International

Japan baut eigene “CIA” mit Hilfe der USA auf

Japan baut eigene "CIA" mit Hilfe der USA auf
Zum ersten Mal in der Geschichte wird Japan einen großen unabhängigen Geheimdienst aufbauen.

Japanische Geheimdiensttätigkeiten waren in den letzten Jahrzehnten nicht besonders effektiv. Zum ersten Mal in der Geschichte soll das Land einen großen eigenständigen Geheimdienst, quasi eine “japanische CIA”, erhalten. Die USA unterstützen das Vorhaben – für Russland eine neue Bedrohung.

von Jewgeni Krutikow

Die japanische Premierministerin Sanae Takaichi hat den Generalsekretär des Kabinetts, Minoru Kihara, beauftragt, die Frage der Stärkung der nachrichtendienstlichen Fähigkeiten der Regierung zu prüfen. Dies berichtet die Zeitung Yomiuri unter Berufung auf Quellen. Zuvor hatten sich die regierende Liberaldemokratische Partei (LDP) und die Partei Nippon Ishin no Kai (Versammlung zur Erneuerung Japans), die eine Koalition gebildet hatten, darauf geeinigt, die Schaffung eines nationalen Nachrichtendienstes zu prüfen.

Die nachrichtendienstlichen Funktionen in Japan werden derzeit von mehreren Stellen im Kabinettsamt, im Außenministerium, im Verteidigungsministerium, bei der Polizei und im Justizministerium wahrgenommen. Bei Bedarf liefern sie Informationen an das Sekretariat für nationale Sicherheit, das die Arbeit des Nationalen Sicherheitsrates unterstützt. Dabei hat nicht einmal der Nationale Sicherheitsrat eine koordinierende Rolle, jede Stelle arbeitet autonom. Im Grunde geht es um die Schaffung eines japanischen Pendants zur CIA, wo alle wichtigen Geheimdienstkräfte konzentriert werden, mit Ausnahme spezifischer Abteilungen wie der Weltraum- und Elektronikabteilung.

Derzeit ist der japanische Geheimdienst eher eine historische Erinnerung als eine moderne Einrichtung. Und obwohl dies nicht verwunderlich ist, gab es selbst in seiner Blütezeit, also etwa zu Beginn des letzten Jahrhunderts, in Japan keinen integrierten Geheimdienst, sondern die Funktionen einer Geheimdienstorganisation wurden von administrativ schwachen staatlichen Strukturen wahrgenommen.

Einige Experten sind versucht, diese seltsame historische Tendenz mit dem “Geist der Samurai” in Verbindung zu bringen, der angeblich kein unehrliches Spiel zuließ, während Geheimdienstarbeit immer ethisch fragwürdig ist. Aber auch im alten Japan gab es spezielle Strukturen, die für Geheimdienstaktivitäten zuständig waren. Und der Samurai-Kodex steht in keinem Widerspruch zur Spionage, da auch diese eine Form des Dienstes darstellt – und das ist die Hauptaufgabe eines Samurai. Auch die US-amerikanische Besatzung hatte keinen Einfluss auf die Geschichte der japanischen Spionage, außer dass sie die bestehenden nationalen Strukturen an die CIA band. Unter den heutigen Bedingungen kann man all dies kaum als Traditionen bezeichnen, die es wert sind, aufrechterhalten oder kreativ neu interpretiert zu werden.

Auch heute noch erhält das sogenannte Forschungsbüro der Kanzlei des Premierministers (Naite) seine Informationen hauptsächlich von den US-Amerikanern und den japanischen Botschaften im Ausland. Dieselbe Struktur ist auch für die Gruppe der Aufklärungssatelliten zuständig. Dieses gesamte System wird laut einer Reihe von Quellen von einer unterirdischen Stadt unter dem Büro des Premierministers in Tokio gesteuert, da dieses Büro persönlich für den Premierminister arbeitet, obwohl das offiziell nie bestätigt wurde.

Bestimmte Mitarbeiter japanischer Botschaften im Ausland befassen sich nicht mit Spionage, sondern eher mit Analysen. Ihre Hauptmethode besteht darin, vertrauensvolle Beziehungen zu bekannten Politikwissenschaftlern, Journalisten und anderen bedeutenden Persönlichkeiten des Gastlandes aufzubauen.

Auf der Grundlage von Gesprächen mit ihnen bei Sushi und Sashimi werden Analyseberichte erstellt. Dabei ist nicht immer klar, inwiefern sich diese Tätigkeit wesentlich von der üblichen Arbeit einer Botschaft unterscheidet. Es werden keine spezifischen Methoden und technischen Mittel eingesetzt, und es werden keine kritischen und geheimen Informationen beschafft.

