Meinung

Der Angstmacher: Carlo Masala, das MG von Rheinmetall

Der Angstmacher: Carlo Masala, das MG von Rheinmetall
Panik-Professor Carlo Masala schürt gern Angst vor den Russen.

Der selbsternannte Militär-Experte Carlo Masala bedient mit seinem Buch Wenn Russland gewinnt vor allem die aktuelle Kriegshysterie. Logische Fehler stören ihn nicht.

von Kai-Uwe Reiter

Carlo Masala ist der Drosten des Ukrainekrieges. Wie der unvermeidliche Hof-Virologe während der Corona-Inszenierung, so geistert der «Experte für bewaffnete Konflikte» seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine im Februar 2022 als Angstmacher und Antreiber durch Talkshows und Nachrichtensendungen. Seine Mission: Druck machen für mehr Waffen. Einen Tag nach der verpfuschten Wahl von Friedrich Merz zum neuen Kanzler im Bundestag appellierte er: «Wenn es das Ziel der Bundesregierung ist, dass die Ukraine siegen muss und Russland diesen Krieg verlieren muss, dann ist das nur folgerichtig, dass man jetzt auch über die Lieferung des Taurus nachdenkt.»

Masala war nicht einmal bei der Bundeswehr.

Dabei ist der 1968 in Köln Geborene, der seit 2007 Professor an der Bundeswehr-Universität München ist, eigentlich nur Politikwissenschaftler. Er hat noch nicht einmal gedient. Während andere, was in den 1980er und 1990er Jahren noch selbstverständlich war, ihrer Wehrpflicht nachkamen, will Masala «rassistische Ausgrenzung» erfahren haben, wie er der Plattform Jung & Naiv einmal anvertraute. Ansonsten: jede Menge Berater- und Forscherjobs an transatlantischen Denkfabriken wie dem NATO Defense College in Rom – aber vom scharfen Schuss keine Ahnung.

Der Friede als Gefahr

Das muss man wissen, wenn man Masalas jüngst erschienenes 120-Seiten-Buch Wenn Russland gewinnt. Ein Szenario zur Hand nimmt. Es passt zwar hervorragend zur aktuellen Russland-Hysterie, die auch von der neuen Merz-Regierung nahtlos fortgesetzt wird, viel Erhellendes sollte man sich aber von der Lektüre nicht erwarten.

Masala folgt den propagandistischen Marschkompasszahlen, die im März Bundeswehr-Generalinspekteur Carsten Breuer ausgegeben hat. Dieser spekulierte auf der Jahrestagung von Verfassungsschutz und Wirtschaftsallianz darüber, dass Russland ab 2029 die NATO angreifen könnte – warum es das tun sollte, blieb sein Geheimnis. Masala, der sein Szenario schon ein Jahr früher, 2028, ansiedelt, sagt dazu auch nichts Substanzielles und kann keinerlei russische Quellen als Beweis oder auch nur Indiz anführen.

In seiner Extrapolation geht er davon aus, dass die Ukraine schon 2025 einem Friedensschluss zustimmen könnte. Das ist für ihn aber keine erfreuliche Aussicht, sondern eine Horrorvorstellung! Diese, in seinen Augen, De-facto-Kapitulation macht Putin nämlich nur Appetit auf mehr… Denn: Moskau möchte ja das frühere Sowjetimperium wiederherstellen… Also präsentiert Oberschurke Putin der Weltöffentlichkeit schon kurz nach dem Friedensschluss seinen Nachfolger, den alerten Finanzmanager Oleg Obmantschikow – eine Fantasy-Figur Masalas, die nicht existiert – , behält aber hinter den Kulissen alle Macht, vor allem über Armee und Geheimdienste. Der Westen versinkt in den darauffolgenden Jahren wieder in die alte Lethargie, vergisst alle hochfliegenden Rüstungspläne – und vor allem die Schwäche der eigenen Streitkräfte. Man ist froh, mit einem blauen Auge davongekommen zu sein.

