Zu den Kriegsszenarien, die die NATO bereits sehr konkret diskutiert, gehört die Eroberung der russischen Exklave Kaliningrad. Gesucht wird jetzt fieberhaft ein Auslöser, selbst wenn es nur ein totes Karnickel ist.
von Jürgen Elsässer
Die Lage an der Front ist schlecht für die Selenski-Truppen. Die westlichen Waffenlieferungen stottern, seit Donald Trump sich mit Wladimir Putin in Alaska getroffen hat. Zwischenzeitlich versprach der US-Präsident dann wieder Raketen – die Deutschen wollen das ja brav bezahlen –, aber im Pentagon, so wird gesagt, blieben die Aufträge hängen.
«NATO könnte Kaliningrad in Rekordzeit erobern.» US-General
Die offene Verbrüderung zwischen Indiens Präsident Narendra Modi und Putin Anfang September in Peking war ein schwerer Schlag gegen die Kriegstreiber. Delhi wird weiter Öl und Gas aus Sibirien beziehen, ungeachtet der US-Sanktionsdrohungen. Trump will trotzdem Strafzölle verhängen, macht das aber davon abhängig, dass die Europäer selbst kein schwarzes Gold mehr aus Russland via Drittländer importieren. So schiebt einer die Verantwortung zum anderen. Gott sei Dank bleibt damit alles beim Alten, und Selenski verliert ein Dorf nach dem anderen.
In Kiew sucht man fieberhaft nach einem Pearl Harbor, um die NATO-Staaten doch noch direkt in den Krieg hineinzureißen. Mit den zivilen Opfern der Luftangriffe kommt man nicht weit, das sind aufgrund der präzisen Zielführung gegen Rüstungsfabriken und Militärknoten einfach zu wenige. Als erste Neuerung erfand die NATO deshalb am 1. September einen russischen GPS-Angriff auf den Landeanflug von Ursula von der Leyens Maschine in Bulgarien. Ein Mordversuch an der EU-Kommissionspräsidentin? Das hätte man nutzen können. Doch wenige Tage später dementierten die Behörden in Sofia die Ente.
Am 11. September folgte Großalarm wegen eines vermeintlichen Drohnenangriffs auf Polen, eines der 19 Geschosse war sogar auf einem Hasenstall gelandet. Nach Drängeln aus Warschau rief die NATO die Kriegs-Vorwarnstufe (Artikel vier des NATO-Statuts) aus. Später stellte sich jedoch heraus, dass die Flugkörper wegen elektronischen Sperrfeuers der Ukrainer vom Kurs abgekommen und hauptsächlich in Belarus eingedrungen waren. Minsk wiederum hatte frühzeitig die Nachbarstaaten gewarnt, dass da etwas kommen würde. Zu schaden kam übrigens niemand, auch die Hasen sind wohlauf.
Blitzkrieg gegen Kaliningrad
Obwohl der Anlass zum offiziellen Kriegseintritt noch nicht gefunden ist, gehen die Planungen munter weiter. «US-General: NATO könnte Kaliningrad in Rekordzeit erobern», fasste der Münchner Merkur die Kernbotschaft einer Rede von US-General Christopher Donahue zusammen. Dieser hatte zu diesem Thema auf der ersten internationalen US-Militärtagung mit dem Titel «Landeuro» am 16. Juli 2025 in Wiesbaden referiert. Donahue ist nicht irgendwer, sondern seit Dezember 2024 Befehlshaber der US-Armee für Europa und Afrika. Dass er nicht an seinem Amtssitz, dem US-Kommando Eucom/Africom in Stuttgart, sondern in der hessischen Landeshauptstadt gesprochen hat, zeigt die überragende Bedeutung, die diese für die Kriegsplanungen gegen Russland seit 2022 bekommen hat. Dort ist jetzt nämlich der Sitz des Ukraine-Oberkommandos der NATO, formell dem Eucom untergeordnet, aber tatsächlich fallen hier die Würfel.

Seit dem Ende des Kalten Krieges hat es kein NATO-Kommandeur mehr gewagt, derart konkret und unverblümt über einen Eroberungskrieg zu sprechen wie Donahue. Man beließ es bei der Beschwörung von Abschreckung und Verteidigung. Doch mit der Zurückhaltung ist es offensichtlich vorbei, und daran hat auch der neue US-Präsident Donald Trump nichts geändert. Einen ersten Vorstoß für präventive Schläge gegen Russland hatte, bereits am 24. November 2024, der Vorsitzende des NATO-Militärausschusses, der niederländische Admiral Rob Bauer, gemacht. Während einer Frage-und-Antwort-Runde nach seiner Ansprache im European Policy Center in Brüssel sagte er: «Die Idee war, dass wir {die NATO} ein defensives Bündnis sind, also werden wir nur sitzen und warten, bis wir angegriffen werden, und dann, wenn wir angegriffen werden, werden wir in der Lage sein, die Pfeile abzuschießen, die auf uns zukommen.» Er ergänzte aber, dass es «klüger» wäre, «den Bogenschützen anzugreifen, das ist… Russland –, falls Russland uns angreift. Also braucht man eine Kombination aus tiefen Präzisionsschlägen, mit denen man die Waffensysteme ausschalten kann, die verwendet werden, um uns anzugreifen.» Der russische Außenminister Sergej Lawrow kommentierte scharf: Bauer habe «unverblümt erklärt», dass «es notwendig sei, präventiv Ziele in der Russischen Föderation anzugreifen, die nach Meinung der NATO eine Bedrohung darstellen könnten».
