Die ukrainische Regierung unter Präsident Wolodymyr Selenskyj möchte die Krim mit aller Gewalt zurückerobern und kündigt ethnische Säuberungen an. Doch was wollen eigentlich die Bewohner der wunderschönen und geopolitisch aufgeladenen Halbinsel im Schwarzen Meer?
von Enno Schmidt
2015 trennte sich die Halbinsel Krim in einem Referendum von der Ukraine und trat Russland bei. Die Bevölkerung der Krim konnte nach einem jahrzehntelangen Kampf um Unabhängigkeit ihren Willen geltend machen, zu Russland zu gehören. Seither wird Russland von der NATO als aggressiver Okkupator gebrandmarkt und die ukrainische Armee versuchte ab 2022 die Krim gewaltsam zu erobern. Die EU geht den Weg in eine Kriegswirtschaft. Russland ist der Gegner. Zahlen sollen es die Bürgerinnen und Bürger. In einer Demokratie sollte das ihre Entscheidung sein. Dafür müssen sie wahrheitsgemäß informiert werden. Deshalb hat der Autor Thomas Mayer sich auf die „Wahrheitssuche im Ukraine-Krieg“ gemacht. In einem Kapitel seines Buches geht es um die Krim. Was dabei zutage tritt, könnte schockieren; zumindest erstaunen.
Mit der Loslösung der Krim aus der Ukraine im März 2014 begann der Bürgerkrieg in der Ostukraine, der im Februar 2022 zum Ukraine-Krieg eskalierte. Das Ziel der Kiewer Regierung, die Krim und die Donbass-Regionen zu erobern und wieder in die Ukraine einzugliedern, ließ keinen Frieden zu und steht ihm auch jetzt im Wege. Putin, so heißt es, dürfe für seine Aggression nicht auch noch mit Landgewinnen belohnt werden. Doch was will eigentlich die Bevölkerung der Krim? Um diese zentrale Frage geht es in dem Kapitel aus Mayers Buch, das die Geschichte der Krim schildert.
Verwehrtes gesetzliches Recht
Noch zu Sowjetzeiten, im Januar 1991, fand auf der Krim eine Volksabstimmung statt, bei der 93 Prozent der Abstimmenden sich dafür aussprachen, dass die Krim unabhängig von der Ukraine sein solle und als „Autonome Republik Krim“ an der neuen Union teilnimmt, die vom Präsidenten der Sowjetunion, Michael Gorbatschow, geplant war. Das zeigt eine deutliche Absage der Krim-Bevölkerung an die Ukraine und ein deutliches Plädoyer für die Union mit Russland. Doch Kiew ignorierte das Ergebnis und verweigerte der Krim das Recht auf Selbstbestimmung. Am 1. Dezember 1991 fand in der gesamten Ukraine ein Referendum statt, indem 92,3 Prozent der Ukrainer für die Unabhängigkeit der Ukraine von der Sowjetunion votierten. Damit gründete sich die Ukraine als eigenständiger Staat. Die Sowjetunion zerfiel. Im Referendumsgesetz war aber vorgesehen, dass die Krim, die den Status eines autonomen Gebietes innerhalb der Ukraine hatte, unabhängig von der Gesamtukraine über ihre Zukunft entscheiden kann, ob also die Krim als eigenständige Republik der Union mit Russland beitreten oder weiter zur Ukraine gehören soll. