Ende August wurde in der Ukraine Andrej Parubij auf offener Straße liquidiert. Er gilt als Schlüsselfigur des von EU und USA organisierten Maidan-Putsches im Jahr 2014. Der Mord wirft viele Fragen auf und wurde im Westen schnell unter den Teppich gekehrt. Ein Grund, etwas genauer hinzuschauen.
von Kit Klarenberg
Am 30. August wurde Andrej Parubij am helllichten Tag im ukrainischen Lwiw erschossen. Als Schlüsselfigur des vom Ausland angefachten Maidan-Putsches und viele Jahre lang ein prominenter und einflussreicher Politiker, wurde er von einer Vielzahl britischer, europäischer und US-amerikanischer Offizieller betrauert. Der Mörder von Parubij wurde innerhalb von drei Tagen verhaftet und legte ein Geständnis ab. Gänzlich ohne Reue zu zeigen, behauptete der Attentäter, seine Tat sei eine „Rache am Staat“ gewesen, nachdem sein Sohn im Jahr 2023 an der Kriegsfront von Bachmut als vermisst gemeldet worden ist und vermutlich tot ist.
Doch es steckt fast mit Sicherheit mehr hinter dieser Geschichte, als auf den ersten Blick ersichtlich ist. Unmittelbar nach der Ermordung von Parubij tauchten Behauptungen auf, dass er Monate zuvor offiziell Personenschutz durch den Geheimdienst der Ukraine (SBU) beantragt habe, der seinen Antrag jedoch abgewiesen habe. Dies führte zu einiger Empörung und zwang die ukrainischen Geheimdienste zu einer Stellungnahme, in der erklärt wurde, warum die Forderung von Parubij abgelehnt worden sei. Kurioserweise wurde anschließend eine Pressekonferenz einberufen, auf der die örtlichen Strafverfolgungsbehörden und der SBU bestritten, dass er jemals irgendeine staatliche Stelle um Schutz gebeten habe.
Wie auch immer die Wahrheit aussieht, Parubij nahm eine enorme Zahl sensibler Geheimnisse mit ins Grab, an denen viele Individuen und Institutionen erhebliches Interesse hatten. Als langjähriger, ausgesprochener Ultranationalist, gründete er 1991 die offen neonazistische Sozial-Nationale Partei – später umbenannt in Swoboda (Freiheit) – und leitete von 1998 bis 2004 deren paramilitärischen Flügel „Patriot der Ukraine“. Diese Einheit, wie auch ihre Mutterpartei, propagierte aggressiv aufständische Gewalt und predigte einen virulenten, genozidalen Hass auf Russland und die Russen.
Parubij war eine Schlüsselfigur bei der von den USA inszenierten Orangenen Revolution in der Ukraine im Jahr 2004. Seine Rolle beim Maidan-Putsch und all dem, was darauf folgte und schließlich die Ukraine kopfüber in den Krieg mit Moskau stürzte, war erheblich größer. Nachdem im November 2013 die ersten Proteste ausbrachen, gründete Parubij die „Selbstverteidigungskräfte des Maidan“. Diese hatten angeblich die Aufgabe, „friedliche“ Demonstranten vor Polizeigewalt zu schützen, agierten jedoch in enger Koordination mit den faschistischen paramilitärischen Gruppen vom Rechten Sektor. Letztere verübten routinemäßig aufrührerische, gewaltsame Akte, um Reaktionen der Strafverfolgung zu provozieren.
Die Proteste endeten damit, dass der gewählte Präsident Viktor Janukowitsch am 22. Februar 2014 aus der Ukraine fliehen musste. Das folgte auf das Massaker durch Scharfschützen an Demonstranten auf dem Maidan in Kiew. Dafür verantwortlich gemacht wurden Regierungskräfte, laut Behauptungen mit russischer Hilfe, was eine Lawine internationaler Verurteilungen auslöste sowie Drohungen der Selbstverteidigungskräfte unter Parubij, den Präsidentensitz zu stürmen und ihn gewaltsam zu entmachten, sollte er nicht zurücktreten. Die Regierung von Janukowitsch wurde durch eine von Faschisten durchsetzte und nicht gewählte Regierung ausgetauscht, die vom US-Außenministerium und deren Beauftragten für die Ukraine, Victoria Nuland, handverlesen ausgesucht wurde.
