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Der Spiegel – Kampagnenjournalismus statt seriöser Berichterstattung

Der Spiegel – Kampagnenjournalismus statt seriöser Berichterstattung

Spiegel-online hat von schier Unglaublichem gehört. Russische Hacker attackieren WDR-Journalisten. Investigativ wie die Jungs und Mädels vom Spiegel nun mal sind, haben sie sich sogleich hinter die Story geklemmt. Immerhin drei Spitzenkräfte wurden abgestellt, um zu recherchieren: Matthias Gebauer, seit Oktober 2008 Chefreporter von Spiegel-online, begonnen hat er seine Laufbahn als Polizeireporter bei der Bild, was einiges erklärt, Marcel Rosenbach und Jörg Schindler sind als investigative Journalisten offiziel anerkannt und als solche 2014 ausgezeichnet worden mit dem nach dem Stern-Herausgeber und Mitglied der Propagandaeinheit SS-Standarte Kurt Eggers, benannten Henry-Nannen-Preis für die beste investigative Leistung, den 2012 die Bildredakteure Nikolaus Harbusch und Martin Heidemans für das epische Werk: „Wirbel um Privat-Kredit – Hat Wulff das Parlament getäuscht?“ bekamen. Was wiederum die ebenfalls 2012 ausgezeichneten Hans Leyendecker, Klaus Ott und Nicolas Richter dazu veranlasste, aus Protest ihren Preis nicht anzunehmen.

Man sieht, Spiegel-online hat so ziemlich das Beste aufgeboten, was in der Redaktion gerade beschäftigungslos in der Nase bohrte. Entsprechend hochqualitativ ist dann auch der Artikel ausgefallen.

So beginnt das Elaborat mit dem Satz:

“Russische Hacker haben versucht, einen Journalisten des WDR auszuspähen.”

Deutete bis hierher noch, genau wie in der etwas reisserisch formulierten Überschrift, alles auf eiserne Gewissheit, auf ein unumstössliches Faktum hin, so erweckt der Beginn des zweiten Satzes bereits erste Zweifel an der Seriosität der Meldung. Heisst es dort doch:

“Nach SPIEGEL-Informationen …”.

Nun ist das mit den Spiegel-Informationen so eine Sache. Entweder man glaubt, was da geschrieben steht, oder man glaubt es nicht. Beweise für die Behauptung bleibt das Blatt wie immer schuldig.

Dafür wird der Nebel, den die drei preisgekönten Autoren verbreiten, immer dichter:

“Die Mail kam vom gleichen Absender wie bei der versuchten Attacke auf deutsche Parteien, Abgeordnete und mehrere Unternehmen, die ebenfalls im August stattfand, aber erst vergangene Woche bekannt geworden war”,

wobei die Worte “versuchten Attacke auf deutsche Parteien, Abgeordnete und mehrere Unternehmen” als Link gekennzeichnet sind, der uns zu einem weiteren Artikel des Magazins leitet:

Die Spur führt nach Russland“,

behaupten da einfach mal die Autoren Angela Gruber und Matthias Gebauer. Allerdings haben die beiden das nicht selbst herausgefunden, sondern sie beziehen sich, einem seit einiger Zeit immer häufiger angewandtem Grundsatz deutscher Qualitätsjournalisten folgend, auf andere Kollegen. Warum selbst recherchieren, wenn abschreiben so viel müheloser ist?

Bezug nehmen Gruber und Gebauer auf den Rechercheverbund von “Süddeutscher Zeitung”, NDR und WDR:

“Die Mails sahen aus, als kämen sie von der Nato – doch sie sollten die Computer deutscher Politiker ausspähen. Hinter dem Angriff steckt wohl die Gruppe APT 28, ihr werden Verbindungen zum Kreml nachgesagt. Die verdächtigen E-Mails trudelten am 15. und 24. August ein: Deutsche Politiker und Mitarbeiter mehrerer Parteien sind Ziel eines Hackerangriffs geworden. Die E-Mails sollten dazu verleiten, auf einen Link zu klicken, der Spähsoftware auf den Rechnern installiert…”

Allerdings, und das ist wieder sehr bezeichnend für den Zustand des deutschen Qualitätsjournalimus’, auch die geballte manpower von “Süddeutscher Zeitung”, NDR und WDR vermochte nicht auch nur den kleinsten Beweis dafür zu liefern, dass der Hackerangriff aus Russland stammt, geschweige denn vom Kreml initiiert und gesteuert wurde.