Währenddessen setzt Moskau seine finstere Strategie um – und orientiert sich bei der Vorbereitung des nächsten Schlages ausgerechnet an der Rheinland-Besetzung durch das Dritte Reich im Jahr 1936: Als Hitler mit nur 30.000 Soldaten Vabanque spielte und bluffte, zuckte der kriegsunwillige Westen zurück und ließ ihn gewähren – Berlin gewann. Genau so verfährt der Kreml in Masalas Schreckensszenario. Teuflischerweise tritt er zeitgleich die nächste Flüchtlingslawine gegen Westeuropa los, für die russische Schergen (Masala beschreibt sie als «dicklich») im tiefsten Afrika eigens schwarze Statisten zusammenfangen und dann auf unzähligen klapprigen Schiffen über das Mittelmeer schicken. Die NATO ist abgelenkt und zieht dankenswerterweise viele seiner Kriegsschiffe aus der Ostsee ab.

Das Narwa-Szenario

Und dann, am 27. März 2028, ist es so weit: Die Russen erobern Narwa, die alte Grenzfestung des Deutschen Ordens im heutigen Estland, sowie die vorgelagerte unbewohnte Insel Hiiumaa; bei dieser Aktion tarnen sich die Russen gar als Touristen. Gleichzeitig greift China, der andere Schurkenstaat, nach den Philippinen, setzt die NATO unter Druck. Der Kreml steigert Subversion und hybride Attacken weiter: In Deutschland wird der Chef der Rüstungsfirma Ruhreisen mit seinem Hubschrauber abgeschossen, in einer englischen Marinebasis kommt es zu mysteriösen Explosionen, und zu allem Überfluss taucht auch noch ein russisches Atom-U-Boot unerwartet vor der Küste Grönlands auf, um dort auf einer winzigen Insel mit einer russischen Flagge und einer Flasche Wodka (sic!) Verwirrung zu stiften.

Und siehe da, die NATO knickt ein: Die Amerikaner wollen kein nukleares Risiko eingehen, und die Europäer können es nicht. Der Westen begnügt sich mit den üblichen Protestnoten. Russland und China haben freie Hand. Es ist der große Moment Masalas, der jetzt, nach 100 Seiten seines «Szenarios», zur aufrüttelnden Schlussbotschaft an seine Leser ausholt: Niemals dürfe es so weit kommen wie in seiner Schilderung. Die beschriebene Niederlage des Westens sei nur möglich, wenn es der NATO weiterhin an Rüstung, politischem Willen und einer wirksamen Strategie fehle. Vor allem müssten die Europäer künftig in der Lage sein, «Russland ohne Hilfe der USA allein mit ihren eigenen Mitteln abschrecken zu können».

Spätestens hier kann man Masalas schmales Bändchen getrost aus der Hand legen. Seine Fiktion ist nicht mehr als eine wohlfeile Fußnote zur aktuellen Russland-Panik, die von Politik und Medien seit Monaten auf allen Kanälen geschürt wird. Die geplante Sondervermögen-Aufrüstung im Umfang von knapp 1.000 Milliarden Euro, die die neue Merz-Regierung – mithilfe des alten, längst entlassenen Bundestags! – den Deutschen noch vor seinem Amtsantritt aufgenötigt hat, die Diskussion um die Wiedereinführung der Wehrpflicht, Pistorius´ ständiges Gerede von der «Kriegstüchtigkeit» und ein anschwellender Bocksgesang über eigene Atomwaffen – all das braucht ein glaubwürdiges Bedrohungsszenario. Masala, der bereits 2023 mit seinem Buch Bedingt abwehrbereit die bundesdeutsche Mainstream-Diskussion orchestriert hat, liefert es.

Leerstelle logisches Denken

Nur – das «Szenario» ist faktenfreie Propaganda. Die alarmistische These fußt gleich auf mehreren Prämissen, die einer kritischen Überprüfung nicht standhalten.

