Wenn in den alternativen Medien, die eigentlich ein Gegengewicht zu den Lügen im Mainstream bilden sollten, Zitate propagandistisch missbraucht werden, ist das fast noch schlimmer als derartiges in der gängigen Lückenpresse genießen zu müssen. Und ganz besonders übel wird das Ganze, wenn es die EU-Gesetzgebung verhindert, dass man Lügen überführt, indem man sie korrekt anhand der Originalquellen widerlegt.
von Andrea Drescher
Bei den Mainstream-Medien weiß man inzwischen, dass man nicht unbedingt mit der Wahrheit konfrontiert wird. Man hat gelernt, zwischen den Zeilen zu lesen bzw. sich weiterführende Informationen aus anderen Quellen zusammenzutragen oder auch das Gegenteil von dem, was man liest, als wahr anzunehmen. Doch bei den Alternativen geht man – immer noch – davon aus, dass zumindest in weiten Teilen die Wahrheit publiziert wird.
Samstagabend wurde mir per Mail einen Artikel von Boris Reitschuster zugeschickt, in dem er berichtete, dass in einem offiziellen russischen Medienportal dazu aufgefordert wird, alle Ukrainer müssten umgebracht werden. Hier ein paar Auszüge aus seinem Text. Unter der Überschrift: „Kein Einziger darf am Leben bleiben“ Ein Mordaufruf – direkt von Russlands Staatsagentur RIA“ – findet man:
„Aber es gibt Momente, in denen ich einfach nicht schweigen kann. Heute ist so einer. Denn der Artikel, den ich heute auf der offiziellen Website der russischen Nachrichtenagentur RIA, entdeckt habe, und der dort am Mittwoch erschienen ist, ließ mir das Blut in den Adern erstarren. Die Schlagzeile: „Es gibt keine andere Variante: Kein Einziger darf in der Ukraine am Leben bleiben.“ Darunter ein mit KI erzeugtes Bild des Sensenmanns, der über ukrainischen Panzern schwebt. Und darunter – kein Satiretext, keine Ironie, kein entlarvender Witz. Sondern ein ideologisches Manifest, das den Satz aus der Überschrift nicht nur wiederholt, sondern mit Argumenten füllt. In diesem Text ist die Rede von ukrainischen Soldaten als „Labormäusen, die erbarmungslos für Versuche getötet werden“. Es ist von der völligen Aussichtslosigkeit der Ukraine die Rede. Und davon, dass die Zeit der Diskussionen vorbei sei – „Wenn Menschen bereit sind, mit Freude für ihre Herren zu sterben, ist das ihr Problem.“
Das war wirklich gruselig, aber kann das wahr sein? Hmm. Ich komme ins Grübeln. Selbst wenn es wahr wäre, selbst wenn es russische Strategie wäre, alle Ukrainer umzubringen, die Russen sind doch nicht so dumm, das schriftlich und offiziell in den Medien zu publizieren? Ich könnte mir vorstellen, dass der „bad cop“ Medwedjew auf seine bekannt provokante Art für Ärger sorgen will und derartigen Unsinn verbreitet. Aber die Mitglieder der russischen Regierung waren – bis jetzt – trotz aller Provokationen durch den Westen enorm sachlich und zurückhaltend.
Nun: Boris Reitschuster spricht fließend russisch, ich leider nicht. Daher kontaktierte ich Freunde in Moskau mit der Bitte, die Inhalte im Original-Artikel von Ria zu verifizieren. Ich bekam innerhalb kurzer Zeit die entsprechende Reaktion darauf. Laut Aussagen eines meiner Kontakte wurde hier recht bösartig mit der Wahrheit umgegangen. Auch wenn der Titel in Richtung Clickbaiting vielleicht etwas ungeschickt gewählt worden war: es war keine Aussage des Artikel, dass Russland alle Ukrainer umbringen wolle. Im Gegenteil.
