik konfrontiert: Andreas Slawik, aktives Grünen-Mitglied. Der hatte bei Instagram einen Beitrag verbreitet, der die Junge Union als „rechtsextrem“ bezeichnete, weil sie um den ermordeten konservativen US-Aktivisten Charlie Kirk trauerte. „Der Beitrag ist einfach ekelhaft“, schrieb der Schüler dem Lehrer.
Slawik schwärzte Lang daraufhin bei der Schulleitung an. Grund: Der Schüler habe auf seinem Instagram-Profil sein Amt (zu dem Zeitpunkt stellvertretender Schulsprecher) und seine politische Meinung („go woke, go broke …“) nicht klar voneinander getrennt. Das Amt und der Spruch standen untereinander in Langs „Bio“, dem Teil des Profils, in dem Nutzer kurz beschreiben, wer sie sind. Eine Lappalie, wenn überhaupt, die der Lehrer aber erkennbar ausnutzte, um einem politisch mißliebigen Schüler eins auszuwischen.
Und was macht die Schulleitung?
Bemerkenswert ist die Rolle, die die Schulleitung bei alledem spielt. Daß Lehrer Schulz einen Schüler als „Möchtegerndiktatörchen“ beleidigt und „mit antifaschistischem Gruß“ grüßt, bekommt sie sofort mit – denn der Schüler und sogar der Lehrer haben die Schulleitung bei ihrem Mailverkehr ins CC gesetzt. Schulz scheint gar keine Scham wegen seines Verhaltens zu empfinden oder gar eine Dienstaufsichtbeschwerde zu befürchten. Tatsächlich reagiert die Schulspitze denn auch nicht von sich aus.
Statt dessen wendet sich Schulsprecher Lang am nächsten Tag von seiner Seite aus aktiv an den stellvertretenden Schulleiter Hermann Probe und bittet ihn um ein Gespräch. Probe sieht die Sache gelassen: Der Mailaustausch sei von der Meinungsfreiheit gedeckt. Die Schulleitung tauscht sich nach eigener Auskunft zwar mit dem linken Lehrer aus. Aber Bedarf für Konsequenzen sieht sie nicht.
Da wird auch dem Schulleiter mulmig
Hegt sie selbst klammheimliche Sympathien für die Agitation ihres Lehrers gegen die AfD? Schon bald kommt es zum nächsten Vorfall. Wieder geht es um die AfD, wieder drohen Grenzen überschritten zu werden. Und dieses Mal ist die Schulleitung direkt involviert. Am 19. November, zehn Tage vor dem Gründungskongreß der AfD-Jugend, erlaubt ein für politische Aktivitäten zuständiger Lehrer einer linken Schülerin, eine scharfe Anti-AfD-Mail über den Mailverteiler an mehr als 2.400 Schulmitglieder zu senden.
„Laßt uns als Schule gemeinsam ein Zeichen zum Schutz unserer Demokratie und der Menschenrechte setzen!“, heißt es darin. Und: „Ich würde mich unglaublich freuen, wenn wir zusammenhaltend auf der Demo erscheinen.“ Schulen haben gegenüber ihren Schülern parteipolitische Neutralität zu wahren. Wie ist es damit zu vereinbaren, daß eine Schule einen Anti-AfD-Aufruf einer Schülerin an sämtliche ihrer Schüler weiterverteilt?
Offenbar wird auch Schulleiter Peter Dreißig an diesem Punkt ein wenig mulmig. Einige Stunden später schickt er über denselben Verteiler eine Mail, in der er betont, daß der Demoaufruf „die persönliche Meinung einer einzelnen Schülerin“ darstelle. Die Schule sei „als Institution zur Neutralität verpflichtet“.
Es regt sich Unmut
Dennoch regt sich bei einigen Schülern Unmut. Zwei Tage danach geht eine kritische Mail bei der Schulleitung ein. „Ich halte es für problematisch, den ursprünglichen Aufruf ohne Einordnung oder Ausgleich einfach im Raum stehen zu lassen“, schreibt ein Schüler darin und fährt fort: „Eine politische Position wurde über die schulischen Verteiler sehr prominent verbreitet, während andere Sichtweisen im selben Moment nicht berücksichtigt wurden.“
Der Schulleiter entschließt sich, auch diese Mail über den Verteiler zu verbreiten, womöglich um sich in Bezug auf seine Neutralitätspflicht formal nicht angreifbar zu machen. Zur weitergeleiteten Mail schreibt er zunächst scheinbar neutral: „Ich bitte um Beachtung.“ Dann allerdings folgt seine E-Mail-Signatur – und die sieht jetzt ganz anders aus als noch zwei Tage zuvor.
Plötzlich zitiert der Schulleiter Niemöller
Denn plötzlich taucht darin neben den üblichen Daten des Schulleiters auch das berühmte Zitat Martin Niemöllers, des christlichen Widerstandskämpfers gegen den Nationalsozialismus, auf: „Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Kommunist. Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Sozialdemokrat. Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschafter. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“ Das kann in diesem Zusammenhang kaum anders verstanden werden denn als Solidarisierung des Schulleiters mit den Anti-AfD-Protesten.
Es ist ein Skandal, allerdings geschickt verpackt, um sich juristisch nicht angreifbar zu machen. So sieht es auch Schulsprecher Lang. Er schreibt noch einmal eine kritische Mail an den Schulleiter, verweist darauf, daß in der Schule sowieso schon überall mit Aushängen zur Anti-AfD-Demo mobilisiert wird. Daß die Schulleitung dann auch noch eine Einladung über den Schulverteiler weiterverbreiten ließ, eine kritische Gegenmail aber mit einem Niemöller-Zitat garnierte, findet er nur noch dreist.
„Das ist keine multiperspektivische Debatte. Das ist keine gelebte Vielfalt“, schreibt er an den Schulleiter. „Das ist die Etablierung einer Meinungskultur, die nur noch eine Meinung kennt, verpackt in Rhetorik von Toleranz und Antifaschismus.“ Konsequenzen für Schulleitung oder Lehrer sind trotzdem nicht in Sicht.
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