Wer ist Daniel Born? Überregional bekannt war der SPD-Landtagsvizepäsident nicht. Bis er ein kleines Hakenkreuz auf einen Stimmzettel malte und deshalb gestern zurücktrat. Aber wie kam der bislang brave Genosse Born zu dieser Hakenkreuz-Obsession?
von Peter Grimm
Am Donnerstag erschütterte ein Skandal den Landtag von Baden-Württemberg. „Nazi-Skandal im Landtag: Abgeordneter schmiert Hakenkreuz auf Stimmzettel“, titelte bild.de. Weiter hieß in dem Bericht:
„Schock im baden-württembergischen Landtag! Bei einer geheimen Abstimmung wurde auf einem Stimmzettel ein Hakenkreuz entdeckt. Das gab Landtagspräsidentin Muhterem Aras (59, Grüne) am Donnerstag im Plenum entsetzt bekannt. „Es widert mich nur an“, kommentierte sie den Skandal. Die Verwendung verfassungsfeindlicher Zeichen sei eine Straftat. „Das ist eine Schande für dieses Parlament“, sagte Aras. Bedauerlicherweise sei es nicht möglich, die Schmiererei einer bestimmten Person zuzuordnen. Die Fraktionen beschuldigen sich jetzt gegenseitig!“
Der Stimmzettel wurde bei der Wahl zum Oberrheinrat, einem Gremium zur politischen Beratung aus Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, dem Elsass und den Kantonen der Nordwestschweiz eingesetzt. Das gilt normalerweise nicht als skandalträchtiges Aufregerthema. Aber nun war das Hakenkreuz da, hinter den Namen eines AfD-Kandidaten gesetzt. Am nächsten Tag herrschte dann Klarheit. Der SPD-Landtagsvizepräsident Daniel Born erklärte:
„Ich habe gestern bei der Wahl zum Oberrheinrat in einer Kurzschlussreaktion einen schwerwiegenden Fehler begangen und hinter dem Namen eines AfD-Abgeordneten ein Hakenkreuzzeichen notiert.“
Genosse Born trat von seinem Vizepräsidentenamt zurück und aus der SPD-Landtagsfraktion aus. Aber was treibt einen bislang anscheinend braven Parteisoldaten dazu, plötzlich verfassungswidrige Symbole auf Stimmzettel zu malen? Eine postpubertäre Lust an der Provokation?
Natürlich nicht. Der gute Daniel ist eigentlich gar nicht schuld, sondern – folgt man seiner Erklärung – am Ende natürlich die AfD, wer sonst? In Born-Prosa klingt das so:
„Die AfD ist eine gesichert rechtsextreme, die Demokratie verachtende Partei und die zunehmende Gewöhnung an die AfD lässt mir keine ruhige Minute mehr. Mich hat – von vielen Beispielen – gestern die Verachtung mit der in einem von mir geleiteten Tagesordnungspunkt seitens der AfD-Rednerin über transsexuelle Kinder gesprochen wurde und die spätere Chaotisierung der Parlamentsarbeit bei den Wahlen, einmal mehr intensiv aufgewühlt. Nur so kann ich mir diese anschließende Kurzschlussreaktion und meinen daraus resultierenden Fehler erklären.“
Selbstredend wollte er mit seiner Hakenkreuz-Kunst eigentlich nur Gutes bewirken:
„In einer Kurzschlußrekation wollte ich vielmehr zeigen, dass Stimmen für die AfD egal bei welcher Wahl immer Stimmen für rechten Hass und Hetze sind.“
Wer ist dieser Mann, der – obwohl im Vizepräsidenten-Amt – zu solchen „Kurzschlussreaktionen“ neigt? Nach den über ihn auffindbaren biographischen Notizen lieferte er bislang so etwas wie einen Musterlebenslauf für den modernen SPD-Funktionär: Geboren 1975 in Speyer, mit 16 Jahren Eintritt in die SPD, nach dem zweiten juristischen Staatsexamen geht’s nicht in die Wirtschaft oder in die eigene Kanzlei, sondern in den Dienst der Bundesagentur für Arbeit, „wo er zuletzt in Karlsruhe die Bereiche Akademische Vermittlung, Berufs- und Studienorientierung an Gymnasien und Beratung im Hochschulteam leitete“, wie Wikipedia verrät.
Gute Anfänge
Vor neun Jahren zog er dann erstmals in den Landtag ein und zu Beginn seiner zweiten Legislaturperiode stieg er in das Amt des Landtagsvizepräsidenten auf. Und natürlich gibt es auch bei Daniel Born ein Leben außerhalb von Partei und Parlament, aber auch das atmet jenen fortschrittlichen Geist der modernen SPD, an dem sie konsequent festhält, auch wenn sie mit ihm in der Wählergunst fortschreitend absteigt.
