Meinung

Das bunte Gesicht des Neo-Sozialismus

Das bunte Gesicht des Neo-Sozialismus
Kommunistische Irrlichter: Heidi Reichinnek und Jan van Aken

Warum wird das Gespenst des Sozialismus immer wieder aus der historischen Rumpelkammer geholt? Ganz einfach: Weil der Sozialismus, wundersam befreit von allen millionenfachen Verbrechen, die in seinem Namen begangen wurden, immer wieder wie ein ferner Planet der Befreiung erstrahlen darf.

von Reinhard Mohr

Ein Gespenst geht um in Deutschland, ein sagenumwobenes Wesen, das schon fast in Vergessenheit geraten war. Es ist inzwischen ziemlich ramponiert, die weißen Klamotten schlottern ums Skelett, aber es ist einfach nicht totzukriegen: der Sozialismus. Gerne nennt sich das Gespenst auch „demokratischer Sozialismus“, damit er nicht mit dem „real existierenden Sozialismus“ der DDR, dem Stalinismus in der Sowjetunion oder dem mörderischen Steinzeit-Kommunismus in Kambodscha verwechselt werden kann.

Ein besonders dummer Abgeordneter der AfD hat einmal gesagt, er persönlich sei das „freundliche Gesicht des Nationalsozialismus“. An seine Mimik können wir uns nicht mehr erinnern, aber nachdem Heidi Reichinnek, der neue Shooting-Star der Linkspartei, zum „Sturz des Kapitalismus“ aufgerufen hat, wollen wir nicht zögern und die 37-jährige Fachkraft mit dem „Master of Arts“ in der Tasche als freundliches und hübsches, gleichsam buntes Gesicht des Neo-Sozialismus bezeichnen.

„Ja“, rief sie auf dem vergangenen Parteitag den begeisterten Delegierten zu, „wir wollen ein Wirtschaftssystem abschaffen, in dem die Reichen immer reicher werden und die Armen immer ärmer werden.“ Also nix wie weg mit dem Kapitalismus! Selbst der als gemäßigt geltende und sogar von Christdemokraten wie dem Kieler Ministerpräsidenten Daniel Günther geschätzte Bodo Ramelow, ehemals Regierungschef von Thüringen, pflichtete ihr bei: „Wir müssen diese Form der Wirtschaft attackieren, angreifen und letztlich überwinden.“ Vielleicht müsste man unter diesem Aspekt noch einmal einen Blick auf die Wirtschaftsförderung in Thüringen der letzten Jahre werfen.

Das Richtige befördern und das Falsche unterbinden

Lange hat man solch revolutionäre, systemsprengende Töne auf der großen Bühne der Bundespolitik nicht mehr gehört. Viel lieber tobte man sich auf Nebenschauplätzen des Klassenkampfes aus – Wokeness, Queerness und politische Korrektheit. Vom Gendern bis zur Transphobie, vom Z- über das N- bis zum I-Wort – stets ging es darum, das allein Richtige vorzugeben und falsche, unangemessene und diskriminierende Äußerungen zu unterbinden.

Anstößige Straßennamen prominenter historischer Personen wurden ebenso getilgt wie „überholte“, oder gar „rassistische“ und „islamophobe“ Formulierungen in Kinderbüchern, Reiseführern und Gebrauchsanleitungen für den Aufbau von Schrankwänden. Literarisch versierte Sicherheitsbeauftragte, sogenannte Sensitivity Readers, überwachten Theaterinszenierungen und durchforsteten Buchmanuskripte – immer im Dienst einer sauberen, porentief reinen Sprache. Mit der Benennung der Wirklichkeit fängt ja die Politik an. Das wusste schon die 1933 von Joseph Goebbels gegründete Reichsschrifttumskammer.

