Deutschland

Neuer Habeck-Plan: Deutsche Schneckenpost

Neuer Habeck-Plan: Deutsche Schneckenpost
Briefe dürfen künftig bis zu vier Tage oder auch länger unterwegs sein.

Die Verschlechterung des Services wird in den Medien noch als Verbesserung verkauft. Leider ist das nicht nur im Falle der Post so. Deutschland hat fertig – aber redet es sich schön.

von Manfred Ulex

Gut kann ich mich noch an die Zeiten erinnern, als ich in der Sowjetunion und später Russland immer wieder staunte, dass Briefe dort mehrere Tage unterwegs waren – und meinen russischen Freunden gerne erzählte, dass in Deutschland ein normaler Brief fast immer am nächsten Tag beim Empfänger ist. Egal, ob er innerhalb von München verschickt wird oder von Berchtesgaden nach Cuxhaven geht. Und jetzt? Pustekuchen!

Geradezu symbolisch für den Niedergang der Bundesrepublik ist eine Nachricht, über die ich gerade gestolpert bin: „Das Bundeswirtschaftsministerium stellte am Freitag einen Reformvorschlag zum Postgesetz vor, demzufolge die Post weniger Zeitdruck bei der Beförderung von Briefen haben soll“, schreibt „finanzen.net“.

Das ist sehr euphemistisch ausgedrückt. Und nur der besonders gründliche Leser erfährt weiter unten, quasi im Kleingedruckten, was wirklich Sache ist: „Bisher muss der Konzern mindestens 80 Prozent der eingeworfenen Schreiben am folgenden Werktag zustellen. Diese Vorgabe soll wegfallen. Stattdessen soll die Post mindestens 95 Prozent der Briefe am dritten Werktag nach Einwurf bei den Empfängern abgegeben haben. Am vierten Werktag sollen es 99 Prozent sein.“

Mit anderen Worten: Selbst eine Zustellung am vierten Werktag nach Einwurf ist künftig noch in Ordnung. Jeder hundertste Brief darf sogar noch länger dauern.

Und die Kollegen von „finanzen.net“ bringen sogar das heute leider übliche Kunstwerk zustande, die massive Verschlechterung noch als Verbesserung zu verkaufen: „So einen hohen Pflichtwert gibt es bisher nicht. Er dürfte die Post aber nicht vor ernsthafte Probleme stellen.“ Für wie blöd halten die Kollegen ihre Leser?

Kaschiert wird der Abbau von Service mit „Klimaschutz“, also dem Schutz des Wetters. Und mit Einsparungen – was zu den ständigen Portoerhöhungen passt wie eine Faust aufs Auge: „Mit dem geringeren Zeitdruck kommt das Ministerium dem Konzern entgegen, der dadurch Kosten senken und auf seine Nachtflieger verzichten kann, die zur Briefbeförderung durch Deutschland fliegen und das Klimagas CO₂ ausstoßen.“

Wenn Baerbock & Co. mit Regierungsflugzeugen statt mit Linie durch die Welt düsen, stört der CO₂-Ausstoß nicht. Aber beim Brieftransport für das gemeine Volk, den Pöbel. Tatsächlich sinkt die Zahl der Briefe durch die Digitalisierung und die Post ist verpflichtet, bundesweit weiter alles auch in die entlegensten Winkel zuzustellen – und dafür Personal und Technik vorzuhalten. Dass deshalb gewisse Abstriche notwendig sind, ist klar.

Andererseits: Bei den Paketen ist es genau andersherum. Die Zahl steigt ständig – aber die Preise auch. Obwohl sie nach der Logik, die von der Post bei Briefen angewandt wird (weniger Briefe = höhere Preise) ja eigentlich sinken müssten. Schon bisher war die Zustellung am nächsten Tag keine Selbstverständlichkeit und wurde nur noch gegen Aufpreis halbwegs sicher angeboten. Aber müssen die Brieflaufzeiten derart verlängert werden?

Als ich kürzlich mein neues Buch an Freunde verschickte, als normalen Brief, kam es bei manchen erst nach einer Woche an. In zwei Fällen sogar noch später. Das ist offenbar das neue Normal in Deutschland, nicht nur bei der Post. Ein massiver Niedergang – der allerdings von vielen verdrängt und beschönigt wird.

Richtig Spitze ist die Bundesrepublik bald vielleicht nur noch in eben dieser Sparte – beim Beschönigen. Eines der schönsten Beispiele dafür ist diese Schlagzeile, die kürzlich in der Wirtschaftswoche zu finden war, die zum „Handelsblatt“ gehört: „Die Zahl der Depressionen steigt – warum das sogar ein gutes Zeichen ist.“ In der Google-Vorschau ist das Framing für den Bericht ähnlich: „Depressionen: Zahlen steigen – warum das kein Alarmzeichen ist.“

Die Begründung für diese absurde Logik – dass einfach mehr Menschen zum Psychologen gehen würden – halte ich für vorgeschoben und absurd. Besonders deutlich wird die Irreführung der Leser angesichts der Tatsache, dass im ganzen Artikel nur einmal das Wort „Corona“ fällt. Und auch da noch beschwichtigend: „Zwar hätten insbesondere die Maßnahmen in der Coronapandemie das Leben von Erkrankten zusätzlich erschwert. Für das erstmalige Auftreten einer Depression sind äußere Faktoren aber weniger relevant als gemeinhin angenommen.“ Echt?

Längere Postlaufzeiten als höhere Mindeststandards, mehr Depressionen als gutes Zeichen – welche absurden Blüten wird diese Sprach-Trickserei im Geiste der DDR noch treiben? Mehr Lebensglück durch Verzicht auf Wohlstand (den die Grünen als Ziel gerade aus ihrem Programm streichen)? Armut als der neue Reichtum? Mehr Gewaltkriminalität – mehr Abenteuer? Wir leben nicht im „besten Deutschland aller Zeiten“, wie Bundespräsident Steinmeier sagt. Sondern im absurdesten.

Retten Sie das Meinungsklima!

Ihnen gefallen unsere Inhalte? Zeigen Sie Ihre Wertschätzung. Mit Ihrer Spende von heute, ermöglichen Sie unsere investigative Arbeit von morgen: Unabhängig, kritisch und ausschließlich dem Leser verpflichtet. Unterstützen Sie jetzt ehrlichen Journalismus mit einem Betrag Ihrer Wahl!

🤝 Jetzt Spenden

Neu: Folge uns auf GETTR!

GETTR – 100% Meinungsfreiheit! zensurfrei · unabhängig · zuverlässig
Teilen via