Außenminister Wadephul scheitert, wenn er spricht. Jetzt reißt er mit seinem Syrien-Satz die Abschiebe-Agenda der CDU ein. In der Unionsfraktion ist die Unterstützung für den unglücklichen Minister bald auf dem Nullpunkt.
von Max Roland
Dass die größte Belastung für die politischen Ziele von CDU und CSU ausgerechnet ein Unions-Mann werden würde – darauf hätten angesichts dieser Koalition und dieses Kabinetts eher wenige gewettet. Johann Wadephul belehrt sie eines Besseren. Er hat als Außenminister eigentlich nur einen Job: Worte wählen. Überlegt sprechen.
Leider ist er, was das betrifft, offenbar vollkommen unfähig: Mit seinem Syrien-Satz jedenfalls schaffte es der CDU-Politiker sozusagen im Vorbeigehen, die Abschiebe-Agenda seines Bundeskanzlers und des Innenministers einzureißen. Dass Syrer aus Deutschland zurück in ihre Heimat kehren würden, sei insgesamt nicht realistisch, erklärte Wadephul. Dies sei kaum möglich, denn dort könnten „wirklich kaum Menschen richtig würdig leben.“
Einen besseren Satz hätte man nicht wählen können – zumindest, wenn man Rückführungen verhindern wollte. Dass der deutsche Außenminister Abschiebungen zu einem Ding der Unmöglichkeit erklärt und dabei auch noch den im Grundgesetz verankerten Begriff der Menschenwürde bemüht, könnte neben politischen auch rechtlichen Konsequenzen haben. In der Union fürchtet man jedenfalls bereits das Szenario, dass ein Richter sich bei einem Abschiebe-Urteil auf die Worte Wadephuls berufen könnte.
Bei der SPD, die weitreichende Abschiebungen nach Syrien ohnehin ablehnt, freute man sich natürlich über den Patzer des CDU-Ministers. Außenpolitiker Adis Ahmetovic nahm das entsprechend dankbar an. Seine Fraktion teile Wadephuls Einschätzungen, sagte Ahmetovic der Bild – ein „menschenwürdiges Leben“ sei für viele in Syrien „nicht gewährleistet“. SPD-Fraktionsvize Sonja Eichwede stellte direkt auch die im Koalitionsvertrag vorgesehene Abschiebung von Straftätern und Gefährdern unter den Vorbehalt der „konkreten Lage vor Ort“. Die CSU hingegen, die mit ihrem Minister Dobrindt eine Migrationswende vertreten will, schäumte.
Aus der Union und dem Kanzleramt heraus versucht man derweil, die Worte Wadephuls irgendwie geradezubiegen. Man will der Öffentlichkeit nun erklären, was der Außenminister angeblich gemeint und nicht gemeint habe. Angeblich habe er nur über die freiwillige Rückkehr gesprochen, retten sich manche. Er sei nur falsch verstanden worden. So kommuniziert es auch Regierungssprecher Kornelius. Die Diskussion sei ein „Scheinkonflikt“. So erklärte es auch Generalsekretär Carsten Linnemann.
CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt sagte der Welt: „Es ist der Eindruck entstanden, dass der Bundesaußenminister darauf abgehoben hat, alle Syrer, die sich derzeit in Deutschland aufgrund des Bürgerkriegs in ihrem Land aufhalten, könnten vorerst nicht abgeschoben werden. Das hat er weder so gesagt noch in der Sache gemeint.“ Jetzt erklärt ein Parlamentarier, was der Minister eigentlich gemeint haben soll – nicht nur kommunikativ, sondern auch politisch ein Desaster.
Aus der Unionsfraktion bekam Wadephul aber noch härter auf den Deckel. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Günter Krings hielt sich mit scharfen Attacken auf ihn nicht zurück: „Die spontane Äußerung des Bundesaußenministers wird ganz offensichtlich aus dem Zusammenhang gerissen – wenn man ihr irgendeine Relevanz für die anstehenden und notwendigen Rückführungen nach Syrien geben wollte.“ Der syrische Bürgerkrieg sei vorbei, in weite Teile des Landes könnten die Syrer zurückkehren, sagte Krings gegenüber Bild. Die Zerstörungen im Land seien als Argument „denkbar ungeeignet.“
Die Äußerungen des Außenministers als irrelevant und „denkbar ungeeignet“ zu bezeichnen – härter geht es kaum. Wenn sich mächtige Köpfe aus der Unionsfraktion öffentlich so äußern, hat Wadephul in den eigenen Reihen ganz offensichtlich jede Sympathie verspielt. Und das nicht erst seit seiner Syrien-Äußerung.