Beschuldigt, so Gruber und Gebauer, Politiker und Parteien gehackt zu haben, werde die Gruppe “ATP 28”, auch bekannt unter den Bezeichnungen “Sofacy”, “Fancy Bear”, “Sednit” oder “Strontium”:

“Dafür, dass die Gruppe aus Russland kommt, sprechen Hinweise, die Sicherheitsexperten bei der Analyse von Attacken gefunden haben.”

Sogar wie die Hinweise aussehen, die die Sicherheitsexperten gefunden haben wollen, haben die investigativen Journalisten herausgefunden:

“APT 28 verwendet zum Beispiel Schadsoftware, die auf Rechnern programmiert wurde, die russische Spracheinstellungen haben, sagt Christopher Porter, Analyst bei den IT-Experten von FireEye.”

Wohl wissend wie leicht es ist, einen Rechner auf “russische Spracheinstellung” umzustellen und um sein Renumee als Sicherheitsexperte nicht völlig zu zerstören, fügt der Mann hinzu:

“Eindeutig ist das alles aber nicht, die entsprechenden Hinweise könnten auch bewusst platziert worden sein”,

um im nächsten Satz diese Einschränkung noch einmal zu erweitern:

“Und selbst wenn “APT 28” aus Russland kommt: Beziehungen zum Kreml nachzuweisen, wird deutlich schwerer. Bislang verfolgt “APT 28″ keine finanziellen Interessen mit den Hacks, was Indiz für einen staatlichen Auftrag sein könnte.”

Also auf gut deutsch und ohne das ganze Geschwurbel von “Süddeutscher Zeitung”, NDR, WDR, abgeschrieben von Spiegel-online: Es gibt keinerlei gesicherte Erkenntnis!

Aber wenn man schon nichts weiss, dann will man sich zumindest seine Vermutungen von anderen, die zwar auch nichts wissen, wenigstens bestätigen lassen. So zitieren die beiden Autoren die amerikanische Sicherheitsfirma CrowdStrike, die den Hackerangriff auf den Parteitag der US-amerikanischen Demokratischen Partei untersuchte, mit den Worten:

“APT 28 werde vom russischen Geheimdienst FSB gesteuert”,

um schnellstmöglich von den Manipulationen der Parteiführung im Vorwahlkampf zugunsten Hillary Clintons abzulenken. Und aus der Behörde der Ahnungslosen, dem “Bundesamt für Verfassungsschutz” wird uns das Zitat übermittelt:

“Man sehe bei der Gruppe ‚Anhaltspunkte für eine russische staatliche Steuerung‘”

Nach alldem Zitierten “müsste, hätte, könnte”,ist auch bei unseren drei Investigativ-Journalisten die anfängliche noch in der Überschrift zur Schau gestellte Sicherheit einer immer tiefer ins Ungefähre abgleitenden Argumentation gewichen:

“Die deutschen Sicherheitsbehörden sind sich mittlerweile ziemlich sicher, dass die Kampagne dem russischen Kollektiv “Sofacy” zuzuordnen ist. Dahinter aber steckt vermutlich einer der russischen Geheimdienste, die mit den Mails versuchen, an sensible Daten zu gelangen.”

Anstatt der in der Überschrift gelieferten Tatsachenbehauptung:

“Russische Hacker attackieren WDR-Journalisten”

schleichen sich nun reine Mutmassungen in den Text ein. Da ist jetzt plötzlich von “ziemlich sicher” und “vermutlich” die Rede. Selbst der WDR will

“die Spähattacke nicht bestätigen”.

Dennoch:

“Intern aber vermutet der Sender, dass das Motiv für den Ausforschungsversuch durch die Russen die ausführliche Doping-Berichterstattung des Senders ist.”

Wir haben hier das Kuriosum, dass der WDR über eine “Spähattacke”, die offiziell gar nicht stattgefunden hat, intern Vermutungen anstellt – verrückt.

Da geht es dem WDR anscheinend nicht besser als den deutschen Behörden, denn auch diese stellen Überlegungen an über die Beweggründe der mutmasslichen Urheber der Hackerangriffe, die Russen, ohne überhaupt zu wissen, wer diese Urheber sind:

“Bis heute rätseln die Behörden, was die Russen mit der neuen Attacke bezwecken wollen.”

