Inzwischen wird gefühlt jede Woche von den Medien eine neue Sau durchs Dorf getrieben und mit dem Attribut “rechts” respektive “rechtsradikal” versehen. Jetzt gelten auch Besitzer und Fahrer der DDR-Kultmarke Simson als antidemokratische Staatsfeinde.
von Thomas Hartung
Für jeden in der DDR Gebürtigen und viele konservative Deutsche ist die vom einstigen „Sturmgeschütz der Demokratie“, dem “Spiegel”, aktuell beförderte Politisierung der Debatte um die DDR-Kultmarke Simson empörend. Simson steht für ein Stück ostdeutscher Alltagskultur, für Freiheit und Jugend – und sonst gar nichts! Simson-Mopeds waren in der DDR mehr als nur Fortbewegungsmittel. Sie verkörperten den Wunsch nach Unabhängigkeit und Abenteuer, besonders für junge Menschen. „Mit der Simson durch die Welt. Große Pläne, wenig Geld“, wie es in einem Songtext heißt, beschreibt dieses Lebensgefühl treffend. Diese Zeilen spiegeln eine universelle Sehnsucht nach Freiheit wider, die nichts mit politischer Ideologie zu tun hat. Simson war und ist ein Symbol für die kleinen, aber bedeutsamen Freuden im Leben vieler Ostdeutscher. Ein Kulturgut, das weit über die Grenzen der DDR hinaus Bestand hat.
Es ist mehr als irritierend, wenn Simson nun als Symbol einer „rückwärtsgewandten Idee“ bezeichnet wird: Machen wir das mit KTM oder Energica auch? Solche Aussagen reißen die Marke aus ihrem kulturellen Kontext und unterstellen eine politische Agenda, die es schlicht nicht gibt. Die Treffen in Zwickau, bei denen Tausende ihre Leidenschaft für diese Fahrzeuge feiern, sind in erster Linie Ausdruck von Nostalgie und technischer Begeisterung. „Zehn Anzeigen wegen Verwendens verfassungsfeindlicher Gesten“ bei einem so großen Treffen zeigen dass es sich um Einzelfälle handelt, die nicht die gesamte Veranstaltung oder die Marke definieren. Fußballspiele oder Konzerte erleben ähnliche Vorfälle, ohne dass sie pauschal als „rechts“ stigmatisiert werden.
Vereinnahmung von Marken für politische Zwecke
Dass politische Akteure versuchen, bestimmte Marken, Produkte oder Symbole für ihre Zwecke zu vereinnahmen, ist ein völlig normaler Vorgang. Ich erinnere nur an die Currywurst als Sympathie-Katalysator und Kampagneninstrument aller Parteien: „Currywurst ist SPD“ hieß es 2012 in Nordrhein-Westfalen; Rainer Haseloff nahm öffentlich eine Currywurst zu sich als symbolischer Protestakt gegen Bundesernährungsminister Özdemirs Cem Empfehlung, den Fleischkonsum zu reduzieren (die Wurst stammte übrigens vom lokalen Imbiss „Curry 54“ in Magdeburg). Markus Söder traf sich mit CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz bei “Borkowskis” am Wittenbergplatz, einem Berliner Kult-Imbiss – und ließ sich dort öffentlich eine Currywurst mit Mayo servieren. Gregor Gysi startete 2023 die Eventreihe und das gleichnamige Buch „Auf eine Currywurst mit Gregor Gysi“. Und abseits der Currywurst ließe sich Bodo Ramelow anführen, der während einer Landtagsdebatte demonstrativ eine Kiste Sternburg-Bier mitbrachte – als Symbol für Solidarität mit protestierenden Bauern.
Und so ist auch die Identifikationskraft von Simson ist nicht exklusiv rechts. Sie ist universell und verbindet Menschen über politische Lager hinweg. Wenn bestimmte Milieus beziehungsweise deren politische Protagonisten – darunter auch abgehobene, vorurteilszerfressene Haltungsjournalisten – Simson (oder andere, bevorzugt ostdeutsche, Marken, Produkte oder Symbole) nicht nutzen, dann sagt das mehr über sie aus als über die Nutzer. Die Wertschätzung der Marke heute hat nichts mit einer Verharmlosung der jüdischen Geschichte Simsons zu tun – im Gegenteil: Simson-Fans bewundern die technische Qualität und die kulturelle Bedeutung der Fahrzeuge, ohne die Vergangenheit zu ignorieren. Es ist unredlich, ja unverfroren, ihnen pauschal antisemitische Tendenzen zu unterstellen, wie es die verleumderische Aussage andeutet, Rechtsextreme könnten Antisemitismusvorwürfe relativieren, indem sie Simson fahren.
Ein Stück ostdeutscher Identität
So bleibt am Ende die Feststellung: Simson ist kein rechtes Symbol, sondern ein Stück ostdeutscher Identität – eines, das für Freiheit, Jugend und technische Leidenschaft steht! Es ist schlimm, angesichts der allgegenwärtigen aktuellen Versuche zur Freiheitseinschränkungen – von Heizungsgesetz über Essensvorgaben bis hin zur “verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates” – das mobiles Freiheitssymbol der Kultmarke Simson gerade in Ostdeutschland umzulabeln. Die verkrampften Bemühungen, die Marke in einen politischen Kontext zu zwingen, verkennen ihre universelle Bedeutung. „Wir drehen die Karre richtig auf“, singt die Bitterfelder Ostrock-Band Goitzsche Front – und genau das tun Simson-Fans: Sie leben ihre Begeisterung, ohne sich für politische Zwecke instrumentalisieren zu lassen!
Simson gehört nicht der Politik – einerlei welcher Couleur –, sondern der Normalität. Und das soll auch so bleiben. Der perfide “Spiegel”-Text von Steffen Winter passt wieder voll in die hanseatische Ostdeutschenfeindlichkeit à la „Eigenarten ständig im Blick behalten“. Er wird sowohl „Lügenpresse“-Pauschalisierungen weiter befeuern wie auch zu einer weiteren Marginalisierung der Leserzahlen führen. Letzteres wäre sicher kein Unglück.
🆘 Unserer Redaktion fehlen noch 72.000 Euro!
Um auch 2025 kostendeckend arbeiten zu können, fehlen uns aktuell noch 72.000 von 125.000 Euro. In einer normalen Woche besuchen im Schnitt rund 250.000 Menschen unsere Internetseite. Würde nur ein kleiner Teil von ihnen einmalig ein paar Euro spenden, hätten wir unser Ziel innerhalb kürzester Zeit erreicht. Wir bitten Sie deshalb um Spenden in einer für Sie tragbaren Höhe. Nicht als Anerkennung für erbrachte Leistungen. Ihre Spende ist eine Investition in die Zukunft. Zeigen Sie Ihre Wertschätzung für unsere Arbeit und unterstützen Sie ehrlichen Qualitätsjournalismus jetzt mit einem Betrag Ihrer Wahl – einmalig oder regelmäßig:





