International

„BRICS ist zu einer echten Alternative zur EU geworden“

„BRICS ist zu einer echten Alternative zur EU geworden“
Der serbische Vizepräsident Aleksandar Vulin trifft den russischen Präsidenten Wladimir Putin, September 2024

Der Vize-Ministerpräsident Serbiens, Aleksandar Vulin, erklärt im Interview, wieso er sich weiterhin für die Neutralität seines Landes einsetzen will. Und wieso dazu auch enge Beziehungen zu China, Russland und weiteren BRICS-Ländern notwendig sind.

von Filip Gaspar

Als Chef des serbischen Geheimdienstes ABI und Befürworter engerer Beziehungen zwischen Belgrad und Moskau verhängten die USA einst persönliche Sanktionen gegen Sie. Der Vorwurf: Beteiligung an illegalem Waffen- und Drogenhandel. Sie sind Ende 2023 von Ihrem Amt zurückgetreten, um zu verhindern, daß die USA Sanktionen gegen Serbien verhängen. Wie kam es dazu? 

Aleksandar Vulin: Die USA haben keinen Grund, sich als moralische Macht zu betrachten, aber sie haben Macht. Politischen Dissidenten zufolge sind die USA ein Beispiel für die Dominanz der Gewalt über das Recht. Unmittelbar nach Einführung der Sanktionen forderte die oberste Staatsanwaltschaft Serbiens die USA auf, ihnen etwaige Urteile oder Verfahren gegen mich vorzulegen, um die Ermittlungen fortzusetzen oder meine Strafverfolgung einzuleiten. Sie bekamen kein einziges Antwortschreiben. Wenn ich ein Krimineller wäre, wie die USA es sagen, dann müßten meine kriminellen Aktivitäten weitergegangen sein. Und bis vor einem Jahr haben die USA in verschiedenen Ministerien und dem Geheimdienst, den ich leitete, ohne den geringsten Einwand mit mir zusammengearbeitet. Das wird auch weiterhin so sein.

Seit April 2024 sind Sie stellvertretender Ministerpräsident Serbiens. Wie sehen Sie Ihre politische Zukunft?

Vulin: Ich werde meine Politik nicht ändern und nicht aufhören, mich für die Vereinigung der Serben, der serbischen Welt, militärische Neutralität und engste Beziehungen zu Rußland und China einzusetzen. Im Gegensatz zu den USA und der Nato haben Rußland und China uns weder bombardiert noch von uns verlangt, den Kosovo anzuerkennen oder auf die Republika Srpska (bosnische Teilrepublik, Anm. der Redaktion) zu verzichten. In dem Maß, in dem Serbien seine unabhängige Politik verlieren und zu einer Kolonie ohne eigene Interessen werden würde, könnte sich auch mein politischer Spielraum verringern. Solange Serbien unabhängig ist, wird es Spielraum für mein Handeln geben. Ich bin der Lackmustest für die Unabhängigkeit Serbiens.

„Serbien ist ein militärisch neutrales Land“

Wie sieht Serbien seine Rolle angesichts seiner Abhängigkeit von russischen Energieressourcen?

Vulin: Europa ist auf russische Energiequellen angewiesen, weshalb der Import von Energiequellen aus Rußland jedes Jahr zunimmt. Die Zerstörung der Nord-Stream-2-Pipeline erfolgte, um die deutsche Wirtschaft zu schwächen und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu zerstören, die durch den durch wirtschaftliche und politische Maßnahmen erkauften Kauf von billigem Gas aus Rußland jahrzehntelang höher war. Das Schweigen der EU und Deutschlands zur Zerstörung von Nordm Stream 2 zeigt, daß die EU zu einer Ansammlung von Territorien und nicht zu einem Staat geworden ist.

Die Rolle Serbiens hierbei? 