Da sind ihnen die fixen Spiegel-Jungs und -Mädel um Welten voraus. Gruber und Gebauer haben da so einen Verdacht:

“Eventuell, so wird auch hier gemutmaßt, habe Russland die Deutschen vor dem Wahlkampfbeginn verunsichern wollen. Vielleicht war dieser Hack nicht viel mehr als ein warnender Schuss vor den Bug.”

Aber es ist wie immer: Man weiss es nicht! Was den Spiegel nicht daran hindert, die Erkenntnisse aus der Séance mit der Glaskugel in die Welt hinauszuposaunen.

In einer späteren Sitzung mit der Glaskugel, an der dieses Mal unsere drei Investigativ-Journalisten teilnahmen, kam die Kugel dann zu einer etwas anderen Deutung:

“Denkbar”,

so die Kugel,

“erscheint, dass die Russen noch einmal wahllos abfischen wollten, bevor ihre Software völlig wertlos ist.”

Es ist schier zum Verzweifeln:

“Bisher können die deutschen Behörden nur spekulieren, was der Angriff bezwecken sollte.”

Zumal, was ziemlich eigenartig erscheint: Der russische Geheimdienst, wenn er denn hinter den Hackerangriffen steckt, scheint das Saarland und hier namentlich dessen CDU-Politiker zwar nicht für den Nabel der Welt, aber doch aber für das Zentrum deutscher Politik zu halten:

“Bei der neuen Attacke waren vor allem CDU-Politiker aus dem Saarland im Visier der Hacker, daneben aber bekamen auch andere Parteien – auch jene, die nicht im Bundestag vertreten sind – Mails von dem vermeintlichen Nato-Offiziellen.”

Allerdings scheinen die Russen die AFD, zumindest die des Saarlandes, im Gegensatz zur Aufgeregtheit im deutschen Politikbetrieb, für eine Marginalie zu halten, denn alle Parteien wurden ausspioniert

“interessanterweise nur die AfD nicht.”

Verrückt diese Russen. Oder sollte es vielmehr, und das soll wohl mit diesem Nebensatz indoktriniert werden, der Russe selbst hinter der AFD stecken? Typisch für die Linie des Spiegel: Anstatt sich ernsthaft mit der AFD auseinander zu setzen, mit ihren Schwächen, Fehlern, von denen es ja reichlich gibt, ihrem ans Unerträgliche grenzenden Rechtspopulismus, wird ganz in deren Stil mit Verdächtigungen, Unterstellungen und Andeutungen gearbeitet.

Zum Schluss dieses in jeder Hinsicht bemerkenswertem Stück Qualitätsjournalismus’ möchte Spon seiner beständig abnehmenden Leserschaft aber noch etwas Bleibendes mit auf den Weg geben. Zunächst eine wichtige Hintergrundinformation, ohne die eine riesige Wissenslücke in unseren Hirnen klaffen würde:

“Offiziell will die Allianz (ein gern genutztes Wort für die Nato) Russland zwar nicht für die versuchten Angriffe beschuldigen. Intern aber werden sie bereits als ‘Liebesgrüße aus Moskau’ betitelt”,

um sodann unseren Schatz an Fremdworten zu vergrössern, wohl aber auch aus dem Grund, selbst ein wenig intellektueller zu erscheinen und mit seinem Wissen zu beeindrucken:

“Grundsätzlich hält auch der deutsche Verfassungsschutz eine klare Zuordnung, die sogenannte Attribution genannt, für schwierig.”

Allerdings gerät man gleich darauf wieder in nagende Zweifel über die geistige Potenz der Schreiber. Auch darüber, warum dieser Artikel überhaupt geschrieben worden ist. Lassen uns doch die Verfasser, mit der von hoher philosophischer Intelligenz geprägten Aussage des Präsidenten des deutschen Verfassungsschutzes Hans-Georg Maaßen,sozusagen als Schusswort allein und völlig konsterniert zurück:

“Im Zweifel wird man nie ausschließen können, dass es sich um eine False-Flag-Operation handelt, also dass sich jemand als jemand anderer ausgibt”.

Ein Verdacht greift Platz: Sollte dieses ganze Geschwafel letztlich einzig und allein den Grund haben, die verehrte Leserschaft neugierig zu machen auf einen Artikel zum gleichen Thema im gedruckten Spiegel, Ausgabe 39 von dieser Woche, um so die abstürzenden Auflagenzahlen etwas abzufangen?

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