Parubij wurde zum Vorsitzenden des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates ernannt und überwachte die Einleitung und Durchführung der ukrainischen „Anti Terror-Operation“, der brutalen Unterdrückung der russischsprachigen Bevölkerung im Osten und Süden des Landes. Außerdem leitete er Schritte ein, um Kiew im Vorgriff auf eine formale Mitgliedschaft in die Verteidigungs- und Sicherheitsstrukturen der NATO zu integrieren. Während Parubij zunächst seinen Posten auch unter dem gewählten, rechtsgerichteten Präsidenten Petro Poroschenko behielt, trat er im August 2014 nach den Minsker Vereinbarungen zurück, da er der Überzeugung war, dass der Konflikt nur durch „Gewalt“ gelöst werden könne.
Die Kriegslüsternheit von Parubij steigerte sich erheblich, als der Stellvertreterkrieg der NATO in der Ukraine im Februar 2022 ausbrach. In den ersten Tagen des Konflikts argumentierte er vehement gegen Verhandlungen mit Moskau und forderte stattdessen, Kiew müsse „das Russische Imperium zerstören“. Unterdessen blieb das Maidan-Massaker offiziell unaufgeklärt. Dieser Makel war so auffällig, dass selbst unter ukrainischen Ermittlern der Verdacht aufkam, die offiziellen Untersuchungen seien absichtlich sabotiert worden. Sicherlich gab es viele mächtige Akteure im Land, die ein Interesse daran hatten, die Wahrheit zu verschleiern – an vorderster Stelle wohl Andrij Parubij.
„Sakrale Opfer“
Im Oktober 2023 fällte ein Kiewer Gericht in einem Prozess, der 2016 begonnen hatte, schließlich ein Urteil zum Maidan-Massaker. Von fünf Polizisten, die der Beteiligung an der Gräueltat beschuldigt waren, wurde einer vollständig freigesprochen, ein weiterer wegen angeblichen „Amtsmissbrauchs“zu bereits verbüßter Haft verurteilt, während drei Beamte in Abwesenheit wegen 31-fachen Mordes und 44-fachen Mordversuchs verurteilt wurden. De facto wurde kein ukrainischer Beamter jener Zeit jemals in irgendeiner Weise rechtlich für den Vorfall bestraft. Das Urteil stellte zudem fest, dass es keinen Beweis dafür gebe, dass irgendeine staatliche Stelle den Befehl zum Schießen auf Demonstranten gegeben habe.
Darüber hinaus schloss das Urteil die Beteiligung russischer Elemente an der massenhaften Erschießung endgültig aus, eine von pro-Maidan-Kreisen jahrelang massiv propagierte Verschwörungstheorie, unter anderem auch von Parubij. Noch bedeutsamer war, dass das Gericht bei mindestens 28 der 128 untersuchten Schüsse auf Demonstranten feststellte, dass die „Beteiligung von Polizeibeamten nicht bewiesen“ sei und die Beteiligung „anderer unbekannter Personen“ an den Tötungen „nicht ausgeschlossen werden“ könne. Was eine außergewöhnliche Untertreibung ist.
Das Urteil stellte fest, dass „ausreichende“ Beweise „kategorisch“ darauf hindeuteten, dass viele Schüsse auf Demonstranten vom Hotel Ukraina am Maidan abgegeben wurden, einem „Gebiet, das nicht von den staatlichen Behörden kontrolliert wurde“. Unerwähnt im Urteil blieb, dass das Hotel Ukraina während der Maidan-Unruhen als Hauptquartier von Swoboda diente, deren Anführer – darunter Parubij – das Chaos unten auf den Straßen koordinierten. Viele Swoboda-Aktivisten waren auf der 11. Etage des Hotels stationiert. In dieser Umgebung wurden Scharfschützen von zahlreichen Quellen beobachtet, darunter auch von der BBC.
