Hintergründe

9/11: Geheim gehaltene 28 Seiten des Kommissionsreports veröffentlicht

9/11: Geheim gehaltene 28 Seiten des Kommissionsreports veröffentlicht

Der Geheimdienstausschuss des US-Repräsentantenhauses hat am Freitag 28 bislang als geheim eingestufte Seiten aus einem Untersuchungsbericht zu den Anschlägen des 11. September 2001 veröffentlicht. 15 der mutmaßlichen Flugzeugentführer waren saudische Staatsbürger. Welche Rolle spielte die saudische Regierung bei den Anschlägen auf das World Trade Center? Die Antwort steht auf 28 zensierten Seiten eines 2002 veröffentlichten Kongressberichts (nicht zu verwechseln mit dem Untersuchungsbericht der von George W. Bush handgepickten 9/11-Kommission). 14 Jahre wurde der Abschnitt in den Katakomben des US-Kapitols in Washington unter Verschluss gehalten. Der Veröffentlichung am Freitag gingen immer lauter werdende Forderungen von Angehörigen der Opfer von 9/11 sowie monatelange Überprüfungen durch die Obama-Administration voraus.

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Die Saudis hatten stets darauf beharrt, keinerlei Verantwortung für die Anschläge zu haben und die Herausgabe des unterdrückten Abschnitts sogar im Vorfeld befürwortet. Also was steht drin? Das offene Geheimnis der Verbindung zwischen saudischen Regierungsangehörigen und Geheimdienstmitarbeitern mit mehreren mutmaßlichen Attentätern wird belegt. Im Bericht heißt es: „Während ihres Aufenthaltes in den Vereinigten Staaten standen einige der Flugzeugentführer vom 11. September in Kontakt mit Einzelpersonen, die möglicherweise Verbindungen zur saudischen Regierung haben, oder sie erhielten von diesen Personen Unterstützung.“ (1) Quellen des FBI seien davon ausgegangen, dass mindestens zwei solcher Unterstützer saudische Geheimagenten waren.

Darunter befindet sich Omar al-Bayoumi, der in engem Kontakt zu den mutmaßlichen Attentätern Nawaf al-Hazmi und Khalid al-Midhar gestanden habe. Al-Bayoumi habe sie finanziell unterstützt und ihnen geholfen, in Kalifornien eine Wohnung zu finden. Dem FBI zufolge, bezog al-Bayoumi Geld vom saudischen Verteidigungs- und Finanzministerium, sowie von weiteren nicht genannten Regierungsorganen.

Die zweite im Bericht hervorgehobene Person ist Osama Bassnan. Der saudische Staatsbürger soll ein Partner al-Bayoumis gewesen sein und in direkter Nähe zu al-Hazmi und al-Midhar gewohnt haben. Bassnan und seine Frau sollen regelmäßige Zahlungen von der Frau des damaligen saudischen US-Botschafters Bandar bin Sultan erhalten haben. Ein Scheck soll direkt auf Bandars Konto verwiesen haben. Zudem werden Bin Sultan Geschäftsbeziehungen zu einem Unternehmen in Aspen, Colorado nachgesagt. Die Telefonnummer des Unternehmens habe man bei Abu-Zubaydah, einem bis heute in Guantánamo eingesperrten Verdächtigen, gefunden.

Erwähnt wird auch Fahd al-Thumairy, ein ehemaliger leitender Angestellter eines saudischen Konsulars, der 2001 Imam in der von al-Hazmi und al-Midhar besuchten Moschee in Culver City, Los Angeles gewesen ist. Ein Angestellter des saudischen Innenministeriums, Saleh al-Hussayen, habe die Tage vor dem 11. September 2001 im selben Hotel wie einer der Flugzeugentführer verbracht. Al-Hussayen habe während seines Verhörs mit dem FBI nach 9/11 einen Anfall simuliert, woraufhin die Befragung abgebrochen worden sei. Danach gelang es ihm, das Land zu verlassen. Wie die damalige US-Administration dabei behilflich gewesen war, Schlüsselfiguren wie al-Hussayen ein Flugticket nach Riad statt Guantánamo zu besorgen, bleibt unbeantwortet. Die engen Verzahnungen der Dynastie Bush mit den saudischen Scheichs werden auch auf diesen 28 Seiten höflich ignoriert.

Stattdessen legt der Bericht dar, dass Riad durch islamische „Wohltätigkeitsorganisationen“ terroristische Organisationen wie Al-Kaida jahrelang mitfinanzierte. Dementsprechend schreiben die Autoren: „Eine Vielzahl von FBI-Agenten und Mitarbeitern der CIA haben sich in Zeugenaussagen und Gesprächen mit der Untersuchungskommission über fehlende Kooperationsbereitschaft der Saudis bei den Terrorismusermittlungen sowohl vor als auch nach den Anschlägen vom 11. September beschwert.“ Diesbezüglich verweist das Dokument auf ein Memo des CIA-Direktors aus dem Jahr 1996, demnach „die Saudis keine Hintergrundinformationen oder anderweitige Hilfe über Bin Laden mehr liefern, weil Bin Laden ‚zu viele Informationen über die Beziehungen saudischer Offizieller mit islamischen Extremisten aus den 1980ern habe, um ihn Riad der USA ausliefern zu lassen‘.“

Unterm Strich liefern die veröffentlichten Seiten keine neuen Erkenntnisse, keinen rauchenden Colt. Im Jahr 2002 hingegen hätten die hier enthaltenen Informationen Bushs Mär von der irakischen Beteiligung an 9/11 einen dicken Strich durch die Rechnung machen können – Medieninteresse vorausgesetzt. So betrachtet, stellt die Herausgabe heute keine Gefahr mehr dar. Das Langzeitgedächtnis der meisten Amerikaner ist faul. Warum hat Obama die Seiten gerade jetzt freigegeben? Der öffentliche Druck wuchs und seiner potentiellen Nachfolgerin Hillary Clinton hat er somit eine schwierige Situation erspart. Das Weiße Haus und die saudische Botschaft in Washington haben den Inhalt der 28 Seiten erwartungsgemäß als eindeutige Entlastung Riads bewertet – wohl in der Erwartung, den Fall zu den Akten legen zu können. Clinton wäre das schwieriger gefallen. Was ihre persönlichen Verstrickungen mit den Saudis angeht, kann sie es mit den Bushs locker aufnehmen.

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