Kühe gelten wegen ihres Methan-Ausstoßes als schlimme Klimaschädlinge. Da man sie nicht einfach verbieten kann, werden Kühe mit einem methanmindernden Medikament zwangsgefüttert. Doch die teilweise extremen Nebenwirkungen für Kühe und Menschen wurden nie untersucht. Notizen aus dem Klima-Irrenhaus.
von Jochen Ziegler
Im Kampf um die sogenannte Klimarettung wurden dänische Milchbauern vom Staat dazu gezwungen, ihre Kühe mit Bovaer (3-Nitrooxypropanol) zu füttern, um deren Methan-Ausstoß zu senken. Methan ist ein Treibhausgas, und Klimaforscher befürchten, es könne zum anthropogenen Klimawandel (neuerdings: Klimanotstand) beitragen. Als Treibhausgas ist es nach Wasserdampf (Wolken) und Kohlendioxid der drittwichtigste Faktor zur Erhaltung der Klimahomöostase auf der Erde – ohne Treibhausgase würde die Erde auskühlen und das Leben hier unmöglich werden. Ob allerdings die anthropogenen Treibhausgase (der sehr kleine Anteil menschlicher Provenienz am seit 1880 freigesetzten Kohlendioxid und das aus der Viehhaltung stammenden Methan sowie Lachgas und noch ein paar andere Gase) für die globale Erwärmung von 1850 bis heute verantwortlich sind, wissen wir nicht. Wahrscheinlich ist das nicht. Eher ist es umgekehrt: Zuerst kam die Erwärmung, dann die Freisetzung von Kohlendioxid. Doch darüber ein andermal, zurück zum Methan und Bovaer.
Die Zwangsverfütterung von Bovaer an alle Rinder ist gescheitert, wie Green Transition Denmark enttäuscht berichtet hat. Was ist da vorgefallen? Im hochkomplexen Verdauungstrakt von Rindern und anderen Wiederkäuern befindet sich der Pansen, der Vormagen, in dem Zellulose aus pflanzlicher Nahrung zerlegt wird. Hier leben zahlreiche Bakterien (einzellige Lebewesen ohne Zellkern), Protozoen (einzellige Lebewesen mit Zellkern) sowie Pilze. Sie alle spielen bei der Verdauung der von den Wiederkäuern gefressenen pflanzlichen Nahrung wie Gras oder Klee eine essenzielle Rolle, indem sie an der enzymatischen Aufschlüsselung der Nahrung beteiligt sind oder die Homöostase im Pansen garantieren. Allerdings führt die hochkomplexe und nicht vollständig verstandene Aktivität der Mikroben zur Ausscheidung von Methan, einem unverdaulichen Stoffwechselendprodukt.
Die Tiere rülpsen und furzen es zusammen mit Kohlendioxid, Stickstoff, Sauerstoff, Wasserstoff und Schwefelwasserstoff aus, nach einer Fütterung etwa 25 Liter dieser Gase. Das Methan (CH4) entsteht durch die Aktvitiät von Archeen (evolutionär besonders alten und primitiven Bakterien), die es aus Kohlendioxid und Wasserstoff im Pansen synthetisieren. Dadurch verbrauchen sie Wasserstoff, verhindern somit eine Übersäuerung des Pansensafts und eine übermäßige Produktion von Milchsäure und Ethanol. Methan ist also ein essenzielles Verdauungsprodukt der Wiederkäuer, für die Gesamthomöstase der Verdauung der Tiere und ihre Gesundheit ist es unerlässlich, dass die bakteriellen Symbionten der Tiere es produzieren.
Doch seit etwa zwanzig Jahren wird darüber nachgedacht, die Methanproduktion in wiederkäuenden Nutztieren zu reduzieren, damit weniger Methan entsteht und das Treibhausgas nicht weiter zum Klimanotstand beiträgt. Mit anderen Worten: Man will einen Beitrag zur Klimarettung leisten. Um dies zu erreichen, wurden verschiedene Möglichkeiten der Methanreduktion bei Wiederkäuern erforscht, wie eine Übersichtsarbeit aus der Zeitschrift Animals zeigt. Für den praktischen Einsatz wurde 3-Nitrooxypropanol (Bovaer) ausgewählt. Die organische Verbindung wirkt auf methanproduzierende Bakterien als Methyl-Coenzym-M-Reduktaseinhibitor, sie hemmt das Enzym, mit dem die Bakterien den Wasserstoffdonor Coenzym B und den Methyldonor Coenzym M kombinieren, um den letzten Schritt der Methansynthese zu katalysieren. Dadurch können sie je nach Dosis des Inhibitors kein oder weniger Methan herstellen, die Stoffwechselvorstufen häufen sich an, im Pansen kommt es zu einem Anstieg an Protonen und wahrscheinlich zu erhöhter Milchsäure und Ethanolproduktion. Die Nutztiere rülpsen weniger Methan aus.
Wie viel 3-Nitrooxypropanol darf man den Tieren geben? Wie wirkt es? Ist es verträglich? Was passiert damit, reichert sich das 3-Nitrooxypropanol oder seine Metaboliten in der Milch und im Fleisch an? Wie wirkt sich das auf Menschen aus, die Lebensmittel vom Rind verzehren?