Allerdings zeigten zahlreiche während des langwierigen Prozesses gehörte Zeugenaussagen, dass das Hotel Ukraina nicht das einzige Gebäude oder Gebiet war, von dem aus Demonstranten beschossen wurden – nachweislich von Maidan-Aktivisten besetzte Orte, nicht von Regierungskräften. Besonders bemerkenswert war die Aussage von Nazar Muchatschow, einem Kommandeur der Maidan-Selbstverteidigungskräfte und Berater von Parubij. Er erhielt Zugang zu Beweismitteln, die von der Regierung im Zusammenhang mit dem Massaker gesammelt worden waren, und führte seine eigene Untersuchung durch.
Die Ergebnisse von Muchatschow Untersuchung des Massenmordes deuten eindeutig darauf hin, dass „dritte Kräfte“ mit Verbindungen zur Maidan-Führung dafür verantwortlich waren, dass von bestimmten Stellungen aus sowohl auf Demonstranten als auch auf Polizisten geschossen wurde – Stellungen, die damals von Oppositionsgruppen besetzt waren. Muchatschow kam zu dem Schluss, Parubij und andere hätten „sakrale Opfer“ benötigt, um die Regierung zu stürzen. Die Darstellung von Muchatschow ist besonders eindringlich und überzeugend, da er selbst Teil der Maidan-Selbstverteidigungskräfte war, den Maidan-Putsch unterstützte und ein überzeugter Ultranationalist blieb.
Unterdessen berichtete Stanislaw Schuliak, während der Maidan-Proteste ein Kommandeur der Bereitschaftspolizei, dass zahlreiche Beamte beobachtet hätten, wie Scharfschützen aus Stellungen feuerten, die vom Maidan kontrolliert wurden. Infolgedessen verhandelten die Sicherheitsdienste mit Vertretern der Maidan-Selbstverteidigungskräfte, um diese Gebiete zu durchkämmen, doch Parubij verweigerte ihre Anfrage. Noch belastender: Zahlreiche Zeugen, darunter Mitglieder des Rechten Sektors, sagten aus, bewaffnete Personen dingfest gemacht zu haben, die dafür bekannt waren oder verdächtigt wurden, während des Massakers auf Demonstranten geschossen zu haben. Nach den Festnahmen wurden diese Personen an die Maidan-Selbstverteidigungskräfte von Parubij übergeben – und anschließend ohne Konsequenzen und ohne weitere Erklärungen wieder freigelassen. Sie wurden nie wieder gesehen.
„Eine Leiche“
Unmittelbar nach dem Tod von Parubij führte das bekannte ukrainische Nachrichtenportal Strana mehrere Interviews mit seinen Mitarbeitern. Interessanterweise machten die meisten den „langen Arm des Kremls“ für seine Ermordung verantwortlich, andere hingegen „schlossen einen innenpolitischen Hintergrund des Mordes nicht aus“. Parubij könnte nämlich aufgrund der „Erwartung künftiger politischer Unruhen im Land“ getötet worden sein. Schließlich, so eine anonyme Quelle gegenüber Strana, „wusste Andrej genau, wie man einen erneuten Maidan organisiert.“
Die Gefahr drohender politischer Unruhen in der Ukraine ist sehr real. Täglich rücken Moskaus Streitkräfte unaufhaltsam in den Donbass vor. Hohe Verluste, Desertationen und die gescheiterte Rekrutierungskampagne führen dazu, dass Kiews Mangel an Soldaten so gravierend ist, dass Frauen – einige von ihnen sogar schwanger – nun an vorderster Front kämpfen. Europa ist darauf geschrumpft, Waffen aus den USA zu kaufen, um seinen bisher gescheiterten Stellvertreter im Krieg gegen Russland auszurüsten, während Donald Trump eine NATO-Mitgliedschaft oder die Rückgabe verlorener Gebiete entschieden ablehnt. Für Kiew ist der Krieg schon seit geraumer Zeit eindeutig vorbei.
Trotzdem bekennt sich Präsident Wladimir Selensky öffentlich zu maximalistischen und völlig unrealistischen Zielen auf dem Schlachtfeld, einschließlich der Rückeroberung der Krim. Er hat gute Gründe, diese absurde Fassade öffentlich aufrechtzuerhalten. Im vergangenen Juli löste der Versuch von Selensky, die von den USA geförderten Organe gegen Korruption unter die direkte Kontrolle seiner Regierung zu stellen, Massenproteste, Rücktrittsforderungen selbst seiner stärksten westlichen Unterstützer und scharfe Kritik von einflussreichen Kräften im Land aus. Zu den lautesten Stimmen gehörte Andrej Bilezkij, Gründer des berüchtigten neonazistischen Asow-Bataillons.