Vulin: Serbien ist ein militärisch neutrales Land, das dank des Mutes von Aleksandar Vučić, dem Präsidenten Serbiens, keine Sanktionen gegen Rußland verhängt hat, und dank dessen können wir eine unabhängige Wirtschaftspolitik betreiben. Ich bin ein Euroskeptiker, aber die Regierungskoalition in Serbien ist fest entschlossen, die EU-Mitgliedschaft zu erreichen, und wir werden dies auch weiterhin tun, aber wir werden nicht aufhören, uns um unsere Interessen zu kümmern. Es klingt egoistisch, aber wir haben von den Besten gelernt. Unsere jahrelange Zusammenarbeit mit der EU hat eindeutig zu Ergebnissen geführt. 

Wie will Serbien das Gleichgewicht zwischen den USA und Rußland aufrechterhalten, ohne in geopolitische Spannungen hineingezogen zu werden?? 

Vulin: Serbien läßt sich nicht in die Konflikte anderer Mächte hineinziehen. Man kann uns nicht erklären, daß die Grenzen der Ukraine heilig sind und die Grenzen Serbiens nicht, und daß wir aufgrund der ukrainischen Grenzen zum Feind Rußlands werden sollten, das auf internationaler Ebene unseren Kampf für die Wahrung unserer Grenzen unterstützt. 1999 versuchte die Nato, Serbien zu töten, aber sie tötete damit das Völkerrecht. Wir alle leben mit diesem Verbrechen, aber Serbien trägt keine Schuld.

„Die BRICS-Staaten fordern kein einziges politisches Zugeständnis“

Wie sehen Sie die Beziehungen zwischen Serbien und Deutschland angesichts des Wählerverlusts traditioneller Parteien in Deutschland?

Vulin: Serbien kritisiert nicht die Wahl der Bürger eines Landes, schon gar nicht Deutschlands. Wer sind wir, den Deutschen zu sagen, wen sie wählen sollen? Deutsche Diplomaten und Politiker kommentieren oft unsere Wahlen, aber wir tun dies nicht gegenüber den Bürgern Deutschlands. Natürlich werden wir mit jeder Partei zusammenarbeiten, die von den Bürgern Deutschlands gewählt worden ist, und ich persönlich glaube, daß sowohl die AfD als auch das Bündnis Sahra Wagenknecht so gut wie möglich über Serbien, unsere Probleme und Einstellungen informiert sein sollten, und ich freue mich auf die Gelegenheit dazu.

Welche strategischen Vorteile sieht Serbien in einer möglichen BRICS-Mitgliedschaft, und wie könnte sich diese auf die geopolitische Ausrichtung des Landes auswirken? 

Vulin: BRICS ist immer noch eine Wirtschaftsplattform ohne solide Struktur. Aber die Stärke ihrer Mitglieder und ihr wirtschaftliches Potential sind so groß, daß BRICS zu einer echten Alternative zur EU geworden ist. Serbien wäre unverantwortlich, wenn es nicht alle Möglichkeiten der BRICS-Staaten prüfen und die Möglichkeit des Zugangs zu den BRICS-Märkten und -Finanzen ignorieren würde. Die BRICS-Staaten fordern zudem von Serbien kein einziges politisches Zugeständnis, und sie können sogar mehr bieten, als wir verlangen können. Die EU verfolgt eine andere Politik und sollte darüber nachdenken, damit Serbiens europäischer Weg aufgrund der Erpressungs- und Konditionierungspolitik nicht mit der Vollmitgliedschaft in den BRICS endet.

Wir können nur mit Ihrer Hilfe überleben!

Ihnen gefallen unsere Inhalte? Zeigen Sie Ihre Wertschätzung. Mit Ihrer Spende von heute, ermöglichen Sie unsere investigative Arbeit von morgen: Unabhängig, kritisch und ausschließlich dem Leser verpflichtet. Unterstützen Sie jetzt ehrlichen Journalismus mit einem Betrag Ihrer Wahl!

🤍 Jetzt Spenden

Unsere Buchempfehlung

Teilen via