Bemerkenswert ist, dass Naite keinen großen Anspruch auf den hohen Titel “Geheimdienst” erhebt. Formal werden die Funktionen des politischen Geheimdienstes von der Analyseabteilung des japanischen Außenministeriums wahrgenommen. Aber auch deren Arbeit dupliziert lediglich die Funktionen von Naite, und manchmal arbeiten dort einfach dieselben Leute. Im Grunde handelt es sich hierbei nur um ein Beispiel für die bürokratische Doppelung administrativer Funktionen. Der einzige Unterschied besteht darin, dass die Analyseabteilung des Außenministeriums über keine eigenen Positionen außerhalb des Landes verfügt und sich auf die Verarbeitung von Informationen spezialisiert hat.

Einzelne Versuche von Mitarbeitern dieser Strukturen, die in der Regel diplomatische Immunität genießen, etwas Ähnliches wie einen Geheimdienst zu organisieren, enden aufgrund ihrer Unprofessionalität in der Regel kläglich. In Japan gibt es keine spezialisierten Geheimdienstschulen oder andere Bildungseinrichtungen dieser Art. Das Maximum, was verfügbar ist, sind “Fortbildungskurse” in den USA, wobei die US-Amerikaner historisch gesehen nicht sonderlich daran interessiert sind, japanische Geheimdienstmitarbeiter umfassend auszubilden.

Insgesamt hat Japans Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten im Bereich der Nachrichtendienste inzwischen einen kritischen Punkt erreicht. Und das, obwohl Japans Geheimdiensttätigkeiten nicht Teil der wichtigsten westlichen Nachrichtendienste wie der “Fünf Augen” (Five Eyes) ist und daher in Bezug auf Informationen nur spärlich versorgt wird.

Es gibt darüber hinaus noch einen Nachrichtendienst der japanischen Armee. Auch dieser beschäftigt sich hauptsächlich mit der Analyse öffentlich zugänglicher Informationen und beschränkt sich lieber auf rein militärische Themen. Bislang gab es in diesem Bereich noch keine nennenswerten Durchbrüche. Und es gibt wiederum Grund zu der Annahme, dass die Aktivitäten des japanischen Militärgeheimdienstes unter strenger Kontrolle der im Land stationierten US-amerikanischen Kollegen stehen.

Die Funktionen der Spionageabwehr werden von der Auslandsabteilung der Polizeibehörde von Tokio wahrgenommen. Manchmal kann auch die Ermittlungsabteilung des Justizministeriums in diese Arbeit einbezogen werden, obwohl sie sich hauptsächlich mit der Bekämpfung des internen Extremismus wie religiösen Sekten und verschiedenen Trotzkisten und Maoisten beschäftigt.

Historisch gesehen wurde die Schwäche der japanischen Geheimdienste durch private Organisationen oder sogar einfach durch Initiativen von Privatpersonen ausgeglichen, die sich manchmal als Einsatzgruppen für bestimmte Operationen zusammenschlossen. Genau dieses Vorgehen wurde zum Markenzeichen des japanischen Nachrichtenwesens.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es sogar zu einer Situation, in der Japan für einen langen Zeitraum das Interesse an politischer Aufklärung verlor. Zusammenschlüsse japanischer Konzerne (Zaibatsu) begannen, eigenständig eigene Aufklärungsoperationen durchzuführen, die jedoch fast nie über den Rahmen der Industriespionage hinausgingen. Für die politische Aufklärung hingegen ist eine separate Ebene von Mitarbeitern und Agenten erforderlich, deren Ausbildung und Vorbereitung mit kommerziellen Aktivitäten nicht vereinbar ist. Sicherlich wird es für die neue japanische Geheimdienstbehörde zunächst äußerst schwierig sein, von wirtschaftlichen und technologischen Aufgaben auf rein politische oder militärische Aufgaben umzuschwenken.

Früher war diese Uneinheitlichkeit in der Geheimdiensttätigkeit für alle in Tokio akzeptabel. Jetzt wird die Initiative zur Schaffung eines integrierten und auf anderen Prinzipien basierenden Geheimdienstes der neuen Premierministerin Sanae Takaichi zugeschrieben, die einen Kurs zur Wiederbelebung eines vollwertigen Militärgeheimdienstes und einer ebensolchen Armee eingeschlagen hat. Der Wunsch, eine “japanische CIA” zu schaffen, geht nicht über die Nachkriegsvereinbarungen mit den USA hinaus, da man immer sagen kann, dass “dies für die Verteidigung notwendig ist, da Geheimdienstarbeit keine offensive Waffe ist.” Schließlich sind da China und Nordkorea, zu denen sich die Beziehungen Japans zunehmend verschlechtern.

