Hintergründe

Das Spinnennetz: Die US-Stützpunkte auf der Welt

Das Spinnennetz: Die US-Stützpunkte auf der Welt
In 130 von 193 Staaten gibt es US-Stützpunkte.

Die USA haben die ganze Welt mit ihren Militärbasen überzogen: Zwei Drittel aller Länder müssen US-Soldaten ertragen und verköstigen. In Deutschland sind die meisten stationiert – kräftig subventioniert mit unseren Steuergeldern.

von Norman Hanert

«Russland und China rüsten auf» – Schlagzeilen wie diese erschienen fast wortgleich Mitte April letzten Jahres in FocusZeitSpiegel und bei n-tv. Im Zuge der Ukraine-Krise wurde auf diese Weise die Forderung untermalt, der Westen müsse mehr für seine Verteidigung ausgeben. Schaut man auf die Details, wird schnell klar, dass hier eine regelrechte Irreführung und Panikmache betrieben wird. Zwar geben Russland und China tatsächlich inzwischen mehr für ihre Verteidigung aus, nur reichen die Anstrengungen nicht im Entferntesten aus, um der waffenstarrenden Supermacht USA Paroli bieten zu können.

Wie aus den jüngsten Daten des Friedensforschungsinstituts SIPRI (Stockholm International Peace Research Institute) hervorgeht, wurden im Jahr 2013 weltweit 1.744 Milliarden für Rüstung ausgegeben. Auf die USA entfielen dabei allein 640 Milliarden Dollar oder 37 Prozent. Das Pentagon gab nicht nur sechsmal so viel für Waffen aus wie Russland (88 Milliarden Dollar) oder mehr als dreimal so viel wie China (188 Milliarden Dollar). Die Rüstungskosten der USA waren sogar so hoch wie der Rest der Top Ten (siehe Seite 44). Ein Augenöffner ist ebenso der Vergleich der Ausgaben pro Kopf. Weltweit lag der Durchschnitt bei rund 300 Dollar, die USA gaben pro Kopf über 1.800 Dollar aus. Noch offensichtlicher wird die haushohe Überlegenheit, wenn man die Rüstungsanstrengungen den unterschiedlichen Machtblöcken zuordnet.

So gaben alle NATO-Staaten im Jahr 2013 über 900 Milliarden US-Dollar für Verteidigungszwecke aus. Auch außerhalb der NATO rüsten wichtige Verbündete der USA auf: Südkorea ist inzwischen in die Liga der Top Ten der Länder mit dem größten Verteidigungshaushalt aufgerückt. Im Nahen Osten haben Washingtons Alliierte Saudi-Arabien und Oman ihre Militärbudgets in den letzten drei Jahren um mehr als 30 Prozent erhöht.

Obama trickst mit Statistik

Inzwischen haben die Mainstream-Medien neues Futter zur Panikmache erhalten: Russland will sein jährliches Rüstungsbudget bis 2016 um satte 44 Prozent auf 196 Milliarden Dollar steigern, auch China wendet zunehmend mehr für seine Verteidigung auf. Laut Beschluss des US-Senats soll der nächste amerikanische Wehretat dagegen auf nominell «nur noch» 577 Milliarden Dollar absinken. Mit Blick darauf, dass der gesamte US-Haushalt nur 1,1 Billionen Dollar betragen soll, wird allerdings deutlich, welche Belastung die hochgerüstete Kriegsmaschinerie mittlerweile für die US-Gesellschaft darstellt.

Wie Nobelpreisträger Joseph E. Stiglitz in seinem Buch The Three Trillion Dollar War. The True Cost of the War in Iraq vorgerechnet hat, tauchen Kriegskosten nämlich auch im Haushaltsposten der öffentlichen Rentenversicherung, des Arbeitsministeriums und im Etat des Ministeriums für Wohnungsbau und Städteplanung auf. Skepsis ist bei den offiziellen Zahlen noch aus einem anderen Grund angebracht: Kosten für das US-Militär sind ebenso im Etat für die National Nuclear Security Administration des Energieministeriums versteckt, das für den Bau der Nuklearwaffen zuständig ist. Nimmt man die hohen Milliardenbeträge für die 17 US-Geheimdienste, für das Department of Homeland Security, Hilfen für lokale Polizeibehörden oder die Forschung an Bio-Waffen über das Gesundheitsbudget hinzu, wird man unwillkürlich an die Schlussphase der Sowjetunion erinnert, als die Verteidigungskosten auch einen untragbar hohen Anteil an den Staatsausgaben erreichten.

Deutschland zahlt

Um die eigenen Rüstungskosten zu drücken, bitten die USA die Bündnispartner zur Kasse. Dies dürfte ein entscheidender Grund für die Eile beim Transatlantischen Freihandels- und Investitionsschutzabkommen (TTIP) sein, aber auch der eigentliche Antrieb dafür, dass Politiker wie Bundespräsident Joachim Gauck inzwischen immer öfter von einer gestiegenen außenpolitischen Verantwortung Deutschlands reden. Schon jetzt werden die Bundesbürger zum Erhalt des Imperiums USA weit stärker in die Zahlungspflicht genommen, als dies hierzulande vielen bewusst ist.

