Deutschland

Psychotherapeuten im Kampf gegen Rechts

Psychotherapeuten im Kampf gegen Rechts
Charité Berlin

Bislang galt die Regel, dass Therapeuten gegenüber ihren Patienten „keine eigene politische Meinungsüberzeugung zu betreiben“ hätten. Die Bundeszentrale für politische Bildung fördert hingegen das Projekt „Stark in Therapie und Weltanschauungsfragen“.

von Wolfgang Meins

Seit Sigmund Freud gilt in der Psychotherapie die Abstinenzregel. Seinerzeit allerdings noch in einer schmalspurigen und zudem recht einseitig definierten Version, nämlich als ein vom Patienten bzw. der Patientin ausgehendes sexuelles Verlangen gegenüber dem Therapeuten, dem nicht nachgegeben werden darf, sondern das vielmehr in der Therapie analysiert und interpretiert werden soll. Mittlerweile ist die Psychotherapie ein ganzes Stück vorangekommen, indem sie auch politische Positionen thematisiert und so das Abstinenzgebot deutlich breiter fasst. In Zeiten wie diesen, wo wieder gefordert wird, Haltung zu zeigen, gerät naturgemäß auch das Abstinenzgebot unter Druck.

Das Abstinenzgebot heute

Vor diesem Hintergrund kann es nicht verwundern, dass im Mai 2024 die Bundespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz es für sinnvoll hielt, sich zum Abstinenzgebot zu äußern. Selbstverständlich, so heißt es dort, hätten Psychotherapeuten eine politische Meinung, für die sie sich einsetzen und ggf. auch öffentlich positionieren könnten, die sie aber nicht in die Therapie einfließen lassen sollten. Denn die Abstinenzregel sei „Teil eines grundlegenden ethischen Prinzips der Psychotherapie“, um den Patienten nicht zu schädigen. Sie habe eine präventive Funktion und diene dazu, Interessenkonflikte abzuwenden und somit Gefahren für Therapieerfolg und Gesundheit des Patienten vorzubeugen. 

Und weiter: Das Abstinenzgebot beziehe sich nicht nur auf sexuelle Kontakte, sondern gebiete „vielmehr eine umfassendere Enthaltsamkeit der Psychotherapeut*innen gegenüber den Patient*innen“, nämlich „keine konkreten politischen Ratschläge nach eigener Überzeugung zu erteilen, keine politischen Positionen und/oder Einstellungen besonders drastisch zu loben oder auch negativ darzustellen (und) keine eigene politische Meinungsüberzeugung zu betreiben“. Möglicherweise adressiert an die Adresse der Therapeuten mit dem ganz besonderen politischen Sendungsbewusstsein wird noch einmal bekräftigend darauf hingewiesen, dass, sollte der Therapeut in eine politische Diskussion mit dem Patienten eintreten, in deren Verlauf er dessen politische Einstellung kritisiert, ein Verstoß gegen das Abstinenzgebot vorliege. Und, in aller Klarheit: „Das Vorbringen persönlicher politischer Auffassungen in der Therapie, ist kein Teil der professionellen psychotherapeutischen Behandlung.“ Geboten sei vielmehr eine diesbezügliche Enthaltsamkeit. Damit sollte doch eigentlich alles gesagt sein.

Trotz dieser eindeutigen, geradezu glasklaren Ausgangslage, die zudem eigentlich nur den langjährigen und von nahezu allen Beteiligten einmal akzeptierten Konsens noch einmal prägnant auf den Begriff bringt, gerät die Abstinenzregel in jüngster  Zeit zunehmend unter Druck. Zwei Beispiele sollen das im Folgenden verdeutlichen.

Das erste dokumentiert das Bemühen einer psychoanalytischen Fachgesellschaft (DGPT), die Abstinenzregel auf vergleichsweise subtile – vielleicht besser: pseudointellektuelle – Weise auszuhebeln. Das zweite spielt in Berlin und dokumentiert eine eher rabiate, ganz unverblümte Vorgehensweise: In diesen Zeiten müssen auch Psychotherapeuten Haltung zeigen!