Tatsächlich hat Wadephul mit seiner, gelinde gesagt, unglücklichen Kommunikation schon längst weite Teile der Union gegen sich aufgebracht. Da wäre der Satz von der „Zwangssolidarität“ mit Israel, der in der Bundestagsfraktion massive Irritationen hervorrief. Sein unüberlegter Satz zu deutschen Friedenstruppen in der Ukraine, mit dem er in einer außenpolitisch empfindlichen Zeit im Sommer die Trump-Diplomatie des Kanzlers konterkarierte.
Gegenüber table.media sagte der CDU-Politiker im August, man habe verabredet, dass sich die Bundeswehr auf das NATO-Territorium konzentrieren solle: Zusätzlich noch deutsche Soldaten in der Ukraine zu stationieren, „würde uns voraussichtlich überfordern“, so Wadephul. Stunden nach Veröffentlichung des Interviews ruderte Wadephul dann zurück und erklärte, das habe er so nie gesagt – die Presse habe ihn bloß falsch interpretiert.
Wie oft kann ein Minister falsch interpretiert werden? Natürlich lag es nie an der Presse oder an anderen Fehlinterpretationen – Wadephul sprach in allen Fällen immer sehr klar aus, was er gerade dachte. Nur überlegte er dabei offensichtlich nicht.
In der Union greift man nach weiteren Erklärungsversuchen wie nach Strohhalmen und macht für die ständigen Fehltritte des Ministers vor allem einen Umstand verantwortlich: das Personal im Auswärtigen Amt. Das historisch vor allem rote und zuletzt grüne Ministerium (zuletzt stellte die CDU 1966 den Außenminister) führe Wadephul ständig auf die falsche Fährte, informiere ihn schlecht oder falsch. Wadephul und das politische Team um ihn seien ständig im Abwehrkampf gegen das eigene Haus, hörte Apollo News schon im Sommer aus Unionskreisen.
Schon damals betitelte man Wadephul allerdings auch selbst als „tickende Zeitbombe“. Immer klarer ist inzwischen geworden, dass das Problem auch und maßgeblich der Minister selbst ist. Die Zeitbombe Wadephul explodiert wieder und wieder – jetzt sprengte sie die Syrien-Politik der CDU und des Kanzlers. Irgendwann wird man diese Zeitbombe entschärfen müssen. Wadephul, der ohnehin maximal zweite Wahl des Kanzlers für das Amt des Außenministers war, demontiert sich im Amt radikal selbst. Er erscheint grundsätzlich ungeeignet.
Dazu kommt allerdings auch ein machtpolitisch unbedarfter Kanzler, der mit seinen Leuten die Kontrolle verliert. Nicht zuletzt sein Büroleiter Jakob Schrot, den Merz auch gerade in außenpolitischen Fragen sehr schätzt, gilt gemeinhin als unfähig und völlig überfordert – in der Union lässt man in Gesprächen kein gutes Haar an ihm. Dabei bräuchte Merz einen Manager hinter den Kulissen, der genau solche Desaster verhindert.
Stattdessen darf Wadephul mit seinem Auswärtigen Amt über Tage hinweg eine kommunikative Massenkarambolage verursachen. Auf Anfrage der Bild legte das Außenministerium nochmal nach, sprach davon, dass die Rückkehr von Syrern in die Heimat eine „individuelle Entscheidung“ sei. Erst am Montagabend schaltet sich der Kanzler ein, der das ganze Desaster viel zu lange laufen ließ.
Ausgerechnet in Husum, Wadephuls schleswig-holsteinischer Heimat, machte Merz dann klar: „Der Bürgerkrieg in Syrien ist beendet, es gibt keinerlei Grund mehr für Asyl in Deutschland. Deswegen können wir mit Rückführungen beginnen.“ Ort und Aussage lassen sich als deutliches Zeichen gegen den Irrläufer in den eigenen Reihen verstehen.
Lange stützte Merz Wadephul, den er als Außenminister wegen des Vertrauensverhältnisses zwischen beiden ausgewählt hatte. Doch dieser Elefant im Porzellanladen – er ist für den Bundeskanzler schlicht nicht mehr zu stützen. Stattdessen ist Wadephul mit seiner Reihe an Chaos-Äußerungen längst ein weiterer Mühlstein, den Merz um den Hals trägt. Nach der Unionsfraktion könnte er auch das Vertrauen im Kabinett verlieren.
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