Von den 716 größeren US-Liegenschaften jenseits der US-Grenzen befinden sich 87 in Südkorea und 123 in Japan – doch 235 in Deutschland. Von den etwa 136.063 dauerhaft in Übersee stationierten US-Soldaten findet sich das größte Kontingent mit 54.120 in der Bundesrepublik. Beliefen sich die deutschen Stationierungskosten für die US-Truppen im Kalten Krieg auf jährlich umgerechnet etwa 1,5 Milliarden Euro, so sanken sie im Jahr 2000 auf umgerechnet 900 Millionen und 2003 – so jedenfalls die Angabe damals auf der Website der deutschen Botschaft in Washington – auf 750 Millionen Euro. Im Jahr 2005 gab das Bundesfinanzministerium die «Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte» plötzlich nur noch mit rund 123,3 Millionen Euro an. Diese wundersame Reduzierung könnte damit zusammenhängen, dass der Betrag nur die Kosten des Bundes (und nicht die der Länder und Kommunen) umfasst – und dass zivile Folgekosten ausgeklammert wurden.

So übernehmen die deutschen Steuerzahler die Rechnung, wenn die US-Armee in Deutschland neue Anlagen baut, alte Stützpunkte schließt, Schäden verursacht oder zivile deutsche Angestellte entlässt. Wie die Süddeutsche Zeitung bereits im Jahr 2013 berichtet hat, wird das US-Militär unter anderem über einen kaum beachteten Etatposten des Bundesbauministeriums subventioniert. Unter dem Punkt «Erstattung der den Ländern bei der Erledigung von Bauaufgaben des Bundes entstehenden Kosten» soll die Bundesregierung allein zwischen 2003 und 2013 insgesamt 598 Millionen Euro Subventionen an die Amerikaner abgerechnet haben. Zu den finanzierten Einrichtungen gehört unter anderem die US-Basis in Ramstein, der eine Schlüsselrolle im weltweiten Antiterror-Krieg der USA zukommt.

Tatsächlich sind die Stützpunkte in Deutschland aber nur ein kleiner Teil eines Spinnennetzes an Militärbasen, mit dem die USA mittlerweile die ganze Welt überzogen haben. Summa summarum können die US-Streitkräfte noch auf weitaus mehr Stützpunkte als die offiziell angegebenen 716 zurückgreifen. Zum einen sind nachweislich Militärbasen, etwa in Afghanistan und im Irak, nicht in der offiziellen Zählung aufgetaucht. Zum anderen wurden Nutzungsrechte für eine erhebliche Zahl von Niederlassungen vereinbart, auf denen momentan keine US-Soldaten stationiert sind. Auch zahlreiche Basen von US-Spezialeinheiten und Geheimdiensteinrichtungen fehlen im Base Structure Report, der amtlichen Auflistung des Pentagon. Experten schätzten deshalb die Gesamtzahl der Stützpunkte, auf die die USA jederzeit weltweit zurückgreifen können, auf ungefähr 1000. Fast noch aussagekräftiger ist die Zahl der Länder, in denen die USA Militärbasen unterhalten: Offiziell zählen zu den Vereinten Nationen (UNO) derzeit 193 Staaten – in 130 von ihnen sind US-Militäreinrichtungen. Wichtige Knotenpunkte dieses Spinnennetzes können regelrecht als Kriegsbeute bezeichnet werden. Der Zweite Weltkrieg brachte den USA Stützpunkte in Deutschland, Italien und Japan ein, die bis heute beansprucht werden. Kriegsbeteiligungen unter US-Kommando führten ebenso zu mehr als 15 neuen Militärbasen in Afghanistan, Irak, Kosovo und Qatar.

Noch drastischer wird der Anspruch auf Weltherrschaft an einen Detail deutlich: Ganz selbstverständlich nehmen die USA für sich in Anspruch, auf frem­dem Boden militärische Geheimoperationen durch­führen zu dürfen. Wie durch Recherchen des Journalisten Nick Turse bekannt wurde, waren im Jahr 2013 Special Operations Forces in beinahe 70 Prozent der Länder der Welt im Einsatz (The Special Ops Surge. America’s Secret War in 134 Countries. In: TomDispatch.com). Bezeichnenderweise wurden in den letzten Tagen der Bush-Präsidentschaft «nur» in ungefähr 60 Ländern der Welt Spezialkräfte eingesetzt. Unter dem Friedensnobelpreisträger Barack Obama schwoll dagegen nach Recherchen der Wa­shington Post die Zahl der betroffenen Länder im Jahr 2010 auf 75 an.

Widerstand in Okinawa

In Japan sind rund 50.000 US-Soldaten stationiert – 26.000 davon auf Okinawa. Mitte November wurde mit Takeshi Onaga ein neuer Gouverneur für Okinawa gewählt, der versprochen hat, die Yankee-Basis auf der Insel zu schließen. Mit ihrer enormen Truppenpräsenz werden die Amerikaner auf Okinawa schon seit Langem mehr als Besatzer denn als Sicherheitsfaktor und Partner betrachtet. Als im Jahr 1996 drei auf Okinawa stationierte US-Soldaten ein zwölfjähriges japanisches Mädchen entführten und vergewaltigten, schlug die schon lange schwelende Ablehnung in offenen Hass um. Kriminalität rund um die US-Basen, Umweltverschmutzung und Lärmbelästigung durch den Flugverkehr haben dazu geführt, dass der Widerstand gegen die Stationierung der US-Truppen auf Okinawa den Charakter einer Massenbewegung bekommen hat.

Im Fiskaljahr 2013 waren die Special Forces nach Angaben des Sprechers des Special Operations Command (Socom), Oberst Tim Nye, bereits in 134 Ländern im Einsatz. Arroganz der Macht bezeugt ebenso der weltweite Drohnenkrieg. Auf Basis einer «Kill-List», die der CIA jeden Dienstag US-Präsident Obama zur erneuten Bestätigung vorlegt, nehmen die USA für sich in Anspruch, jeden «Feind der USA» per Drohnenangriff zu töten – weltweit, ohne Prozess, ohne Urteil.

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