In einem Interview mit der Times vom August kritisierte Bilezkij Präsident Selensky wiederholt und lehnte gleichzeitig jegliche Verhandlungen mit Russland rundweg ab. Er skizzierte eine persönliche „Vision für die Zukunft“ eines ewigen Krieges mit Moskau, in dem die Ukraine zu einer „dauerhaft militarisierten Gesellschaft“ und zu Europas „Armee und Arsenal“ würde. Seine Kommentare wurden nur wenige Tage später in einer fast identischen Lobhudelei desselben Mediums wiederholt, in dem der beliebte YouTuber und ehemalige Leiter der Niederlassung des Rechten Sektors in Odessa, Sergej Sternenko, offen mit dem Tod des ukrainischen Präsidenten drohte:
„Wenn Selensky unbesiegte Gebiete abgeben würde, wäre er politisch und schließlich auch tatsächlich tot. Das wäre eine Bombe unter unserer Souveränität. Die Menschen würden das niemals akzeptieren. Am Ende wird es nur einen Sieger geben, Russland oder die Ukraine. Wenn das russische Imperium in seiner gegenwärtigen Form weiterbesteht, wird es immerzu expandieren wollen. Ein Kompromiss ist daher unmöglich. Der Kampf wird ewig andauern, bis Russland das ukrainische Territorium verlässt.“
Sternenko war maßgeblich am Massaker von Odessa im Mai 2014 beteiligt, bei dem Dutzende Anti-Maidan-Aktivisten getötet und Hunderte weitere verletzt wurden. Eine andere Schlüsselfigur des Rechten Sektors, die in diesen schrecklichen Vorfall verwickelt war, ist Demjan Ganul, der im vergangenen März ermordet wurde. Die faschistische paramilitärische Gruppe bezeichnete das Massaker von Odessa damals als „glänzendes Kapitel unserer nationalen Geschichte“. Im Vorfeld der Ereignisse wurden Andrej Parubij und 500 Mitglieder seiner Maidan-Selbstverteidigungskräfte nach Odessa verlegt, was stark darauf hindeutet, dass die systematische Ermordung ukrainischer Russischsprachiger eine vorsätzliche, absichtliche Tat war.
Nach dem Inferno von Odessa jubelte die prominente Svoboda-Vertreterin Irina Farion, deren Zimmer im Hotel Ukraina während des Maidan-Massakers als Stellung für Scharfschützen diente, über das feurige Gemetzel und erklärte: „Lasst die Teufel in der Hölle schmoren. Bravo!“ Sie selbst wurde im Juli 2024 ermordet, obwohl sie unter intensivem Schutz durch den SBU stand. Es ist schon ein ziemlicher Zufall, dass, während sich die Schlinge um Selensky langsam zuzieht, Personen, die am eindrücklichsten über jene Ereignisse berichten können, die zur Entstehung des Maidan-Regimes geführt haben, wie die Fliegen wegsterben.
🆘 Unserer Redaktion fehlen noch 76.250 Euro!
Um auch 2025 kostendeckend arbeiten zu können, fehlen uns aktuell noch 76.250 von 125.000 Euro. In einer normalen Woche besuchen im Schnitt rund 250.000 Menschen unsere Internetseite. Würde nur ein kleiner Teil von ihnen einmalig ein paar Euro spenden, hätten wir unser Ziel innerhalb kürzester Zeit erreicht. Wir bitten Sie deshalb um Spenden in einer für Sie tragbaren Höhe. Nicht als Anerkennung für erbrachte Leistungen. Ihre Spende ist eine Investition in die Zukunft. Zeigen Sie Ihre Wertschätzung für unsere Arbeit und unterstützen Sie ehrlichen Qualitätsjournalismus jetzt mit einem Betrag Ihrer Wahl – einmalig oder regelmäßig: