Der mysteriöse Tod des Hackers Tron. Im Oktober 1998 wurde ein deutscher Hacker erhängt in einem Berliner Park aufgefunden. Er war für Geheimdienste und Großkonzerne zur Gefahr geworden.
von Jan Gaspard
«Knackte er einen Code zu viel?», fragte selbst die Bild-Zeitung, als der Chaos Computer Club (CCC) damals vermeldete, dass sein unter dem Pseudonym Tron bekanntes Mitglied gewaltsam zu Tode gekommen sei. «Die Polizei spricht von mutmaßlichem Selbstmord. Wir können uns das nicht vorstellen», hieß es in einer Mitteilung des CCC.

Tron, eigentlich Boris Floricic, war trotz seiner Jugend – er starb mit gerade 26 Jahren – das größte Talent der deutschen Hacker-Szene. Er hatte eine falsche Telefonkarte für öffentliche Fernsprechapparate produziert, die sich selbständig wieder aufladen konnte. Noch kurz vor seinem Tod decodierte er den Pay-TV-Schlüssel von Premiere, nur um zu zeigen, wie mangelhaft das alles gesichert war.
«Tron traute man zu, Codes von Geheimdiensten zu dechiffrieren. Hatte er jetzt ihre Computer angezapft?» Bild
Trons bekannteste Erfindung war jedoch das Cryptophon, ein ISDN-Telefon mit integrierter Sprachverschlüsselung, das er im Wintersemester 1997/1998 im Rahmen seiner Diplomarbeit an der Technischen Fachhochschule Berlin entwickelt hatte. Es sollte später zum Cryptron weiterentwickelt werden, das auch Datenverbindungen hätte verschlüsseln können. Beide Systeme zusammen hätten Spionageprogramme wie Prism von Anfang an ins Leere laufen lassen können. «Ihm traute man zu, Codes von Geheimdiensten zu dechiffrieren. Hatte er jetzt ihre Computer angezapft?», fragte Bild.
Die Ermittlungsbehörden bezeichneten – nach anfänglichen Zweifeln – Trons Tod schließlich als Selbstmord. Aber sie konnten nicht erklären, wieso er sich in einem Park in Berlin-Britz mit einem Gürtel erhängt haben soll, der ihm nicht gehörte. Oder warum er am 22. Oktober 1998 (als er gefunden wurde) laut Obduktionsbericht noch ein Nudelgericht mit einer ganz speziellen Basilikum-Sorte im Verdauungstrakt hatte, wie er es nachweislich zuletzt am 17. Oktober gegessen hatte – dem Tag seines Verschwindens. Der Verdacht von Rechtsanwalt Johnny Eisenberg: Tron muss bereits am 17. Oktober unter Fremdeinwirkung gestorben sein; danach wurde seine Leiche «postmortal gekühlt».
Nie geklärt wurde außerdem, was denn das Motiv von Tron gewesen sein sollte, sich das Leben zu nehmen. Nur die offiziellen Ermittler – aber keine Leute aus seinem Umfeld – hatten den Eindruck, dass er ein Depressiver war, der unter seinen im Asperger-Syndrom begründeten Schwächen im sozialen Umgang mit anderen Menschen litt. Ganz im Gegenteil.

Der Fall erinnert an einen späteren, nämlich den des neuseeländischen Hackers Barnaby Jack, der kurz vor einem geplanten Auftritt auf der Black-Hat-Sicherheitskonferenz Ende Juli 2013 in Las Vegas tot aufgefunden wurde. Todesursache: ein Drogen-Cocktail. Auch die näheren Umstände seines Ablebens wurden bisher nicht publiziert. Jacks Thema in Las Vegas wäre die mögliche Manipulation von Herzschrittmachern gewesen. Er war in der Szene bekannt als einer, der mit simpler Technik Geldautomaten dazu bringen konnte, Geld zu spucken wie ein Spielautomat, an dem man einen Gewinn gelandet hat. Das war und ist nicht so groß wie die Totalüberwachung der Welt – und bringt deutlich weniger Schlagzeilen und Sendezeit in den Hauptnachrichten. Entsprechend leichter stirbt es sich hier…
Jan Gaspard ist ein Pseudonym. Unter seinem richtigen Namen hat unser Autor unter anderem für Unternehmen von Axel Springer, Leo Kirch und Rupert Murdoch gearbeitet. Ausgebildet wurde er von einem ehemaligen Agenten des Militärischen Abschirmdienstes. Neben journalistischen Arbeiten für verschiedene Print-Publikationen sowie TV- und Radiosender hat er (auch unter weiteren Pseudonymen) über 60 Hörbücher, Romane, Sachbücher und Ratgeber geschrieben. Seine Hörspielreihe «Offenbarung 23» widmet sich den wichtigsten politischen Kriminalfällen des 20. Jahrhunderts.
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