Die Aussage „Bis zum letzten Ukrainer“ wird seit der Eskalation des Krieges am 24.2.2022 immer wieder verwendet. Die einfache Internet-Suche nach „Bis zum letzten Ukrainer“ liefert zahllose Quellen, darunter Merkur.de , geman-foreign-policy.com, Weltwoche Daily oder die UZ. Und bei Presearch AI (der Suchmaschine meiner Wahl) lese ich:
„Der Ausdruck „bis zum letzten Ukrainer“ wird oft verwendet, um die Idee zu beschreiben, dass ein Konflikt bis zum letzten verfügbaren Menschen fortgeführt wird. Es ist eine sehr kontroverse und emotionale Aussage, die die Tragik und die menschlichen Kosten von Kriegen verdeutlicht.“
Genau in dieser Intention ist der Artikel geschrieben. Doch wie soll man diesen Bericht von Reitschuster.de und zahlreichen anderen in Mainstream-Medien falsifizieren? Ich darf aus juristischen Gründen den Artikel von Ria ja nicht publizieren. In einem anderen in Österreich verbotenen Medium mit zwei Buchstaben wurde das Ganze schon entsprechend widerlegt. Aber: Ich kann dieses Medium zwar noch ungestraft lesen, darf aber auch daraus nicht zitieren, ohne mich juristisch zu gefährden. Ein Dilemma – was tun?
Dann erschien dankbarerweise ein Artikel zu dieser Thematik im Antispiegel. Den darf man ja noch verlinken, ohne mit einer Strafe belegt zu werden, auch wenn der Autor auf der EU-Sanktionsliste steht, sein Vermögen konfiziert wurde und ihm die Einreise nach Europa verweigert wird. Getitelt mit: „Behauptung von Reitschuster&Co. Fordert Russland wirklich die Vernichtung aller Ukrainer?“ schreibt Röper einleitend:
„Die Überschrift des RIA-Artikels „Niemand darf in der Ukraine am Leben bleiben“ wird von deutschen Propagandisten genüsslich zitiert und als Eingeständnis dafür genommen, dass Russland angeblich einen Völkermord in der Ukraine durchführt. Aber was steht wirklich in dem Artikel?“
Dem Text kann man entnehmen, dass die Russen definitiv keine Mordabsichten gegen die Ukrainer hegen, sondern es gerade dem Westen zuschreiben, dass dieser bis zum letzten Ukrainer kämpfen will. Das ist eine Gedanke, der sich jedem aufdrängt, der von den Istanbul-Verhandlungen und dem Beinahe-Friedensvertrag in 2022 gehört sowie von der unsäglichen Rolle des britischen Premiers in dieser Zeit erfahren hat.
Neben einer vollständigen Übersetzung des Ria-Textes, den ich jeden Leser bitte in der Verlinkung zum Antispiegel selbst zu lesen, setzt er sich in seinem Artikel auch kritisch mit dem Vorgehen von Boris Reitschuster auseinander. Dem kann ich mich nur anschließen.
Dass Mainstream-Medien verfälschen und lügen, insbesondere wenn es um antirussische Propaganda geht, ist für mich zur Normalität geworden. Dass Boris Reitschuster seit Jahrzehnten ein scharfer Kreml-Kritiker ist, ist mir auch schon lange bekannt. Ich habe ihn aber während der Corona-Zeit als ehrlichen Journalisten schätzen gelernt. Und genau damit – mit seiner Ehrlichkeit – kokettiert er in seinem Artikel auch.
Aber er kann im Gegensatz zu vielen seiner Leser russisch. Er kann mehr, als nur die Überschrift per deepl übersetzen zu lassen. Er kann den ganzen Artikel lesen. Und besitzt als kritischer Journalist auch die sprachlichen Kompetenzen, die Inhalte zu verstehen.
Es ist erschreckend, wenn seine Russophobie so weit geht, dass man als alternatives Medium so manipuliert.
Mich wundert heutzutage nichts mehr. Aber was mich besonders traurig macht: Ich darf diese Lüge in Österreich nicht mal anhand von Originalquellen widerlegen, ohne eine hohe Strafe zu riskieren. In einer anderen Zeit – während der 1000 Jahre – war es verboten Feindsender zu hören. Wo stehen wir heute? Was sagt das über unsere Meinungs- und Pressefreiheit in Österreich aus? Aber das ist ein anderes Thema und würde zu weit führen.
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