Nach fünf Jahren Pause hat das Café „Satz“ im Wohnheim des Studierendenwerks Marburg wieder geöffnet – und sorgt sofort für Gesprächsstoff. Bis April stehen dort Insekten-Gerichte auf der Speisekarte. Grillen, Heuschrecken und Mehlwürmer sollen Gäste zu alternativen Ernährungsformen anregen, doch die Nachfrage bleibt noch verhalten.
von Reinhard Werner
In der Gutenbergstraße 31 betreibt das Studierendenwerk Marburg seit neun Jahren ein Wohnheim. Am 31. Oktober nahm in dessen Erdgeschoss das Café „Satz“ erstmals nach fünf Jahren Pause wieder seinen Betrieb auf. Gleich zu Wiederbeginn wollen dessen Betreiber mit einem kulinarischen Experiment Aufmerksamkeit generieren: Noch bis April stehen auch Insekten auf der Speisekarte.
Insekten in Form von Toppings und Bestandteil von Süßspeisen
Interessierte haben damit ab sofort die Gelegenheit, Hauptgerichte und Salate mit gebratenen Grillen und Heuschrecken als Topping auszuprobieren. Wer es lieber süß mag, kann auch auf Waffeln zurückgreifen, in denen Mehlwürmer verarbeitet sind. Diese ersetzen in einem Brezelangebot des Cafés auch das Salz. Auch in Croissants soll die Zutat zum Einsatz kommen.
Gegenüber der Lokalausgabe Marburg der „Offenbach-Post“ (OP) erklärte Martin Baumgarten, der Leiter Hochschulgastronomie des Studierendenwerks, man beschäftige sich „immer wieder mit alternativen Ernährungsformen“. Insekten seien dabei „eine Form der Ernährung, mit der man seinen Proteinhaushalt sehr gut decken kann“.
Auch Beratung im Vorfeld des Verzehrs gehört zu den Leistungen des Café „Satz“. Entsprechend werden Gäste darüber aufgeklärt, dass Heuschrecken ohne Flügel konsumiert werden sollten. Andernfalls könnten diese im Gaumen steckenbleiben – und sie verleihen der Speise eine papierähnliche Konsistenz.
Eigengeschmack von Heuschrecken und Grillen wenig ausgeprägt
Ein Testesser berichtet in der „Hessenschau“, dass der Eigengeschmack der Insekten wenig ausgeprägt sei. Ein starker Einsatz von Gewürzen sei deshalb erforderlich, um überhaupt eine Geschmackswahrnehmung zu erzeugen.
Die Insekten, die in gefriergetrocknetem Zustand geliefert werden, stammen dem Caféleiter Baumgarten zufolge von einer Farm in Ulm. Der Koch, der in die Zubereitung der Insekten involviert ist, kommt aus Peru – einer der Weltgegenden, in denen Insekten traditionell Teil des Speiseplans sind. Dies trifft auf Teile Asiens, Afrikas und Lateinamerikas sowie auf Ureinwohner Australiens zu.
Günstig sind die Speiseplanalternativen unterdessen zumindest in Marburg nicht. Für ein Mehlwurmtopping verlangt das Café 2,75 Euro, für eines mit Heimchen (Grillen) sogar 3,55 – zusätzlich zum Preis des Salates oder Süßkartoffelgerichts selbst. Eine Waffel mit Mehlwurmteig ist für 2,75 Euro zu haben.
Erhebliche Vorbehalte gegen den Verzehr von Insekten in der Bevölkerung
Die Nachfrage hält sich bis dato noch in Grenzen – auch, wenn die gastronomische Einrichtung nicht nur dem akademischen Publikum offensteht. Damit liegt das Café in Marburg allerdings im gesamtdeutschen Trend. Insekten bleiben in Deutschland bis auf Weiteres ein absolutes Nischenprodukt.
Einer YouGov-Umfrage vom März 2025 zufolge haben erst etwa 8 Prozent der befragten Verbraucher bewusst Insekten gegessen, weitere 13 Prozent haben sie mindestens einmal probiert. Nur 18 Prozent erklären jedoch, sie seien grundsätzlich dafür offen, Insekten in den eigenen Speiseplan aufzunehmen. Auch rechnet nur eine Minderheit von 38 Prozent damit, dass der Konsum von Insekten perspektivisch zunehmen wird – 44 Prozent sehen das nicht.
Bis dato sind in der EU nur vier Insektenarten für die Lebensmittelerzeugung vorgesehen: der gelbe Mehlwurm, die europäische Wanderheuschrecke, der Buffalowurm und die Hausgrille. Die meisten Bäckereien nehmen von Insektenmehl bislang Abstand. Neben Vorbehalten seitens der Kunden spielen auch Kostenfaktoren eine Rolle: Insektenmehl ist nach wie vor deutlich teurer als klassisches Mehl.
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