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6 Minuten bis Berlin: Russland verlegt Hyperschall-Raketen

6 Minuten bis Berlin: Russland verlegt Hyperschall-Raketen
Satellitenaufnahmen zeigen die Stationierung von russischen Oreschnik-Hyperschall-Raketen nahe Minsk in Belarus.

Ein Jahr nach der Ankündigung durch Präsident Wladimir Putin hat Russland damit begonnen, atomwaffenfähige Hyperschallraketen vom Typ Oreschnik (SS‑X‑34) in Belarus zu stationieren. Die Flugzeit bis ins Berliner Regierungsviertel würde nur sechs Minuten betragen. Damit reagiert die russische Regierung auf neue US-Raketenstationen in Deutschland.

von Richard Schmitt

Jeffrey Lewis vom Middlebury Institute of International Studies, in Kalifornien, und Decker Eveleth, Forscher bei der CNA Coporation in Virginia, erklärten, sie seien sich „zu 90 Prozent sicher“, dass es sich bei der entdeckten Anlage nahe der Stadt Krytschau um ein neues Stationierungsgebiet für Oreschnik-Hyperschallraketen handelt.

„Die Bauaktivitäten zwischen dem 4. und 12. August zeigen eindeutig die für Raketenstellungen typischen Strukturen – Tarnabdeckungen, Zufahrtswege für mobile Startfahrzeuge und einen gesicherten Bahnanschluss“, zitiert Reuters Jeffrey Lewis.

Ihre Einschätzung deckt sich mit Erkenntnissen westlicher Geheimdienste. Laut einer mit den US-Untersuchungen vertrauten Quelle haben auch Nachrichtendienste ähnliche Hinweise gesammelt. Der Standort in Belarus war bislang geheim; nun scheint klar, dass Moskau dort Raketen platzieren will, die große Teile Europas in nur wenigen Minuten erreichen können.

Reichweite bis 2.000 Kilometer, 6 Minuten Flugzeit bis Berlin

Die Oreschnik SS‑X‑34 gilt als eine der modernsten Hyperschallwaffen Russlands. Sie soll Geschwindigkeiten von über 12.000 km/h erreichen – mehr als die zehnfache Schallgeschwindigkeit – und eine Reichweite von bis zu 2.000 Kilometern besitzen je nach Startbedingung. Damit könnte sie innerhalb von nur fünf bis sechs Minuten Ziele in Mitteleuropa oder Nordeuropa treffen. Nach russischer Darstellung sei sie „praktisch nicht abzufangen“.

Wladimir Putin hatte Ende 2024 erklärt, dass die Stationierung dieser Raketen in Belarus eine „notwendige Maßnahme“ sei, um auf die geplanten US-Raketenstationen in Deutschland zu reagieren. Der belarussische Verteidigungsminister Wiktor Chrenin nannte den Schritt kürzlich „unsere Antwort auf die aggressiven Handlungen des Westens“.

Symbolische Machtprojektion?

Laut Angaben aus Minsk könnten bis zu zehn Oreschnik-Raketen in Belarus stationiert werden. Auf dem aktuell identifizierten Stützpunkt scheint jedoch nur Platz für drei mobile Startrampen zu sein. Experten wie der Genfer Rüstungskontrollexperte Pawel Podwig bezweifeln, dass der Schritt Russland tatsächliche militärische Vorteile bringt: „Das ist in erster Linie ein politisches Signal – ein Versuch Putins, Stärke zu demonstrieren.“

Tatsächlich fällt der Zeitpunkt auf, an dem der New‑START‑Vertrag zwischen den USA und Russland – das letzte verbleibende Abkommen zur Begrenzung strategischer Atomwaffen – kurz vor dem Auslaufen steht. Damit droht erstmals seit dem Kalten Krieg wieder ein Zustand völliger vertraglicher Ungebundenheit in der nuklearen Rüstung.

Lewis und Eveleth betonen, dass die Beobachtungen ihrer Satellitenaufnahmen sowohl auf eine symbolische als auch auf eine operative Vorbereitung hinweisen könnten. Die Bauarbeiten, sagen sie, seien „zu aufwendig für eine bloße Täuschung, aber zu kompakt für eine großflächige Stationierung“.

Oreschnik-Rakete wäre in dreieinhalb Minuten in Warschau

Sollte sich der Verdacht bestätigen, wäre dies das erste Mal seit dem Ende des Kalten Krieges, dass Russland wieder nuklearfähige Waffen außerhalb seines Staatsgebiets stationiert. Für viele westliche Analysten steht fest: Die Präsenz der Oreschnik-Raketen in Belarus soll in erster Linie Abschreckungssignale senden.

Russland ist also bereit, seine modernsten Waffensysteme näher an die Grenzen der Europäischen Union zu verlegen. Und sollte die Oreschnik tatsächlich die angegebenen Leistungsdaten erreichen – 12.300 km/h und 5.500 km Reichweite – dann wäre kein europäisches Ziel weiter als eine Handvoll Minuten entfernt. Berlin und Wien könnte eine Oreschnik-Rakete in sechs Minuten erreichen, Paris in neun Minuten und Warschau in dreieinhalb Minuten.

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