Hintergründe

Der größte Raub aller Zeiten: Deutsche Patente in amerikanischer Hand

Der größte Raub aller Zeiten: Deutsche Patente in amerikanischer Hand
Das Hauptquartier der amerikanischen Streitkräfte in Deutschland im ehemaligen IG-Farben-Gebäude in Frankfurt a. Main, Frühjahr 1949.

Die USA stahlen nach Kriegsende hunderttausende deutsche Patente, ohne die ihr Aufstieg zur Weltmacht kaum möglich gewesen wäre – und entführten unsere besten Erfinder. Besonders einer von ihnen schrieb Geschichte.

von Stephanie Eckhardt

Wissenschaftliche Höchstleistungen und technische Erfindungen, die die Welt veränderten: Um das Genie der Deutschen wussten auch die Amerikaner und landeten 1945 einen der größten Coups ihrer Geschichte, indem sie geistiges Eigentum aus dem Land der Dichter und Denker raubten.

Tausende Techniker mussten über den Großen Teich.

Das Deutsche Reich war in Wissenschaft und Technik allen anderen Nationen haushoch überlegen, mit 47 Nobelpreisen zwischen 1900 und 1945, die meisten in Physik, Chemie und Medizin (darunter Max Planck, Werner Heisenberg, Robert Koch und Wilhelm Conrad Röntgen) sowie einer unglaublichen Fülle an neuartigen Forschungen und industriellen Verfahrensweisen.

Bei Nacht und Nebel

Dezember 1943: In der Dunkelheit und bei Schneeregen halfen Wehrmachtssoldaten dem Reichspatentamt, geheime Akten im hessischen Heringen zu verstecken. Sie lagerten die Dokumente in dem über 500 Meter tiefen Schacht eines Salzbergwerks ein und türmten zahlreiche Kanister mit Chemikalien darüber. Mindestens 250.000, wenn nicht 320.000 Erfindungen umfasste dieser Schatz, weitere 180.000 Dokumente verbrachten die Männer nach Niederschlesien, ins Kloster von Striegau und in die Stadt Jauer.

April 1945: Tausende amerikanische Soldaten und US-Spezialisten durchforsteten deutsche Betriebe nach Maschinen und technischen Erfindungen und beschlagnahmten in Heringen die Schätze. Eine US-Mannschaft nahm die Patente sicherheitshalber auf Mikrofilm auf: Das Papier hätte sich auflösen können, und es waren hunderttausende Seiten, die nicht so schnell transportiert werden konnten. Danach verluden sie die Akten in Güterwaggons und verschifften diese weiter nach Amerika, dazu kamen über 145.000 noch nicht vollständig bearbeitete Patentakten aus der Berliner Zentralbehörde. Menschenraub inklusive: Die Amerikaner nahmen tausende deutsche Techniker und Wissenschaftler mit über den Großen Teich: zur Bedienung der drüben meist unbekannten Maschinen und zur Umsetzung ihrer Forschungsarbeit.

Es war die Ausplünderung einer besiegten Nation.

Dieser Raubzug umfasste auch militärische Entwicklungen der Deutschen wie Nuklearwaffen, Raketen, Düsenjets oder U-Boote. Gipfel der Dreistigkeit: US-Präsident Truman schmückte sich mit fremden Federn: «Wir haben die Atombombe erfunden», log er in einer Fernsehansage nach dem Nukleareinsatz von Hiroshima und Nagasaki – und verschwieg die Grundlagenarbeiten von Otto Hahn. Der Nobelpreisträger des Jahres 1944 wurde «Vater der Kernchemie» genannt und ist einer der bedeutendsten Wissenschaftler des 20. Jahrhunderts.