Die Evidenz aus Tierversuchen
Wir fokussieren nun auf Rinder, insbesondere Milchkühe, da die dänische Gesetzgebung ihre Zwangsfütterung vorgegeben hatte. Eine Wirkung von 3-Nitrooxypropanol auf den Methanausstoß von Rindern wurde in zahlreichen Studien nachgewiesen. Eine 2023 erschienene Metaanalyse vieler Studien zeigt, dass bei einer Dosis von 70,5 mg/kg Trockenfutter der Ausstoß (Gramm pro Tag), die Ausbeute (Gramm pro kg Trockenfutter) und die Intensität (in g/kg ECM) des Methans jeweils um 33, 31 und 33 Prozent (gerundet) reduziert werden können. ECM steht für „energy corrected milk“, also die Ausbeute an normierter Milch. Diese Zahlen zur Wirksamkeit sind als valide zu bewerten. Eine ganz neue Untersuchung zeigt, dass bei einer Bovaer-Dosis von 60 mg/kg Trockenfutter die Kühe pro Tag 1,1 kg (5 Prozent) weniger Futter fressen und knapp ein Kilogramm weniger Milch geben (0,8 kg, 2,2 Prozent weniger). Das bedeutet, dass die Tiere unter Bovaer weniger Umsatz erwirtschaften. Bei diese Studie erhielten die Tiere in 84 Tagen 42 Tage lang Bovaer im Futter, während der restlichen Zeit keins.
Aber was geschieht mit dem 3-Nitrooxypropanol im Tier, wie verteilt es sich und wie wird es ausgeschieden? Dies kann man sehr klar in einer ausführlichen Stellungnahme der European Food Safety Authority (EFSA) nachlesen. Kurz gesagt wird 3-Nitrooxypropanol in der Kuh rasch metabolisiert, unter anderem zu 3-Nitrooxypropionsäure (NOPA), und dieses wird auch über die Milch abgegeben, so dass alle Milchprodukte in geringen Konzentrationen NOPA (und auch 3-Nitrooxypropanol) enthalten. Auch das Fleisch der Tiere enthält 3-Nitrooxypropanol und seine Metaboliten. NOPA ist, anders als 3-Nitrooxypropanol, in Tierversuchen krebserregend, wenn auch nicht direkt mutagen. Die Wirkung auf Embryonen (Teratogenität) bei Fütterung schwangerer Tiere wurde nicht untersucht (allerdings hat das die Japanische Lebensmittelsicherheitskommission FSCJ gemacht und konnte bei Ratten keine teratogenen Effekte feststellen). Die EFSA urteilte aber, dass die in der Milch nachweisbare NOPA-Konzentration bei einer Gabe an die Kuh von bis zu 100 mg pro kg Körpergewicht pro Tag für den Menschen ungefährlich sei. Die Kühe erhalten in der Praxis anhand der Tockenfuttergabe umgerechnet 2–3 mg pro kg Körpergewicht pro Tag.
Wie sieht es aber mit der Toxizität auf die Tiere selbst aus? Diese wurde in den oben zitierten Wirksamkeitsstudien schlecht untersucht. Insbesondere gibt es kaum langfristige Toxizitätsuntersuchungen an Rindern, und die Stichprobengrößen waren klein. Da in der Veterinärmedizin keine Verblindung vorgenommen wird, ist sehr gut möglich, dass ein Studienbias bestand, durch den akute Nebenwirkungen in der behandelten Gruppe übersehen wurden. Die FSCJ stellte allerdings in Rattenversuchen eine Schädigung der männlichen Geschlechtsorgane bei chronischer Bovaer-Gabe von 100 mg pro kg Körpergewicht fest und hat daher die Maximaldosis 100-mal niedriger festgelegt, auf 1 mg pro kg Körpergewicht. Diese Dosis wurde bei den dänischen Rindern um Faktor 2 bis 3 überschritten.
Was in der Praxis geschah
Ab dem 1. Januar 2025 wurde in Dänemark die Bovaer-Fütterpflicht für konventionelle Milchproduktion in allen Betrieben mit mehr als 50 Kühen verpflichtend eingeführt. Die Bauern müssen mindestens 80 Tage pro Jahr 60 mg Bovaer pro kg Trockenfutter zufüttern, was pro Tier und Jahr zu einer Reduktion des Methanausstoßes um 6 bis 7 Prozent pro Jahr führen müsste, wenn die Tiere nicht mehr als 80 Tage damit gefüttert würden. Damit wurde der Futterzusatz von kleineren Vorversuchen auf etwa 400 bis 500 Tausend Tiere ausgeweitet (es gibt über 500 Tsd. Milchkühe in Dänemark, aber nicht alle fallen unter das Gesetz). Bauern berichteten nach Beginn der Zufütterung mit dem Pharmakon von reduziertem Appetit der Kühe, stark einbrechender Milchproduktion, Verdauungsproblemen und sogar dem Zusammenbruch von Tieren. Inzwischen ist die verpflichtende Fütterung zurückgenommen worden, laut Zeitungsberichten folgt kein einziger Bauer mehr der nach wie vor geltenden Empfehlung.