Doch es scheint, dass dieser postmoderne Kulturkampf um Worte, Bezeichnungen und „Haltungen“ für echte Revolutionäre am Ende auch keine befriedigende Ganztagsbeschäftigung war, zumal sich auch turbokapitalistische Weltkonzerne nahezu mühelos an den woken Zeitgeist anpassten und jede Menge „Diversity-Units“ und Antidiskriminierungsbeauftragte installierten. „Mehrgewichtige“ Plus-Size-Models präsentierten Spitzenunterwäsche für Damen, und „Schneewittchen“ war nicht mehr schneeweiß, sondern karibikbraun. „Fragen Sie Ihre Ärztin, Ihren Arzt oder in Ihrer Apotheke“ – die gegenderten Slogans wurden immer länger, das Geschäft dagegen schrumpfte.

Forschende sind wieder Forscher

Unterdessen hat sich der Wind gedreht: Die Models sind wieder durchgehend dünn, und „Forschende“ heißen immer häufiger wieder einfach nur „Forscher“ so wie „Naturwissenschaftler“ und „Schornsteinfeger“, die zwischendurch schon mal „Schornsteinfegende“ genannt wurden.

Jetzt also soll es bei der Linken wieder ums große Ganze gehen, die gesellschaftliche Hardware: um das System, um Raubtier-Kapitalismus, Sozialismus, radikalen Umsturz und die Utopie einer anderen Welt, in der alle gleich sind. Wie in den guten alten Zeiten, als die Barrikaden noch brannten. Venceremos! Lotta continua! Mit Ché-Guevara-T-Shirt, rotem Halstuch und Palästinenserschal.

Ein Gutes immerhin hat die neue Mode, die der Linkspartei zehntausende neuer Mitglieder beschert hat und Umfragewerte um die zehn Prozent: Die Untergangsphantasien der letzten und vorletzten Generation sind nicht mehr en vogue. Das Festkleben auf Straßen und Plätzen, die symbolische Selbstblockade des reinen Klima-Gewissens, weicht nun einem neuen sozialistischen Fortschrittsglauben, der so unverbraucht und frisch daherkommt wie Heidi Reichinnek, wenn sie auf die Bühne stürmt wie ein Funkenmariechen im Kölner Karneval.

Kann China ein Vorbild sein?

Irritierend jedoch: Warum ausgerechnet Sozialismus? War da nicht mal was? War nicht ausnahmslos jedes sozialistische System, ganz egal, zu welcher Zeit, auf welchem Erdteil und von welcher Partei oder Bewegung es errichtet wurde, gnadenlos gescheitert? Hatte nicht jeder noch so gut gemeinte Versuch eines „anderen Sozialismus“ mit „menschlichem Antlitz“ sein Ende darin gefunden, dass die Wirtschaft kollabierte, die bürgerlichen Freiheiten abgeschafft wurden und die Bevölkerung, so sie konnte, in Massen aus dem Land des versprochenen Paradieses floh wie zuletzt Millionen Menschen aus Venezuela? Oder, wie seit Jahrzehnten, aus Kuba.

Ist etwa das kommunistische China ein Vorbild, das die seltene Kombination aus Staats-Kapitalismus, Partei-Sozialismus, Führerkult und totalitärem Überwachungssaat perfektioniert hat? Oder Nordkorea? Oder das einst gefeierte sandinistische Nicaragua? Oder Zimbabwe in Südafrika, wo ein allmächtiger sozialistischer Führer des „Einheitsstaats“ den anderen beerbt? Was allen sozialistischen Großversuchen a priori das Genick bricht, auch wenn der Zusammenbruch Jahrzehnte dauern kann, ist die Verstaatlichung der Wirtschaft, daneben die Reglementierung immer weiterer Lebensbereiche und die systematische Einschränkung individueller Freiheit. Am Ende herrscht die Diktatur einer Partei oder einer Person, und „gleich“ ist nur die Unterdrückung.

