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Reisebericht: In Syrien herrscht kein Bürger-, sondern ein illegaler Angriffskrieg des Westens

Reisebericht: In Syrien herrscht kein Bürger-, sondern ein illegaler Angriffskrieg des Westens
Eine Explosion erschüttert die syrische Stadt Kobani

In Syrien herrscht kein Bürgerkrieg, sondern ein illegaler Angriffskrieg des Westens, dies ist das Fazit von Eva und Markus Heizmann. Anfang Oktober 2016 besuchten sie für elf Tage Syrien. Kurz nach der Reise traf die Autorin Regine Naeckel das Ehepaar in Basel. Beide waren sichtlich bewegt. Ihre Erfahrungen sind subjektiv – und sie stehen in völligem Widerspruch zur «offiziellen Version» von Medien und Politik. Ein Grund mehr, ihnen – durchaus kritisch – zuzuhören.

von Regine Naeckel

Ursprünglich hatte sich das Ehepaar aus Arlesheim im September 2015 nur an einer Spendenaktion für notleidende Menschen beteiligt. Die Nonnen des Klosters Mar Yakub nördlich von Damaskus baten um Hilfsgüter, die sie an Bedürftige verteilen wollten – unabhängig von deren Religion oder Ethnie. Nachdem die Lieferung nach Latakia verschifft, von den Klosterfrauen abgeholt und verteilt war, kam aus Syrien eine Einladung. Die Initianten der Aktion sollten sich das Kloster und die Projekte doch einmal anschauen. Sofort wurden Reisepläne geschmiedet.

Ausser Eva und Markus Heizmann kam auch Henriette Koller mit. Sie spricht Arabisch, Eva und Markus sprechen Englisch und Französisch – so war die Verständigung gewährleistet. Denn schnell war klar: Wenn schon nach Syrien, dann nicht nur um das Kloster zu besuchen. Sie wollten auch nach Damaskus, Aleppo, Tartus, und vor allem einen Konvoi mit Hilfsgütern in Dörfer südöstlich von Aleppo begleiten. Die Einreise erfolgte von Beirut aus, dort nahm sie ein Pfarrer und dessen Frau in Empfang. Schon während der Autofahrt nach Syrien entwickelte sich ein herzliches Verhältnis, das Hotel wurde spontan abgesagt und sie waren Gäste im Pfarrhaus. Der Pfarrer war es auch, der die ersten Kontakte zu verschiedenen Persönlichkeiten vermittelte, mit denen die Gruppe sprach. Gleich am nächsten Tag brachte er sie in die Hafenstadt Baniyas, nördlich von Tartus.

Vonseiten der syrischen Behörden gab es keinerlei Restriktionen. Das wurde gleich am ersten Tag deutlich und bestätigte sich während der gesamten Reise. Ganz im Gegenteil: Die kleine Gruppe aus der Schweiz wurde ermuntert, zu besuchen, was und wen sie wollte, mit jedem zu sprechen und Fragen zu stellen.

So kam es zu ausführlichen Begegnungen mit Menschen auf der Strasse, mit Bauern, Arbeitern, aber auch mit Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Sie trafen unter anderem den Militärkommandanten der Garnison von Baniyas, den Gouverneur der Provinz Tartus, den Direktor und das Leiterteam des Spitals von Baniyas, den Bischof der melkitischen Kirche in Aleppo, eine Parlamentarierin und einen Parlamentarier des nationalen Parlaments und viele andere mehr.

Eines war augenfällig: Mit wem sie auch sprachen, niemand beschrieb die Situation in Syrien als «Bürgerkrieg», wie es westliche Medien gerne tun. Vielmehr machen die Menschen Terrorgruppen, die vor allem über die Grenze zur Türkei ins Land kommen, für den Krieg verantwortlich – deren einziges Ziel sei Zerstörung. Die Terroristen kämen aus fast hundert Ländern, nur ein paar wenige Syrer seien darunter. Wo sie einfallen, geschieht das immer nach dem gleichen Plan. Zuerst wird die Wasserversorgung zerstört, dann Schulen und Spitäler, anschliessend die weitere Infrastruktur. Sie überfallen Familien, vergewaltigen Frauen und Männer und zwingen deren Kinder, dabei zuzuschauen. Sie ziehen Militäruniformen gefallener syrischer Soldaten an, verüben Massaker und filmen das als Propaganda. Der Offizier in der Militärstation Baniyas kann von vielen solcher Fälle berichten. «Wenn man die Leute aus der Umgebung befragen würde – jeder hätte eine schlimme Geschichte zu erzählen», sagt er.

Terrorgruppen sprengen Strommasten und verkaufen die Metallteile und Kabel in oder über die Türkei, berichtet ein pensionierter Lehrer. Was die drei Schweizer sehen, wenn sie über Land fahren, in Städte und Dörfer kommen, sind Spuren des Krieges, der mutwilligen Zerstörung, der Demontage. Aber sie sehen auch die Entschlossenheit der Bewohner, sobald die Terrorgruppen vertrieben wurden, ihre Städte wiederaufzubauen.

Einen Unterschied zwischen «Islamischem Staat», al-Nusra, al Qaida oder der «Freien Syrischen Armee» macht niemand. Für ihre Gesprächspartner sind das alles Terroristen, die gekommen sind, um Syrien «im Auftrag von NATO-Staaten, allen voran der USA, zu destabilisieren und schlussendlich zu zerstören».