Psychoanalytiker heute

Die DGPT hielt es im Februar 2024 für an der Zeit, der interessierten Öffentlichkeit mitzuteilen, dass sie „das Erstarken des Rechtsextremismus, der zunächst unter ‘Rechtspopulismus‘ firmierte, mit großer Sorge (betrachtet), stellt er doch einen fundamentalen Angriff auf unsere Demokratie dar.“ Die Autoren kommen dabei zu bemerkenswerten Einsichten: „Während vor zehn Jahren noch ein deutlicher Unterschied zwischen ‘Rechtsextremismus‘ und ‘Rechtspopulismus‘ zu verzeichnen war, kann diese Trennung heute so nicht mehr aufrechterhalten werden.“ Sinnigerweise wird als Beleg für diese steile These ein Aufsatz aus der Online Akademie der Friedrich-Ebert-Stiftung aus dem Jahr 2010 aufgeführt.

Im Übrigen würden auch die Recherchen des Verfassungsschutzes eine entsprechende Entwicklung zeigen. So, so. Und, völlig unbeleckt von der Faktenlage, weiter: „Erst kürzlich erregte das Treffen zwischen rechten Politikern und Neonazis in Potsdam, sowie die dort postulierte Umdeutung des Begriffs „Remigration“ – der mit Recht zum ‘Unwort“ des Jahres‘ gewählt wurde, für Entsetzen in der breiten demokratischen Mitte.“ Und weiter: „Da, wo der (Rechts-)Extremismus beginnt, ist allerdings keine Neutralität mehr nötig und sinnvoll, denn als Psychotherapeut:innen und Psychoanalytiker:innen sind wir der Menschenwürde, den demokratischen Grundwerten unserer Gesellschaft, die mit zum Rahmen unserer Arbeit gehören, verpflichtet“ – was immer das im therapeutischen Einzelfall genau bedeuten soll. 

Vorneweg: Die Berliner Psychotherapeutenkammer

Vergleichsweise erfrischend direkt geht es bei der Berliner Psychotherapeutenkammer zu. Eine für Ende Juni d.J. angekündigte Fachtagung der Kammer – belohnt mit sechs Fortbildungspunkten – steht unter dem Motto „Zwischen Heilauftrag und Haltung“ und fragt die Therapeuten: „Fühlen Sie sich kompetent im Umgang mit rechtsextremen Ansichten von Patient*innen?“ Die Veranstaltung erfolgt in Zusammenarbeit mit dem Interdisziplinären Zentrum für Radikalisierungsprävention und Demokratieförderung (IZRD) bzw. dessen von der Bundeszentrale für Politische Bildung geförderten Projekt „Stark in Therapie und Weltanschauungsfragen“, abgekürzt sit.. Meine zugegeben nur flüchtige Recherche zum IZRD lässt den Eindruck entstehen, dass sich bei diesem u.a. von der Bundesregierung geförderten Verein der ursprünglich auf Islamismus-Prävention gerichtete Fokus über die letzten Jahre mehr und mehr hin zum Kampf gegen Rechts verschoben hat. 

Für die hier interessierende Fachtagung wirbt die Berliner Psychotherapeutenkammer gemeinsam mit dem  IZRD bzw. dessen Untereinheit sit.  u.a. – wie gesagt – unter der Überschrift: „Fühlen Sie sich kompetent im Umgang mit rechtsextremistischen Ansichten von Patient*innen?“ Gefragt werden die Therapeuten dann, welche inneren Konflikte es in ihnen auslöse, „wenn Menschen, die Ihre therapeutische Hilfe suchen, die Grundpfeiler unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft ablehnen und sich stattdessen leidenschaftlich nach einem autoritären, nationalistischen und ethnisch ‘reinen‘ Staat sehnen?“ 

Lange Wartezeit

Wer nun vielleicht denkt, eine solche Konstellation komme in Reinkultur doch wohl nur sehr, sehr selten vor, wird flugs scheinbar eines Besseren belehrt. Unter Berufung auf eine Studie aus 2023 hätten die insgesamt 364 online befragten medizinischen und psychologischen Psychotherapeuten über einen Zeitraum von durchschnittlich 6,9 Jahren es mit 98 Fällen von Rechtsextremismus und 15 Fällen von Linksextremismus zu tun gehabt, wobei die jeweilige Definition ausschließlich den Therapeuten oblag. Abgesehen von dem Problem, ob die subjektive Zuschreibung von Links- oder Rechtsextremismus nun tatsächlich valide war – was stark bezweifelt werden muss –, bedeuten diese Zahlen unterm Strich, dass bei 364 mal 6,9 = 2.512 Behandlungsjahren jeder Therapeut im Schnitt 25,6 Jahre (2512 : 98) warten muss, um in seinem Berufsalltag auf einen Fall von (sich offenbarendem) Rechtsextremismus zu stoßen. Es wird hier also ganz offensichtlich ein Problem herbei halluziniert, das in der täglichen Praxis kaum eine Rolle spielt, selbst wenn die Zahlen seitdem moderat angestiegen sein sollten. 

