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Bundesverfassungsgericht: ARD und ZDF werden Transparenzgebot nicht gerecht

Bundesverfassungsgericht: ARD und ZDF werden Transparenzgebot nicht gerecht

In einem Expertengespräch kritisierten zwei namhafte Juristen fehlende Transparenz aufseiten der öffentlich-rechtlichen Sender gegenüber der Öffentlichkeit. Anders als Anti-GEZ-Initiativen beklagen sie aber eher eine Ökonomisierung denn deren Politisierung.

Im Rahmen eines Expertengesprächs des Mainzer Medien Disputs und der Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm (AG Dok) in Berlin kritisierte der Medienrechtler Dieter Dörr, Deutschlands öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten hätten den Geist des ZDF-Urteils des Bundesverfassungsgerichts nicht in ausreichendem Maße verinnerlicht. Dies berichtet der Pressedienst epd. Vor allem auf Intendantenebene könne von einem Mehr an Transparenz keine Rede sein.

In seinem Urteil von 25. März 2014 (1 BvF 1/11) hatte das Höchstgericht unter anderem entschieden, dass öffentlich-rechtliche Anstalten wie ARD und ZDF die Zusammensetzung ihrer Aufsichtsgremien am Gebot der Vielfaltsicherung auszurichten hätten. Danach seien Personen mit möglichst unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungshorizonten aus allen Bereichen des Gemeinwesens einzubeziehen.

Zudem müsse die Organisation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dem Gebot der Staatsferne genügen. Karlsruhe erteilte dem Gesetzgeber den Auftrag, den Einfluss der staatlichen und staatsnahen Mitglieder in den Aufsichtsgremien konsequent zu begrenzen.

Die Voraussetzung für eine Umsetzung dieses Höchstrichterspruches ist ein entsprechend transparentes Vorgehen in der Informationspolitik. Gerade daran lassen es, so Medienrechtler Dörr, ARD und ZDF nach wie vor fehlen. Transparenz solle “nicht allein den Aufsichtsgremien gegenüber, sondern der Gesellschaft gegenüber” geübt werden, so Dörr, der zudem bemängelte, dass sich die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten selbst als “Unternehmen” oder “Konzern” bezeichneten.

Dörr vertrat in diesem Zusammenhang die Auffassung:

„Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist kein Unternehmen, sondern erfüllt eine öffentliche Aufgabe.“

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk werde, so Dörr, grundsätzlich “mehr als je zuvor” gebraucht, um in einer immer pluralistischer werdenden Gesellschaft “die demokratischen und kulturellen Grundwerte vermitteln” zu können. Allerdings rechtfertige er sich zu wenig mit seinen Stärken und gestehe zu selten eigene Fehler ein.

Der Freiburger Staatsrechtler Friedrich Schoch schloss sich Dörr grundsätzlich hinsichtlich seiner Kritik an fehlender Transparenz aufseiten von ARD und ZDF an und beanstandete, die betreffenden Medienanstalten würden die Rundfunkfreiheit als vermeintlichen Freibrief für die Nichtbeachtung von Transparenzpflichten missverstehen.

Mit ihrer Diagnose einer fehlenden Transparenz innerhalb der öffentlich-rechtlichen Medien befinden sich Dörr und Schoch in der Gesellschaft einer Reihe von Politikern, Personen des öffentlichen Lebens, NGOs und Publikumsinitiativen. Fehlende Transparenz oder zu große Staatsnähe kennzeichne demnach nach wie vor den Zustand von ARD, ZDF und den daran angeschlossenen Rundfunkanstalten.

Zwar gibt es mittlerweile eine Reihe überarbeiteter Landesgesetze, die eine Grundlage für die Entsendung von Vertretern in die Fernsehräte schaffen, die eine breite Auswahl gesellschaftlicher Kräfte abbilden. Diese Gesetze stützen sich auf § 21 des Rundfunkstaatsvertrages.

Zu einer Entpolitisierung scheint dieses System jedoch immer noch nicht beigetragen zu haben. So kam es erst im Juli zu Protesten in Teilen der türkischen Einwanderercommunity, immerhin der größten Einwanderergruppe des Landes, nachdem sich die schwarz-grüne Koalition in Hessen dazu entschieden hatte, als Vertreter des Bereiches “Migranten” einen wortgewaltigen Kritiker der türkischen Regierung zu entsenden.

Insgesamt 60 Sitze umfasst ZDF-Fernsehrat, dessen Aufgaben unter anderem die Erstellung von Richtlinien für die Sendungen des ZDF, die Wahl des Intendanten dessen Beratung in Programmfragen sind. Dass deren Besetzung immer noch durch den Rundfunkstaatsvertrag und ein darauf basierendes Landesgesetz geregelt wird, sichert nach Meinung von Kritikern eher den Einfluss der Politik in dem Gremium als dass sie diesen beschränkt.

Einige halten das Konzept hinter ARD und ZDF für nicht reformierbar. In den letzten Jahren haben deshalb neben Politikern der FDP und der AfD auch mehrere Initiativen die Auffassung vertreten, das Konzept des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sei als solches gescheitert und als Konsequenz daraus müsse insbesondere die Abschaffung des GEZ-Gebührenpflichtsystems erwogen werden.

Dies geht in der Konsequenz jedoch in eine völlig andere Richtung als der Ansatz, den Dörr und Schoch gewählt haben. Diese lassen die Frage der politischen Einflussnahme entsprechend auch außen vor. Sie verlagern ihre Kritik eher auf die Ebene des Wettbewerbs und der Kostenwahrheit rund um den Beschaffungs- und Programmaufwand.

Sie beanstanden vor allem die von ihnen wahrgenommenen Bestrebungen von ARD und ZDF, sich über den Erwerb an Sportrechten eine gleichsame Monopolstellung zu verschaffen. Einer Studie der Otto-Brenner-Stiftung zufolge hätten diese beim ZDF im Jahr 2014 – einem Jahr mit Olympischen Spielen und der Fußball-WM – etwa 30 Prozent der Kosten, aber nur sechs bis sieben Prozent der Sendefläche ausgemacht. Zugleich hätten sich die Aufwendungen für Kultur und Wissenschaft nach unten entwickelt. Im Bereich Politik/Gesellschaft hätten sich Kosten und Sendefläche hingegen nahezu die Waage gehalten.

Ob das weit verbreitete Missbehagen in weiten Teilen der Bevölkerung tatsächlich primär mit einem zu hohen finanziellen Aufwand von ARD und ZDF für Sportveranstaltungen zu tun hat, erscheint indes fraglich. Gerade im Bereich des Fußballs oder sportlicher Großevents sind die Einschaltquoten hoch. Allerdings störten sich gerade 2014 nicht wenige Zuschauer eher daran, dass die Staatsnähe sich gerade im Bereich der Sportberichterstattung besonders eklatant bemerkbar gemacht hätte. So glich die Olympia-Berichterstattung aus Sotschi nach Meinung nicht weniger Zuschauer über weite Strecken eher einem politischen Agitationsformat als einer Information über das eigentliche sportliche Geschehen.

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