Der Krieg bewirkt genau das Gegenteil dessen, was der Westen anstrebt: den regime change, die Absetzung Bashar al-Assads. Mehr denn je stehen die Menschen, egal welchen Glaubens und welcher Ethnie, hinter dem Präsidenten. Auf Schritt und Tritt begegnet die kleine Reisegruppe Assad-Porträts, völlig unterschiedliche Aufnahmen, keine «staatlich verordneten» Bilder. Im Büro der Spitalverwaltung Baniyas hängt zum Beispiel ein Foto von «Dr. Bashar Assad», wie er gerade eine Augenoperation durchführt. Er selbst hat in einem Interview ausdrücklich erklärt, nie angeordnet zu haben, sein Porträt aufzuhängen. Den Eindruck macht es auch nicht, wenn auf Autos Bashar klebt, in den entlegensten Gassen und auf Smartphones sein Konterfei prangt. Angesichts des Krieges rückt das Volk zusammen, und zwar in Richtung Assad.

«Er ist nicht mein Präsident, er ist mein Freund und Bruder!», antwortet ein Ehrenamtlicher, der in einer Grossküche von Aleppo hilft. Seine Rede war frei, ohne Druck. Die Gruppe hatte ihn nur gefragt, was er von der Regierung denke. Es gibt selbstverständlich auch Kritik an Assad, nur bezieht sie sich vor allem auf die Zeit vor 2011. Was Vielen nicht gefiel, war «die Öffnung zum Westen, die Öffnung zur Türkei, die Öffnung der Märkte und die damit verbundene Einfuhr von türkischen Waren im grossen Stil». Das schade vor allem den Geschäftsleuten, und Geschäfte werden in Syrien eine Menge gemacht. Der jetzigen Krise sei der Präsident gewachsen, sind sich die meisten einig. Beeindruckt waren die Schweizer vor allem von den Selbsthilfeprojekten, die sie besuchen konnten. Zwar unternimmt die Regierung, was sie kann, um die Versorgung der Menschen unter Krieg und Embargo aufrechtzuerhalten, ohne die selbstorganisierte Hilfe wäre sie aber schnell am Ende. So versorgt eine riesige Volksküche im Dorf al Waha nahe Aleppo täglich fünftausend Familien mit warmen, gesunden Mahlzeiten. Die syrische NGO Oasis stellt die Räumlichkeiten zur Verfügung und besorgt die Lebensmittel auf dem Markt. Vierzig Frauen bereiten die Speisen zu und ebenso viele Männer und Jugendliche verteilen sie in den umliegenden Dörfern an die Bedürftigen. Die Frauen erhalten einen kleinen Lohn, Männer und Jugendliche arbeiten ehrenamtlich. Sunniten, Alewiten, Christen, das syrische Militär – alle schaffen hier Seite an Seite und das war immer so, beteuern die Syrer: «Wenn eine sunnitische Hochzeit war, kamen die Christen und gratulierten, wenn eine christliche Beerdigung war, kamen die Muslime und nahmen Anteil.» Und so soll es weiterhin bleiben, so die einhellige Meinung.

In Damaskus berichtet ein Ingenieur von einem Projekt, das von der Regierung ins Leben gerufen wurde. Er sei dafür zuständig, Solarmodule zu planen, die dann gemeinsam mit den Menschen vor Ort installiert werden. Gerade wurde eine Schule in Damaskus damit ausgestattet, die Technik soll jetzt weiter ausgebaut werden.

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Da es infolge des Krieges zu wenig Spitäler gibt, haben die Nonnen von Mar Yakub ein mobiles Spital kreiert. Handwerker vor Ort bauen ausrangierte Transportcontainer zu einem funktionierenden Operationsraum um. Not macht erfinderisch, und die Syrer – so hat es den Anschein – lassen sich so schnell nicht kleinkriegen. «Syrien ist ein guter Platz – auch jetzt während des Krieges», sagte Mutter Agnes, die Äbtissin des Klosters, zu ihren Schweizer Gästen.

Doch die Spuren der Zerstörung hinterlassen auch bei der kleinen Reisegruppe Bestürzung und Zorn. Bibliotheken, Kirchen und Moscheen – alles haben die Terrorgruppen niedergemacht. Und sie schüchtern gezielt die Bevölkerung ein, arbeiten mit psychologischem Druck. Das Dorf al Waha war während zwei Jahren unter der Kontrolle sogenannter Rebellen. Nach ihrer Vertreibung ist an der teilweise zerstörten Schule noch heute ein Graffiti zu lesen: «Wir beobachten eure Kinder und wir werden sie zu uns holen und zu den Unseren machen.» Unterschrieben ist die Drohung mit «Freie Syrische Armee».

Südlich von Aleppo liegen riesige Felder, es ist die Korn- und Gemüsekammer Syriens. Hier haben die Terroristen die lebenswichtigen Wasserkanäle in Abständen gesprengt, die Wiederherstellung kann Jahre dauern. Viele Bauern sind ihrer Lebensgrundlage beraubt, keine Landwirtschaft bedeutet aber auch: Es fehlt an Nahrung für Millionen Menschen.

Eva und Markus Heizmann kommen zu dem Schluss: Es ist offensichtlich, dass die syrische Einheit und damit Syrien als multikulturelles, multiethnisches und multireligiöses Land zerstört werden soll – mithilfe terroristischer Banden. Die Türkei kontrolliert die Grenzen nicht, Dschihadisten kommen ungehindert ins Land. Die syrische Armee rechnet für die nächste Zeit mit weiteren 10’000 Kämpfern, von denen viele über den Irak einreisen werden. Die Syrer selbst sind der Meinung, die Dschihadisten werden bewusst ins Land gelassen, Europa und die USA finanzieren via Saudi-Arabien und Katar den Terror, der ihr Land heimsucht. Und alle Menschen, die die Schweizer in Syrien befragt haben, waren sich einig: «Lasst uns einfach in Ruhe!» – Alles könnte so einfach sein.

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