Es ist fast sicher, dass in der Anfangsphase die US-Amerikaner eine entscheidende Rolle bei der Schaffung einer einheitlichen Geheimdienstbehörde spielen werden, die vermutlich den Namen National Intelligence Agency (NIA, der genaue Name steht noch nicht fest) tragen wird.

Der Vorsitzende des Politischen Rates der regierenden Liberaldemokratischen Partei, Takayuki Kobayashi, wies in einer Sonderrede über die Pläne zur Schaffung einer neuen Geheimdienstbehörde nachdrücklich darauf hin, dass Japan im Vergleich zu anderen Industrieländern über schwache Geheimdienstkapazitäten verfügt. Das heißt, diese Erkenntnis ist vorhanden. Aber der Aufbau einer neuen Geheimdienststruktur praktisch von Grund auf (es wäre unproduktiv, die vorhandenen Strukturen als Grundlage zu nehmen) wird objektiv gesehen Zeit brauchen.

Kobayashi (der offenbar auch den Stab für die Geheimdienststrategie leiten wird) schlägt vor, bei der nächsten Parlamentssitzung im Jahr 2026 ein Gesetz zur Gründung einer nationalen Geheimdienstbehörde zu verabschieden. Über die Gründung der NIA kann jedoch erst gegen Ende des Geschäftsjahres 2027 gesprochen werden. Gleichzeitig will die japanische Regierung bereits bis Januar 2026 Vorschläge für die Bildung eines Geheimdienst-Kommandozentrums ausarbeiten.

Der Prozess ist in Gang gesetzt. Und dieses Tempo kann man als geradezu olympisch bezeichnen, da historisch gesehen große integrierte politische Geheimdienststrukturen erst zehn Jahre nach ihrer Gründung ihre Spitzenleistung erreichen.

Parallel dazu soll ein “Zentrum zur Bekämpfung von Spionage” eingerichtet werden. Kobayashi selbst sagt, dass neben der Schaffung eines integrierten Geheimdienstes in Japan auch ein eigenes Pendant zum Gesetz über ausländische Agenten in Kraft treten wird.

Die Maßnahmen der neuen japanischen Regierung zur Schaffung einer einheitlichen Geheimdienstbehörde verdienen sorgfältige Beobachtung. Es bleibt Zeit, sich darauf vorzubereiten, dass in einigen Jahren die Aktivitäten des japanischen Geheimdienstes, wie auch immer er heißen mag, zunehmen werden, auch gegen Russland.

Eine weitere Frage ist, welche Ziele und Aufgaben dieser neuen Struktur gestellt werden. Es ist von grundlegender Bedeutung zu beurteilen, ob die NIA bei der Festlegung ihrer Prioritäten unabhängig sein wird, oder ob die Hauptrichtungen ihrer Tätigkeit von der Regierungskoalition vorgegeben werden. Dies ist ein wichtiger Punkt, da in der hierarchischen Unterordnungssystematik Japans die politischen Interessen mit ziemlicher Sicherheit dominieren werden, was den Tätigkeitsbereich der NIA etwas einschränken dürfte.

Auf jeden Fall entsteht an den Grenzen der Russischen Föderation in raschem Tempo eine neue große Geheimdienstgemeinschaft, die eine neue Herausforderung für die russischen Spionageabwehrstrukturen darstellen wird. Umso interessanter wird es sein zu sehen, inwieweit die neuen japanischen Methoden und Geheimdienstprioritäten einen eigenständigen Charakter haben werden und nicht die schlimmsten Stereotypen der CIA aus der Zeit vor Donald  Trump kopieren. Wichtig ist auch, dass die neue japanische Struktur mit ziemlicher Sicherheit einen rein nationalen Charakter haben wird und nicht die bereits bestehenden transnationalen und globalistischen Geheimdienstverbünde im Rahmen des angelsächsischen Systems, wie beispielsweise die “Fünf Augen”, ergänzen wird.

Mehr lesen über

🆘 Unserer Redaktion fehlen noch 64.000 Euro!

Um auch 2025 kostendeckend arbeiten zu können, fehlen uns aktuell noch 64.000 von 125.000 Euro. In einer normalen Woche besuchen im Schnitt rund 250.000 Menschen unsere Internetseite. Würde nur ein kleiner Teil von ihnen einmalig ein paar Euro spenden, hätten wir unser Ziel innerhalb kürzester Zeit erreicht. Wir bitten Sie deshalb um Spenden in einer für Sie tragbaren Höhe. Nicht als Anerkennung für erbrachte Leistungen. Ihre Spende ist eine Investition in die Zukunft. Zeigen Sie Ihre Wertschätzung für unsere Arbeit und unterstützen Sie ehrlichen Qualitätsjournalismus jetzt mit einem Betrag Ihrer Wahl – einmalig oder regelmäßig:

🤍 Jetzt Spenden

Das könnte Sie interessieren!👌😊

Teilen via