Wie konnte es dazu kommen, dass die Nebenwirkungen bei der Prüfung übersehen wurden, warum hat man Bovaer überhaupt zugelassen? Erstens werden Nebenwirkungen in Versuchsreihen sowohl in der Veterinär- als auch in der Humanmedizin unterschätzt. Dies kann an Bias liegen: Die durchführenden Ärzte wollen die Nebenwirkungen nicht sehen und sehen darüber hinweg, dies geschieht sogar bei klinischen Studien (die legale Humanexperimente sind) trotz Doppelverblindung; die Nebenwirkungen werden dann systematisch in beiden Gruppen übersehen, die Wahrnehmungsschwelle steigt an, wenn der Druck zur Erzeugung wünschenswerter Ergebnisse sehr groß ist (so war es bei der Entwicklung der modRNA Immunisierungsmittel gegen COVID). Dies hat sicherlich auch bei den Boaver-Studien eine Rolle gespielt. Zweitens werden in Studien immer nur wenige Individuen betrachtet, während in der praktischen Nutzung hunderttausende oder gar Millionen ein Medikament bekommen. Daher werden dann auch seltenere Nebenwirkungen sichtbar. Weil Milchbauern ihre Kühe sehr gut kennen und bei Herden von bis zu 100–200 Tieren auch jede Kuh erkennen und mit ihrem Namen bezeichnen können, merken sie sofort, wenn es denen nicht gut geht, sie haben den gegenteiligen Bias der an Studien beteiligten Tierärzte. So ist es zu dem Bovaer-Debakel gekommen. Die Realität, so könnte man sagen, hat zurückgeschlagen.
Monokausal-mechanistische Denkweise
Doch warum überhaupt versucht man einen physiologischen Vorgang, die Methanproduktion bei Milchkühen pharmakologisch zu hemmen? Weil ein Großteil unserer Eliten tief und fest an das Narrativ vom anthropogenen Klimawandel glaubt. Ernsthaft redet man sich ein, als kleines Land mit winzigem Anteil an den globalen Treibhausgasemissionen (die in Wirklichkeit wohl kaum zum Klimawandel beitragen) als Vorbild voranzugehen. Aber wie kann man glauben, dass es veterinärmedizinisch sinnvoll ist, einen physiologischen Verdauungsvorgang, der für die Homöstase im Pansen essenziell ist und sich über die Evolution langsam als Symbiose von Rind und Archaeen herausgebildet hat, zu inhibieren?
Ich bin Humanmediziner und Biochemiker und kein Veterinärmediziner, habe aber für diesen Artikel zahlreiche Publikationen auch zur Physiologie der Zellulose-Verstoffwechselung im Pansen, die es ja bei Menschen nicht gibt, gelesen. In keiner davon hat sich ein Wissenschaftler darüber Gedanken gemacht, dass es keine gute Idee sein kann, eine symbiotische Beziehung zwischen Rind und Bakterien, die für die Homöostase der gesunden Verdauung notwendig ist, durch Enzyminhibition zu unterbinden. Wie kann man überhaupt glauben, dass das ohne Nebenwirkungen erfolgen kann?
Zum Vergleich: Beim Magengeschwür inhibiert man bei kranken Menschen mit Protonenpumpenhemmern wie Omeprazol die Wasserstoffsekretion in den Magensaft und senkt dadurch dessen Säuregehalt (während Bovaer den Säuregehalt des Pansensafts erhöht, indem es die Verstoffwechslung von Wasserstoff hemmt). Selbstverständlich führen Protonenpumpenhemmer zu gastrointestinalen Störungen, aber auch zu Leberzellschädigungen, Hautreaktionen, Müdigkeit, Schlafstörungen, Schwindel, Gelenkbeschwerden, Kopfschmerzen, Haarausfall, Seh-, Hör- und Geschmacksstörungen sowie Polyneuropathie, weil die Substanzen eben nicht nur im Magen wirken. Zu glauben, pharmakologische Eingriffe seien auf die unmittelbar erwünschte Wirkung beschränkbar, ist fast immer wirklichkeitsfremd, insbesondere wenn man physiologische Prozesse unterbindet.
Die dem ganzen Projekt zugrunde liegende Denkweise ist monokausal-mechanistisch und geht vollkommen an der Komplexität der Natur vorbei. Dieser Cartesianismus ist gefährlich und auch töricht, wie wir bei den COVID-Maßnahmen und der Impfkampagne gesehen haben. Wir brauchen eine kulturelle Abkehr von diesem Denken, das so viel Schaden anrichtet, wenn es außerhalb des Bereichs, in dem es seine Berechtigung hat, angewendet wird. Das forderten gute Denker wie Scheler oder Husserl schon vor 100 Jahren. Die Idee einer verpflichtende Gabe von 3-Nitrooxypropanol an Milchkühe reiht sich in ihrer Absurdität, ihrer primitiv monokausal-mechanistischen, törichten und ideologisch verblendeten Sicht der Welt perfekt in die Wahnthemen unserer Zeit ein.
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