Offiziell soll Hitlers SS-Geheimwaffenchef Hans Kammler im Mai 1945 Selbstmord begangen haben. Doch inzwischen zweifelt sogar der Mainstream an dieser Version. Tatsächlich führen Spuren nach Amerika.
von Daniell Pföhringer und Timo Beil
«Wenn es heißt, Hans sei tot, ist Hänschen noch lange nicht tot.» – Mit diesen Worten verabschiedete sich SS-Obergruppenführer Hans Kammler am 4. Mai 1945 von seinem früheren Berliner Büroleiter Heinz Schürmann – jedenfalls nach dessen Aussage. Offiziell soll der SS-General kurz danach durch Suizid aus dem Leben geschieden sein. Doch es gibt handfeste Hinweise darauf, dass der Konstrukteur der Krematorien in den NS-Vernichtungslagern nicht nur seinen Tod vortäuschte, sondern sogar in die USA ging. Doch der Reihe nach…
Die große Vertuschung
Kammler wurde 1901 in Stettin geboren. Er studierte Architektur in Danzig und München, wurde 1932 zum Doktor der Ingenieurswissenschaften promoviert. Im selben Jahr trat er der NSDAP bei. So seltsam es klingt, Kammler wurde zunächst Führer des Reichsbundes der Kleingärtner und Kleinsiedler, doch schon bald bekam er wichtigere Positionen. Seit 1933 Mitglied von Himmlers Schutzstaffel, wurde der Ingenieur bald in das SS-Hauptamt Verwaltung und Wirtschaft versetzt. Dort war er später auch für die Errichtung der Todeslager im Osten zuständig.
«Wenn es heißt, Hans sei tot, ist Hänschen noch lange nicht tot.» Kammler
Ein ganz anderes Gebiet wies man dem SS-Obergruppenführer 1943 zu: Unter seiner Ägide wurde ein Teil der Produktion der sogenannten Vergeltungswaffe 2 (V2), auch Aggregat-4 genannt, in eine unterirdische Fabrik im thüringischen Nordhausen verlegt. 1944 erhielt er schließlich die Oberaufsicht über alle deutschen Geheimwaffen – inklusive des Atomprogramms. Innerhalb von sechs Monaten ließ er die Mittelwerke im Kohnstein im Harz errichten, wo tausende Zwangsarbeiter eingesetzt wurden. Im Winter 1944 liefen dort die ersten V2-Raketen vom Band. Besonders makaber ist: Bei der Herstellung der Waffen fanden mehr Menschen den Tod als bei ihrem Einsatz.
Die Hinweise darauf, dass Kammler sein Ableben im Mai 1945 höchstwahrscheinlich nur vorgetäuscht hat, stammen nicht von einer halbseidenen Verschwörungsseite im Netz, sondern vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen. In der Doku Hitlers Geheimwaffen-Chef – Die zwei Leben Hans Kammlers (2019) von ZDF History sagt der Historiker Rainer Karlsch: «Es gibt mehrere Dokumente, die meines Erachtens eindeutig belegen, dass sich Kammler nicht, wie vielfach angenommen, bei Kriegsende umgebracht hat, sondern dass er von den Amerikanern gefangen genommen wurde.»
Laut ZDF History soll «ein hochrangiger Geheimdienstmann» der Amerikaner Kammler «betreut und befragt haben». Dabei handle es sich um Donald W. Richardson, der einer Sondereinheit des CIA-Vorläufers OSS angehörte. Dessen Sohn John berichtet, dass der SS-General 1947 – also gut zwei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs – in einer geheimen Operation in die USA verbracht wurde. In der TV-Dokumentation sagt John Richardson: «Mein Vater verhörte ihn. Er sollte diesen wichtigen Deutschen rüberbringen, damit er nicht in die Hände des russischen Geheimdienstes gerät. Das war sein Auftrag.»
Doch was war zuvor geschehen? Hier geben Aktenfunde aus dem Familienarchiv Kammlers Aufschluss. In der ZDF-Doku heißt es dazu: «Kammler führte in den Tagen vor Kriegsende wichtige Pläne und Unterlagen neuester Waffentechnik mit sich. Protokolle und sein Autoatlas lassen auf die nächsten Ziele seiner Route schließen. Seiner Frau lässt er einen Brief übermitteln, der nicht nach einem Abschied für immer klingt.» In dem Schreiben betonte Kammler, dass er sich nicht «feige aus dem Leben schleichen werde» – und er zeigte sich zuversichtlich, dass er seine Gattin schon bald wiedersehe. «Ich glaube daran, dass der Führer und der Reichsführer-SS das Beste gewollt und durch ihre Opfer eine neue Grundlage geschaffen haben. Ich kann Dir immer nur danken, was Du für mich gewesen bist – und sein wirst», so Kammler in dem Brief an seine Frau.