„Als ich bei einer Fridays-for-Future-Kundgebung sprach, kam mir der Gedanke, dass ich seit meinem 14. Lebensjahr immer wieder demonstriert hatte: Gegen Atomkraft, gegen Rechtsradikalismus, für eine weltoffene Gesellschaft, für mehr Klimaschutz. Vor einigen Jahren traf ich auf einer Demonstration zum ersten Mal meinen heutigen Lebensgefährten. Damals ahnten Markus und ich noch nicht, dass wir uns Jahre später ineinander verlieben würden. Aber wir hatten gemeinsam, dass wir beide die Umwelt retten wollten. Ein guter Anfang.“
Gute Anfänge gab es in seinem Leben offenbar so einige. Als „Kind der 80er Jahre“ sah er sich – laut Selbstbeschreibung nach 1989 berufen, für eine bessere Welt zu kämpfen:
„Jetzt ist unsere Generation gefragt, wir haben eine historische Aufgabe zu erfüllen: Den Klimawandel zurückzufahren und die Welt für kommende Generationen zu erhalten.“
Wer sich hierzulande für berufen erklärt „eine historische Aufgabe zu erfüllen“, lässt erkennen, dass er nicht unter Selbstzweifeln leidet. Genosse Born fühlt sich dazu sicher einfach politisch gefestigt genug. Schließlich hat ihn schon sein Elternhaus geprägt. Man stellt sich vor, dass die Partei irgendwie von Anfang an zur Familie gehörte, wenn man von ihm das Folgende liest:
„Schon als Kind habe ich das SPD-Flugblatt ‚Der Wecker‘ austragen dürfen und in unserem Flur hing ein großes Poster ‚Vertragen statt Rüsten‘.“
Ja und ohne die SPD mochte auch der Heranwachsende sein weiteres Leben offenbar nicht mehr verbringen:
„Gleich an meinem 16. Geburtstag bin ich in die SPD eingetreten – ich wollte keinen Tag länger warten. Seitdem hatte ich eigentlich immer politische Ämter: In Orts- und Kreisvorständen, als Kreis-, Landes- oder Bundesdelegierter. Als 18-Jähriger gründete ich mit Freund*innen eine Juso-Gruppe und wir hatten bald einen ersten Erfolg: die Gründung eines Jugendgemeinderats in unserer Gemeinde. Während des Studiums konnte ich mit einem Nebenjob als Referent der Ratsfraktion Konstanz mehr über Kommunalpolitik lernen. In dieser Zeit war ich auch Juso-Kreisvorsitzender. Danach war ich viele Jahre Gemeinde- und Kreisrat. Insgesamt zehn Jahre war ich Ortsvereinsvorsitzender der SPD und 2013 Bundestagskandidat im Wahlkreis Bruchsal-Schwetzingen. 2016 nominierte mich meine Partei zum Landtagskandidaten im Wahlkreis Schwetzingen und mir gelang nach einem spannenden Wahlabend der Einzug in den baden-württembergischen Landtag.“
Da fällt der Genosse weich
Was für eine tolle Karriere. Soll die jetzt an einem kleinen Hakenkreuz zerschellen? Die Partei hatte ihn ins zweithöchste Landtagsamt gebracht, doch sie bedeutete ihm noch viel mehr:
„Für mich war aber SPD nie nur Einsatz in Gremien – sondern Haltung zeigen und auf die Straße gehen. Natürlich am 1. Mai, wenn wir zeigen, dass die Arbeitnehmer*innenbewegung solidarisch für eine gerechte Welt eintritt. Aber beispielsweise auch am internationalen Frauentag am 8. März und bei den CSDs.“
Für solche Termine wird er künftig ja vielleicht etwas mehr Zeit haben. Allerdings muss er sich natürlich auch darum kümmern, wie es mit dem Broterwerb jetzt weiter geht. Sein Abgeordnetenmandat hat er bislang behalten, aber ob er das durchhält? Ganz so schwer würde ihn auch dieser Verlust nicht treffen, denn sein alter Arbeitsplatz bei der Bundesagentur für Arbeit ist ihm sicher. Das Arbeitsverhältnis ruht nur bis zum Ende seiner Abgeordnetentätigkeit. Und ein Bereichsleiter bei der Bundesagentur für Arbeit dürfte schon deutlich über der Armutsgrenze bezahlt werden. Da fällt der Genosse weich.
Mit seinem Wiedereinzug in den Landtag nach der Landtagswahl am 8. März 2026 ist wohl nicht zu rechnen. Mit einem Hakenkreuz in der politischen Vita ist da nichts zu machen, auch wenn es nur ein ganz kleines Kurzschluss-Hakenkreuz auf einem Wahlzettel war und der „Nazi-Skandal im Landtag“ eigentlich nicht mehr als eine peinliche Provinzposse ist. Aber wie viele Menschen außerhalb des deutschen Südwestens hätten dann niemals etwas von Daniel Born gehört? Da kann er einen gewaltigen Prominenz-Zuwachs verbuchen. Keine Angst, hier folgt jetzt keine Analyse zur Frage, wie wirkmächtig das Hakenkreuz in Deutschland noch ist.
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