Hintergründe

Deutsche Waffen aus Bundeswehrbeständen für den Islamischen Staat

Deutsche Waffen aus Bundeswehrbeständen für den Islamischen Staat

Was die Bundesregierung partout vermeiden wollte, ist genau jetzt eingetreten: Waffen aus Bundeswehrbeständen sind bei IS-Kämpfern entdeckt worden. Hätte man den bisher geltenden deutschen Grundsatz eingehalten – keine Waffen in Kriegsgebiete –, wäre dieser Skandal nie passiert. Kurden fanden nach einem Gefecht mit dem IS die Helmkamera eines Dschihadisten. Auf dem sichergestellten Film ist neben den IS-Kämpfern auch ein deutsches MG zu sehen, berichtet die österreichische Tageszeitung Die Presse.

Das etwa sechs Minuten lange Video zeigt die Männer in einem gepanzerten, oben offenen Fahrzeug, wie sie neben anderen ähnlichen Wagen über eine braune Ebene fahren und dabei schießen, vermutlich auf Stellungen der kurdischen Miliz Peschmerga.

Die IS-Kämpfer führen, wie man mehrfach sieht, auch ein Maschinengewehr deutscher Bauart mit sich, höchstwahrscheinlich ein MG 3 von Rheinmetall.

Weder die irakische noch die syrische Armee besitzt solche Waffen, allerdings hat Deutschland im Jahr 2014 mindestens 40 MG 3 im Rahmen eines noch größeren Waffenpakets an die kurdischen Peschmerga geliefert.

Das MG 3 kann also von dort an den IS gelangt sein – ob als Kriegsbeute oder auf dem Schwarzmarkt gekauft, wir werden es vermutlich nie erfahren.

Deutsche Waffen für den Krieg

Die Peschmerga sollten ausreichend Waffen erhalten, um einen Großverband von 4000 Soldaten auszustatten, hatten Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Außenminister Frank-Walter Steinmeier Ende August 2014 in Berlin erklärt. Insgesamt haben die seit dem Jahr 2014 an die Kurden gelieferten Rüstungsgüter aus Bundeswehrbeständen einen Wert von 70 Millionen Euro. Strategisches Ziel der deutschen Waffenlieferungen sei – so von der Leyen damals –, dass die Peschmerga ihr Territorium gegen den Ansturm der Islamisten halten und begrenzt auch verlorenes Gebiet zurückerobern könnten.

Die erste deutsche Lieferung umfasste 30 Milan-Systeme mit 500 Raketen, die eine Reichweite von zwei Kilometern haben, 200 Panzerfäuste des Typs 3 mit einer Reichweite von einigen hundert Metern, 40 schwere Panzerfäuste, 10 000 Handgranaten, 40 Maschinengewehre des Typs MG 3, 8000 moderne Sturmgewehre des Typs G36, 8000 ältere G3-Sturmgewehre, 8000 ältere Pistolen des Typs P1, 60 Geländewagen, Unimogs, einen Tanklaster und fünf ältere gepanzerte Patrouillenfahrzeuge des Typs Dingo 1. Später kamen noch einmal 20 000 Sturmgewehre und 8000 Pistolen hinzu, wie der Sprecher des Verteidigungsministeriums Jens Flosdorff mitteilt. Die jüngste Waffenlieferung an die kurdischen Aufständischen war Ende des ersten Quartals 2016 verschickt worden.

https://www.youtube.com/watch?v=sV_5E0rsXxw

Dummerweise tauchten einige dieser Waffen bereits im Jahr 2015 auf Waffenmärkten auf. Das Handelsblatt vermeldete unter Berufung auf den NDR, dass Augenzeugen in den nordirakischen Städten Erbil und Suleymanija ungehindert unter anderem Sturmgewehre des Typs G3 und eine Pistole des Typs Walther P1 mit der Gravierung »Bw«, das für Bundeswehr steht, kaufen konnten. Die Sturmgewehre würden für 1450 bis 1800 US-Dollar angeboten, während eine P1-Pistole in Originalverpackung 1200 Dollar kosten würde.

Das Verteidigungsministerium räumte ein, dass diese Waffen aus einer Lieferung der Bundesregierung an die kurdische Autonomieregierung von 2014 stammen könnten. Die Opposition im Bundestag forderte damals einen sofortigen Stopp aller Lieferungen von Waffen in den Irak, da diese in die Hände von Terroristen, schlussendlich gar von IS-Kämpfern, geraten könnten. Gestoppt wurden diese Lieferungen allerdings nicht.

Stammen die MG aus der Türkei?

Auch die türkische Armee benutzt das MG 3. Die Türkei steht seit Langem im Verdacht, den IS auszurüsten. Am 21. April warf der syrische Premier Wael al-Halki der Türkei (neben Saudi-Arabien und Katar) vor, den IS zu unterstützen. Ihm zufolge waren mehr als 5000 Extremisten in nur einer Woche – Mitte April – über die türkische Grenze in die syrischen Provinzen Aleppo und Idlib gekommen.

Im Februar 2015 hatte General Wesley Clark, der ehemalige Oberbefehlshaber der NATO-Streitkräfte in Europa, in einem CNN-Interview gesagt: »Der IS begann, indem unsere Freunde und Alliierten ihn finanzierten …«

Am 14. August 2015 melden die Deutschen Wirtschafts Nachrichten: »Das Terrornetzwerk Islamischer Staat (IS) finanziert sich durch illegale Ölverkäufe und nimmt so rund drei Millionen Dollar am Tag ein. Sowohl das NATO-Mitglied Türkei als auch die US-Geheimdienste dulden den Ölschmuggel stillschweigend«, heißt es in dem Beitrag weiter.

Die Regierung der Autonomen Region Kurdistan (ARK) im Norden des Irak und der türkische Militärgeheimdienst hätten den verdeckten IS-Ölschmuggel unterstützt und die Terrorgruppe darüber hinaus mit Waffen und Ausrüstung versorgt.

Ein hoher Beamter mit Verbindungen zum Büro des türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoğlu bestätigte gegenüber dem MiddleEastEye, dass die Unterstützung der Türkei für islamistische Rebellen im Kampf gegen Assad von entscheidender Bedeutung für den rasanten Aufstieg des IS war.

»Die Türkei spielt ein doppeltes Spiel mit ihrer Syrien-Strategie«, so der türkische Offizielle. »Das Ausmaß der IS-Schmuggeloperationen über die türkisch-syrische Grenze ist enorm, und vieles davon geschieht mit der Zustimmung von Erdoğan und Davutoğlu, die in den Islamisten eine Möglichkeit sehen, den türkischen Einfluss in der Region auszudehnen.«

Es ist also durchaus möglich, dass die Maschinengewehre, die jetzt bei den IS-Kämpfern entdeckt wurden, aus der Türkei geliefert wurden. Genauso möglich ist jedoch, dass sie über den Umweg der Peschmerga beim IS gelandet sind.

Der Vorfall zeigt – wie schon bei den Waffenlieferungen an Saudi-Arabien –, dass die Bundesregierung keine Skrupel mehr hat, Waffenverkäufe in Kriegsgebiete zu genehmigen und damit ein jahrzehntelang geltendes Prinzip beiseite zu wischen.

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