Overcast & Paperclip
Schnell zeigte sich, dass in Deutschland weit mehr Beute zu machen war, als man ursprünglich dachte. An die Stelle von Overcast trat nun die Operation Paperclip. Der Name rührte daher, dass man die Akten der infrage kommenden Personen und Vorgänge mit einer Büroklammer – englisch «paperclip» – markierte. Im Vordergrund stand nun die Raketen- und Luftfahrttechnik. Etwa 1.600 Experten, darunter Wernher von Braun und andere Wissenschaftler der vormaligen Heeresversuchsanstalt, wurden rekrutiert, viele aus NS-Forschungszentren wie Peenemünde. Sie sollten im Kalten Krieg entscheidend zur US-Rüstungs- und Raumfahrttechnik – vor allem zum Apollo-Programm – beitragen.
Sein weiterer Weg habe laut den ZDF-Recherchen wie folgt ausgesehen: In der Nähe des KZ Gusen-Mauthausen bei Linz verließen er und sein Fahrer einen Konvoi, der weiter in Richtung Prag fuhr. Noch am selben Tag gerieten beide in einen Hinterhalt. Kammlers Chauffeur wurde schwer verletzt. Dokumentiert ist, dass sich dieser wenig später in amerikanischem Gewahrsam in Gmünden befand und schließlich seinen Verletzungen erlag. Lange Zeit unter Verschluss gehaltene US-Dokumente besagen, dass auch Kammler in Gmünden war. Mysteriös: Auf dem dortigen Friedhof findet man zwei Grabstätten mit dem Namen seines Fahrers. Teil einer Vertuschungsaktion? Davon gehen viele inzwischen aus.
Neuartige Technologien
Auffällig ist: OSS-Agent Richardson war auf allen wichtigen Konferenzen der Alliierten zugegen, unter anderem in Potsdam 1945. «Das zeigt, dass er ein besonderes Vertrauensverhältnis zum Oberkommandierenden Dwight D. Eisenhower gehabt haben muss», so Historiker Karlsch. «Und nur so ein Mann wird mit Aufträgen betraut, die höchste Staatsgeheimnisse beinhalten.» Erst kurz vor seinem Tod 1997 offenbarte der Top-Agent seinen Söhnen, dass er beauftragt worden war, die Kenntnisse Kammlers für die USA zu sichern. Laut Richardson junior soll der vormalige Geheimwaffenchef des Dritten Reiches in Amerika jedoch nicht mehr lange gelebt haben. Von der Außenwelt abgeschottet, habe sich der ehemalige SS-General angeblich nur wenige Jahre nach dem Krieg erhängt…
«Mein Vater verhörte ihn. Er sollte diesen wichtigen Deutschen rüberbringen, damit er nicht in die Hände des russischen Geheimdienstes gerät.» John Richardson
Doch warum war Kammler für die USA so interessant? Das hatte vermutlich etwas mit den unter seiner Leitung stehenden Geheimprojekten zu tun, die an verschiedenen Standorten bei Ohrdruf (Thüringen) und in der Nähe von Pilsen (Böhmen) angesiedelt waren. In Richtung dieser Orte stieß jedenfalls US-General George Patton mit seinen Truppen im April 1945 vor. In jenen Fabriken wurde im Rahmen des unter Leitung von SS-Gruppenführer Otto Schwab stehenden Amtes Forschung – Patente – Entwicklungen an Waffen gearbeitet, über die bis heute nicht gern gesprochen wird. In seinem Buch Die Bruderschaft der Glocke berichtet US-Autor Joseph Farrell etwa von physikalischen Experimenten, die «fast an Magie grenzen».
Hitler selbst hatte kurz vor Kriegsende im engsten Kreis noch einmal bekräftigt, dass «Prag der Schlüssel zum Sieg» sei. Tatsächlich scheinen dies die inzwischen bekannt gewordenen Zeitzeugenaussagen zu bestätigen. So gibt es etwa Beteiligte, die erklärten, dass im Jonastal nicht nur Raketen hergestellt wurden, sondern auch an neuen Antriebsarten, unbekannten Energiequellen und kreisförmigen Flugobjekten geforscht worden sei. Das Wissen um diese Technologien könnte mit Kammler in die USA entschwunden sein.
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