Fette Beute

Die US-Räuber durchstöberten hunderttausende wertvolle Geheimdokumente, hier einige Beispiele:

  • Vakuum-Röhren aus sogenanntem schwerem Porzellan, anders als die Ami-Funzeln unzerstörbar und tausend Watt stark.
  • Magnetofon-Bänder aus Kunststoff und mit Eisenoxyd metallisiert, die in Deutschland bereits die Schallplatten verdrängt hatten.
  • Infrarotsichtgeräte, mit denen Autos in der Dunkelheit mit jeder Geschwindigkeit fahren konnten. Sie erkannten auf zweihundert Meter jedes Hindernis, Panzer konnten weit entfernte Ziele ausmachen, Scharfschützen in absoluter Dunkelheit zielen.
  • modernste elektrische Kondensatoren, millionenfach benötigt von der Radar- und Radio-Indus­trie: Die Deutschen hatten sie aus Papier mit vaporisiertem Zink überzogen hergestellt, damit waren sie 40 Prozent kleiner und 20 Prozent billiger als die der Konkurrenz sowie nahezu unverwüstlich. Ging einer kaputt, vaporisierte der Überzug und das Papier isolierte – so brachte sich der Kondensator von selbst wieder in Ordnung und arbeitete auch bei Störungen mit 50 Prozent höherer Voltzahl als alle anderen Geräte auf dem Weltmarkt. Den amerikanischen Fachleuten kam allein diese deutsche Erfindung vor wie Magie.
  • Eine lange Reihe chemischer Verfahren zur Herstellung von synthetischem Treibstoff, Gummi, Textilien und Kunstleder oder auch ein revolutionäres Verfahren zur Metallverarbeitung, der sogenannte Kalt-Ausstoß-Prozess, verwendet beispielsweise für Radiorahmen. Die Amerikaner mussten diese bislang in mehreren Arbeitsgängen mit einer Schneidemaschine herstellen, Löcher stanzen und anpassen, während die Deutschen auf einer einzigen Presse die Herstellungszeit tausendfach verkürzten. Allein dieses kleine Verfahrensgeheimnis revolutionierte die metallverarbeitenden Industrien der USA.
  • Eine Vielzahl von Präzisionsgeräten und Patenten in den Segmenten Chemie, Physik und Elektronik trieben den Amis Dollarzeichen in die Augen wie bei Dagobert Duck – nie zuvor und danach sahen sie eine solche Sammlung geheimer Herstellungsanleitungen für flüssige und feste Brennstoffe, Metallurgie, Chemikalien, Kunststoffe und Farben.
  • Nicht weniger revolutionär waren die Funde im Bereich Medizin und Nahrungsmittel. So hatten die Deutschen bereits eine fortgeschrittene Konservierungs- und Gefriertechnik für die Versorgung ihrer Mannschaften in den U-Booten entwickelt, die der Lebensmittelindustrie Billionen Umsatz bringen sollte. Auch die Geheimnisse deutscher Pharmakologen und Mediziner zur Herstellung von synthetischem Blut-Plasma und neuer Medikamente nahmen die US-Räuber mit.

Amerikanische Geschäftsleute stürzten sich auf die Patente wie die Geier, nachdem sie von Präsident Truman der Öffentlichkeit preisgegeben wurden. So bekam die Bendix Corporation in Indiana den automatischen Schallplattenwechsler, Pillsbury riss alles über deutsche Mehl- und Brotherstellung an sich, die Kendall Manufacturing Company war scharf auf unsere Insektizide, und eine Pioneer Hi-Bred Corn Company aus Iowa wollte alles, was Forscher der landwirtschaftlichen Hochschule in Hohenheim herausgefunden hatten. Die Pacific Mills verlangten das Produkt der IG-Farben, mit dem Kunstseide wasserdicht und knitterfest gemacht werden kann, und die Polaroid Company übernahm die Erfindungen von Zeiss. Fazit: Die deutschen Erfindungen brachten US-Fabrikanten unermessliche Profite. Dagegen lässt sich der riesige Schaden für Deutschland bis heute nicht mehr beziffern.