Mit Palantir zum Sieg
In seiner Wiesbadener Rede betonte Donahue, dass die Landkriegführung mittlerweile eine größere Bedeutung habe als der Kampf in der Luft und auf See. Die NATO sei nun in der Lage, zum Beispiel Kaliningrad «vom Boden aus in einem bisher unerreichten Zeitrahmen und schneller zu zerstören, als wir es jemals konnten». Dazu soll die sogenannte A2/AD-Abwehr der Russen in einem Blitzkrieg geknackt werden. Die Abkürzung steht für Anti-Access/Area Denial, also die Sperrung des Land- und Luftzugangs in die Exklave. Auch die Vorherrschaft im vorgelagerten Meeresgebiet soll nicht über Seekriegführung, sondern über Artillerie und Lenkwaffen vom Land aus erreicht werden.
Der Blitzkrieg soll durch Palantir möglich werden.
Offensichtlich sind das nicht nur Spekulationen – die Attacke ist schon im Planungsstadium. Donahue: «Wir haben das Szenario {einer Einnahme Kaliningrads} bereits durchgespielt und Pläne für einen solchen Fall entwickelt.» Und weiter: «Und wir haben die Fähigkeiten entwickelt, Russlands Vorteil durch Masse und Momentum zu neutralisieren. Wir wissen schon genau, was wir dafür brauchen.»
Die neuen Fähigkeiten zum Blitzkrieg stützen sich laut Donahue vor allem auf das Maven System von Palantir, eine KI-Plattform, die enorme Datenmengen aufnimmt und Informationen schnell analysiert. So können nicht nur die Stellungen des Gegners ermittelt werden, sondern auch dessen Bewegungen und Tarnungen, und zwar in Echtzeit. Alex Karp, der CEO von Palantir, ist übrigens ein offener Unterstützer des Kiewer Regimes, und Palantir-Mitgründer Peter Thiel soll J. D. Vance mit Millionen Dollar gesponsert haben.
Donahue ist ein typischer Vertreter des Tiefen Staates, den Trump eigentlich zu entmachten versprochen hatte. Der Absolvent der berühmten Militärakademie in Westpoint wurde 1999 Assistent des stellvertretenden US-Generalstabschef, Richard Myers. Am 11. September 2001, als der Oberkommandierende Henry H. Shelton während der Terroranschläge im Flugzeug saß und keine aureichende Kontrolle über die Streitkräfte ausüben konnte, übernahmen Myers und Donahue für viele Stunden die oberste Befehlsgewalt. Man erinnere sich, wie stümperhaft vor allem die US Air Force an jenem Tag agierte. Kritiker werfen die Frage auf, ob ihr Totalausfall den Angreifern nur unabsichtlich in die Hände spielte oder es sich um eine Art Joint Venture zwischen al-Qaida und dem Tiefen Staat handelte, um die USA in einen jahrelangen «Krieg gegen den Terror» zu stürzen.
In der Folge übte Donahue hohe Funktionen bei der Besetzung Afghanistans aus, etwa als Oberbfehlshaber der NATO-Spezialeinheiten am Hindukusch – eine Truppe für Schmutzoperationen aller Art. Anschließend kommandierte er die 82. Luftlandedivision und soll der letzte US-Soldat gewesen sein, der Kabul nach dem Einmarsch der Taliban verlassen hat.
Angst-Porno um Narwa
Neben Kaliningrad entwickeln sich auch andere Regionen im Baltikum zu Brennpunkten der NATO-Planung. So etwa der sogenannte Suwalki-Korridor, die kurze Grenze zwischen Polen und Litauen, die von Weißrussland und Kaliningrad aus innerhalb von 48 Stunden gesperrt werden könnte. Für eine Kriegsinszenierung anfällig ist auch das estnische Narwa, das der selbsternannte Militärexperte Carlos Masala in seinem Buch Wenn Russland gewinnt. Ein Szenario als Startpunkt einer russischen Infiltration ausgemacht haben will. «Binnen weniger Stunden ist die 57.000 Einwohner zählende Stadt im Grenzgebiet zu Russland erobert. Als die Sonne aufgeht, weht bereits die Flagge Russlands vom Turm des historischen Rathauses,» prognostiziert der Märchenonkel für den 27. März 2028. Mit diesem Angst-Porno zieht Marsala durch Talkshows und Symposien. Fortsetzung folgt, garantiert!
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