Warum also wird das Gespenst des Sozialismus immer wieder aus der historischen Rumpelkammer geholt? Ganz einfach: Weil die tatsächlich oft furchtbaren Zustände in der Welt, sämtliche Ungerechtigkeiten und alles Elend ausnahmslos und automatisch „dem Kapitalismus“ zugeschlagen werden, während der Sozialismus, wundersam befreit von allen millionenfachen Verbrechen, die in seinem Namen begangen wurden, wie ein ferner Planet der Befreiung von irdischer Mühsal erstrahlt, auf den alle Hoffnungen projiziert werden.

Wenn Schönheit zum Verbrechen wird

Dieses grob unfaire, unlautere und irreführende Verfahren hat der Historiker und Autor Rainer Zitelmann in vielen Büchern als pseudo-experimentelle Schieflage einer schrägen Versuchsanordnung beschrieben: Die Realität des Kapitalismus wird mit der Utopie des Sozialismus verglichen. Äpfel mit Birnen. Die unendlich vielfältige, komplizierte und konfliktreiche Wirklichkeit wird mit der Vorstellung einer allseits gerechten, freien und glücklichen Gesellschaft ohne Reiche und ohne Arme konfrontiert, in der alle gleich sind. Zitelmanns gerade erschienenes Roman-Debüt „Wenn Schönheit zum Verbrechen wird“ dekliniert die Folgen einer radikalsozialistischen Gleichheitspolitik am Parameter Schönheit konsequent durch, denn auch sie ist, wie Reichtum und Intelligenz, sehr ungleich verteilt.

In Zitelmanns Buch gelten außergewöhnlich schöne Frauen anno 2075 als „Privileged Beauty“, deren strukturelle Bevorzugung im Alltags- und Berufsleben im Namen sozialer Gleichheit beseitigt werden muss – erst durch höhere Steuern und allerlei Drangsalierung und Verfolgung, am Ende durch chirurgische Eingriffe, die sie auf das ästhetische Durchschnittsniveau drücken, also hässlicher machen. Es ist eine Dystopie, eine farcenhafte Parabel auf den Totalitarismus Orwellscher Prägung, der mit dem „Movement for Optical Justice“, einer linken Bewegung für optische Gerechtigkeit, beginnt und im faschistischen Überwachungsstaat endet.

Dass im Roman schließlich eine erfolgreiche Gegenbewegung dem Albtraum ein Ende bereitet, ist dem Prinzip des Happy End zu verdanken. In der Realität freilich stellt sich immer wieder die Frage nach der Faszination eines Gesellschaftsmodells, das von vorneherein und historisch tausendfach belegt Freiheit durch Unfreiheit ersetzt.

Bei 50 Prozent beginnt der Sozialismus

Sich mit den bestehenden Verhältnissen nicht umstandslos abfinden zu wollen, ist eine ebenso verständliche wie begrüßenswerte Einstellung, und dass vor allem junge Leute sehr ungeduldig sind, wenn es um vermeintlich radikale Lösungen geht, weiß der Autor aus eigener Erfahrung.

Aber zwei Dinge könnte man doch auch von den allerneuesten Geisterfahrerinnen des Sozialismus erwarten: historische Kenntnisse über die Ereignisse der letzten 150 Jahre, seit das „Kommunistische Manifest“ von Karl Marx und Friedrich Engels erschienen ist – und eine faktenbasierte Wahrnehmung der Gegenwart. An erster Stelle rangiert dabei die Tatsache, dass in Deutschland – wie in vielen Ländern Westeuropas – inzwischen fast fünfzig Prozent des Bruttosozialprodukts über Einnahmen und Ausgaben des Staates abgewickelt werden, was der Hälfte der jährlich erzielten Wirtschaftsleistung entspricht.

„Bei einer Staatsquote von 50 Prozent beginnt der Sozialismus“, hatte einst der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl prophezeit. Dann wäre es ja bald geschafft, ganz ohne Umsturz. Wenn das nur Heidi Reichinnek wüsste.


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