Eigentlich galt immer der eiserner Grundsatz: Wer bei Daimler schafft, der fährt auch Mercedes. Nun zwingen ausgerechnet die Vorgaben des eigenen Unternehmens Mitarbeiter dazu, die Autos von Konkurrenzmarken wie BMW zu fahren.
Da sage noch einer, der Kapitalismus sei eine humorlose Angelegenheit, und die Automobilindustrie ein besonders spröder Vertreter dieses Wirtschaftssystems: Dass das so ganz nicht stimmt, beweist derzeit der Daimler-Konzern. Wie die Automobilwoche in Erfahrung gebracht hat, dürfen die dienstwagenberechtigten Führungskräfte der selbständigen Konzerntochter Daimler Truck seit kurzem auch andere Marken wie etwa BMW, Audi oder Skoda als Dienstwagen fahren, nicht mehr ausschließlich – wie seit Jahrzehnten üblich – nur Mercedes-Fahrzeuge.
Die Begründung für diesen Schelmenstreich: Autos mit dem Stern seien als Dienstwagen für die Daimler Truck Geschäftsführung wie für die Führungskräfte teilweise zu teuer geworden. Damit geht eine Ära zu Ende. Zu den ehernen Prinzipien des Daimler Konzerns gehörte seit eh und je der Grundsatz: „Wer bei Daimler schafft“, der fährt, wenn er kann, einen Daimler, und Dienstwagenberechtigte ohnehin. Das galt selbstverständlich auch für Tochtergesellschaften und Zulieferer. Noch heute wird berichtet, dass Zulieferern, die den Daimler Parkplatz an der Hauptverwaltung oder beim Einkauf in einer Fremdmarke ansteuerten, der Zutritt zum Gebäude verwehrt wurde. Dieser Grundsatz wurde jetzt von Daimler Truck abgeschafft.
Laut Automobilwoche hat das Dax-Unternehmen die berechtigten Mitarbeiter im Mai darüber informiert, dass sie nun auch Fahrzeuge anderer Marken wählen können. Nach Schätzungen dürfte es bei Daimler Truck mit über 100.000 Beschäftigten weltweit um Tausende von Fahrzeugen für Manager der Ebenen E1 bis E4 gehen.
Der Vorstand von Daimler Truck reagiert damit auf die Klagen seiner Führungskräfte, denen ein Mercedes als Dienstwagen nach der sprunghaften Verteuerung unter CEO Källenius in den letzten Jahren „schlichtweg zu teuer“ geworden sei. Tatsächlich haben sich die Preise für Mercedes Fahrzeuge in den vergangenen Jahren drastisch erhöht und teilweise hohe Zuzahlungen der Mitarbeiter erforderlich gemacht. Die Mercedes E-Klasse der aktuellen Baureihe, bei Führungskräften in der Vergangenheit der beliebteste Dienstwagen, startete 2019 bei etwa 43.000 Euro. Anfang 2025 lagen die Preise für Basismodelle wie den E 200 bei rund 62.000 Euro, als T-Modell (Kombi) bei etwa 65.500 Euro.
„Mit ein paar Ausstattungspaketen kostet eine E-Klasse schnell über 90.000 Euro, dabei brauche ich so ein Auto gar nicht unbedingt“, so ein Daimler-Truck-Mitarbeiter gegenüber der Automobilwoche. Einen günstigen Mercedes gebe es praktisch nicht mehr, auch nicht in der Kompaktklasse.
Nach der neuen Daimler Truck Dienstwagen-Richtlinie erhalten berechtigte Mitarbeiter ein Mobilitätsbudget, das beispielsweise einem Manager der Ebene 4 das Leasen eines Verbrenners oder eines Elektroautos mit einer bestimmten Ausstattung und zu einer bestimmten Leasingrate im Monat erlaubt. Wer ein teureres Auto wählt, muss aus eigener Tasche draufzahlen.
Mit diesem Budget ist nun dem Mitarbeiter erlaubt, einen andere Marke zu leasen, bei der er das vorgegebene Limit leichter einhalten kann. Hinzu kommt die Möglichkeit, das Mobilitätsbudget in bares Gehalt umzuwandeln, wenn jemand gänzlich auf das Privileg eines Dienstwagens verzichtet.
Natürlich wird intern im Daimler-Konzern an dieser Regelung von Daimler Truck heftige Kritik geübt. Zum einen wegen der Gefahr, dass der direkte Absatz noch stärker schrumpft als bisher, zum anderen weil es zu den erklärten Zielen bei den Premium-Herstellern gehört, so auch im Rahmen der Dienstwagenpolitik bei Daimler, über die Dienstwagen-Schiene Nachschub für den Gebrauchtwagenmarkt der Firmenmarke zu generieren. Bekanntlich lassen sich gepflegte Jahreswagen leichter an Privatkunden verkaufen, denen – ähnlich wie jetzt den Angestellten von Daimler Truck – Daimler-Neuwagen zu teuer sind.
Diese Gefahr ist laut Markt-Insidern real gegeben, erfahrungsgemäß jedoch überschaubar. Daimler Truck selber weist beschwichtigend auf die gemeinsame Historie und die hohe Identifikation mit der Marke Mercedes hin. Hinzu kommt: Da es sich bei den Begünstigten um Führungskräfte handelt, die bekanntlich alle nach höherwertigen Aufgaben streben, dürfte diskrete Repression der Personalabteilung bei der Wahl des richtigen Dienstwagens durchaus hilfreich sein.
Dennoch wirft dieser Vorgang ein bezeichnendes Licht auf die unter CEO Ola Källenius eingeschlagene Hochpreis- und Luxus-Strategie. Da sägt ein Autokonzern sogar intern den Absatz-Ast, auf dem er sitzt, durch seine Hochpreispolitik ab, und zwar zum Stamm hin. Ein Menetekel!
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