Der Mond ist ein Deutscher

Am brennendsten interessierten sich Trumans Diebe jedoch für die deutsche Luftfahrt- und Raketentechnik, vor allem deren Leiter Wernher von Braun. «Die V2-Rakete, mit der London bombardiert wurde», so eine Veröffentlichung der Army Air Force, «war nur ein Spielzeug verglichen mit dem, was die Deutschen noch in der Hinterhand hatten». Bei Kriegsende hatten Deutschland 138 Raketen-Typen im Entwicklungs- und Herstellungsstadium. Wernher von Brauns A-4-Geschoss, das zur Massenproduktion kommen sollte, war 14 Meter lang, wog über zwölf Tonnen, stieg auf 100 Kilometer Höhe und erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von über 5.000 Kilometern pro Stunde. Sein Geheimnis war ein Triebwerk auf Basis von flüssigem Sauerstoff. Ein Fernbomber also, der binnen 40 Minuten von Deutschland nach New York geflogen wäre – und künftig der Air Force Angriffe auf Moskau ermöglichen sollte.

Bis Kriegsende hatten die Deutschen 138 Raketen entwickelt.

Mai 1945: Die deutschen Experten wurden in Garmisch-Partenkirchen von den Amerikanern verhört – dabei interessierten diese sich ausschließlich für Raketentechnik, nicht für deren NS-Vergangenheit. Wernher von Braun selbst kam jedoch nicht nach Oberbayern und wurde stattdessen im Juni 1945 ins nordhessische Witzenhausen gebracht, wohin die Amerikaner auch die Raketeningenieure aus Thüringen holten, bevor dieser Gau, wie in der Konferenz von Jalta vereinbart, der sowjetischen Besatzungszone zufiel. Von Braun blieb mit Walter Dornberger und weiteren Ingenieuren unter strenger Bewachung, bis alle zusammen von den Yankees im September 1945 in die USA geflogen wurden (bekannt als Operation Overcast).

Unternehmen Patentenraub
Unsere Buchempfehlung: „Unternehmen Patentenraub“ von Friedrich Georg

In Texas standen sie unter Aufsicht der US Army. Bis Anfang 1946 wurden über hundert weitere Raketentechniker eingeflogen, um den Amis ihr Wissen zu vermitteln. Als Wernher von Braun 1947 seine Familie in Deutschland besuchen und dort seine Verlobte heiraten wollte, stand er die ganze Zeit unter militärischer Bewachung. Im März 1947 heiratete er in seiner Heimat, doch anschließend mussten er und seine Ehefrau zurück über den Großen Teich.

Von Braun blieb in Amerika, es gab kein Zurück mehr. Er brachte die amerikanische Raumfahrt und Raketentechnik mächtig nach vorn, war 1953 für mehr als 1.000 Mitarbeiter verantwortlich und erhielt 1955 die amerikanische Staatsbürgerschaft. Er entwickelte weitere Raketen wie die Mittelstreckenrakete Jupiter mit präzisionsgelenkter Munition und einer auf 2.410 km vergrößerten Reichweite.

Im Juli 1958 wurde die Luft- und Raumfahrtbehörde NASA gegründet, die von Braun und seine Mannschaft leiteten – sie ermöglichten den USA erstmals den Flug eines Astronauten in den Weltraum. Wernher von Braun überzeugte US-Präsident John F. Kennedy, auf eine Mondlandung hinzuarbeiten, und baute ihm mit der Saturn V die Trägerrakete dafür. Im Juli 1969 flogen mit der Mission Apollo 11 die ersten Menschen zum Mond. «Der Mond ist ein Ami», titelte Bild damals. Es ist jedoch ein Deutscher!

Mehr lesen über

🆘 Unserer Redaktion fehlen noch 76.250 Euro!

Um auch 2025 kostendeckend arbeiten zu können, fehlen uns aktuell noch 76.250 von 125.000 Euro. In einer normalen Woche besuchen im Schnitt rund 250.000 Menschen unsere Internetseite. Würde nur ein kleiner Teil von ihnen einmalig ein paar Euro spenden, hätten wir unser Ziel innerhalb kürzester Zeit erreicht. Wir bitten Sie deshalb um Spenden in einer für Sie tragbaren Höhe. Nicht als Anerkennung für erbrachte Leistungen. Ihre Spende ist eine Investition in die Zukunft. Zeigen Sie Ihre Wertschätzung für unsere Arbeit und unterstützen Sie ehrlichen Qualitätsjournalismus jetzt mit einem Betrag Ihrer Wahl – einmalig oder regelmäßig:

🤍 Jetzt Spenden

Das könnte Sie interessieren!👌😊

Teilen via