Das Programm der Berliner Tagung startet mit einem Vortrag zu aktuellen Formen von Rechtsextremismus in Deutschland, gehalten von dem Soziologen F. Schilk, einem wissenschaftlichen Mitarbeiter an der Uni Tübingen, der kürzlich immerhin ein Buch über die „Neuen Rechten“ veröffentlicht hat, in dem er sich v.a. mit „konservativen Krisennarrativen“ beschäftigt und zu dem Schluss kommt: „Da sie (die Neue Rechte) ihre Identität aus der Wiederholung der immer gleichen Untergangsballaden schöpft, ist sie als Erzählgemeinschaft zu verstehen.“ Das wäre doch schon mal ein Anknüpfungspunkt für die in Berlin anwesenden Psychotherapeuten, um mit ihren rechtsextremen Patienten ins Gespräch zu kommen.   

Ein Impulsvortrag der totalitären Art?

Laut Programm folgt dann ein „Impulsvortrag“ von zwei Berliner Psychotherapeutinnen zu der sich hier tatsächlich aufdrängenden Frage: „Rechtsextremismus – Was hat das eigentlich mit Therapie zu tun?“ Welchen Impuls haben die Zuhörer zu erwarten? Vor allem kein Wort, geschweige denn irgendeinen tragfähigen Gedanken zu der sich hier anbahnenden Kollision mit der Abstinenzregel. Die scheint es in der Gedankenwelt der beiden Vortragenden gar nicht mehr zu geben, aber so ganz wohl ist den beiden bei diesem Thema offensichtlich auch nicht, denn: „Auf den ersten Blick erscheint es vielleicht ungewöhnlich, Rechtsextremismus und Psychotherapie in Verbindung zu bringen – schließlich handelt es sich bei Rechtsextremismus nicht um eine psychische Erkrankung.“  Das musste in der Tat mal gesagt werden. 

Dann fahren die beiden fort, wenngleich mit einem deutlichen argumentativen Bruch: „Dennoch sind entsprechende Einstellungen weit bis in die Mitte der Gesellschaft verbreitet, so dass auch Psychotherapeut:innen in ihrer Arbeit zunehmend auf verschwörungsgläubige, rassistische und antisemitische Einstellungen bei Patient*innen treffen.“ Das kann doch wohl nur heißen, dass der Rechtsextremismus in Gestalt entsprechender Einstellungen mittlerweile in der Mitte der Gesellschaft angekommen sei. 

Wenn die beiden Therapeutinnen zum Schluss etwas kryptisch fragen „Geht es um ein Verstehen oder um ein Begrenzen?“ stellt sich doch die Frage, welche Art von Begrenzung hier gemeint sein kann. Vielleicht eine inhaltliche Auseinandersetzung, der Versuch einer Umerziehung, ein Abbruch der Therapie oder vielleicht gar eine Begrenzung mit Hilfe von Meldestellen und dem Verfassungsschutz? Ganz offensichtlich haben wir es bei den beiden vortragenden Psychotherapeutinnen mit Aktivistinnen vom Schlag derer zu tun, die die CDU bereits überwiegend den Nazis zurechnen. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die gegen die CDU gerichteten Aufmärsche und Übergriffe nach der gemeinsamen Abstimmung im Bundestag von CDU und AfD Ende Januar.

Das mag etwas paranoid klingen, aber was genau meinen die beiden, wenn es am Ende ihres Abstracts heißt, dass sie in ihrem Vortrag auch „mögliche neue Aufgaben des Berufsstandes auf(zeigen)“. Und was gibt es für Linke heutzutage Befriedigenderes, als Haltung zu zeigen? Die Abstinenzregel stört dabei natürlich nur. Aber vielleicht kennen unsere beiden Aktivistinnen diese Regel nicht einmal, schließlich sind wir in Berlin. 


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