  • Russlands Armee hat nach über zwei Jahren intensiver Kampfhandlungen in der Ukraine schwere Verluste erlitten. Schätzungen, die sich freilich nicht nachprüfen lassen, gehen von etwa 300.000 Gefallenen oder Invaliden und über 3.000 zerstörten Panzern aus. Dabei beschränkt sich die militärische Kontrolle Russlands auch nach drei Jahren Krieg auf nicht viel mehr als 20 Prozent der ukrainischen Staatsfläche. Noch nicht einmal alle vier neuen Oblaste wurden befreit. Beeindruckend ist letztlich nur die russische Rüstung, die die westliche um ein Vielfaches übertrifft. Aber die Vorstellung, dass Moskau nach diesem Aderlass gleich noch die NATO erfolgreich herausfordert – ein Bündnis mit dreifacher Bevölkerungszahl und siebenfacher Wirtschaftskraft, selbst die Truppenstärke allein der Westeuropäer liegt 50 Prozent über der Russlands –, ist wenig plausibel. Im Kreml sitzen keine Hasardeure.
  • Geopolitisch betrachtet, blendet Masala – wie unter deutschen Kreml-Astrologen üblich – die russische Sicht der Dinge völlig aus. Er kann sich nicht vorstellen, dass sich auch Moskau durch die deutschen Rüstungsanstrengungen und ihre polit-mediale Begleitmusik (Kiesewetter: «Den Krieg nach Russland tragen») bedroht fühlen könnte. Er ignoriert, dass der Krieg in der Ukraine nicht im Februar 2022, sondern mindestens schon mit dem vom Westen unterstützten Maidan-Putsch 2014 begann. Er unterschlägt, dass sich Putin vor dem Einmarsch in die Ukraine händeringend um eine Zusage des Westens bemühte, dass das Land nicht NATO-Mitglied würde. Die damalige Biden-Regierung in Washington hielt es nicht einmal für nötig, ihn einer Antwort zu würdigen. Das alles ist Masala, der es als Politikprofessor eigentlich besser wissen müsste, keine Silbe wert.

Russland besetzt eine winzige Insel und stiftet Verwirrung mit einer Flasche Wodka.

  • Selbst ein flüchtiger Blick in die jüngere Geschichte belehrt darüber, dass die russische Außenpolitik seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion weitgehend defensiv und nicht expansionistisch war. Die Intervention in Georgien 2008, der Krim-Anschluss 2014 und schließlich die «spezielle Militäroperation» in der Ukraine 2022 waren allesamt Reaktionen auf massive Bedrohungen der russophonen Bevölkerung in diesen Gebieten, nicht Ausdruck eines imperialen Eroberungsdrangs. Putin selbst hat bei jeder sich bietenden Gelegenheit betont, keinerlei territoriale Ansprüche an NATO-Staaten zu haben. Und selbst gesetzt den Fall, Russland wolle dem Westen schaden und die NATO demontieren – muss man den russischen Generalstäblern dann ausgerechnet die Eroberung der 37.000 Einwohner-Stadt Narwa und einer unbewohnten estnischen Insel zutrauen, wie es der Nicht-Militär Masala tut? Aus solchen Details seines Szenarios spricht nicht gerade überragende Fachkompetenz. Als ernstzunehmender Krisenratgeber taugt er nicht.

🆘 Unserer Redaktion fehlen noch 93.750 Euro!

Um auch 2025 kostendeckend arbeiten zu können, fehlen uns aktuell noch 93.750 von 125.000 Euro. In einer normalen Woche besuchen im Schnitt rund 250.000 Menschen unsere Internetseite. Würde nur ein kleiner Teil von ihnen einmalig ein paar Euro spenden, hätten wir unser Ziel innerhalb kürzester Zeit erreicht. Wir bitten Sie deshalb um Spenden in einer für Sie tragbaren Höhe. Nicht als Anerkennung für erbrachte Leistungen. Ihre Spende ist eine Investition in die Zukunft. Zeigen Sie Ihre Wertschätzung für unsere Arbeit und unterstützen Sie ehrlichen Qualitätsjournalismus jetzt mit einem Betrag Ihrer Wahl – einmalig oder regelmäßig:

🤍 Jetzt Spenden

Das könnte Sie interessieren!👌😊

Teilen via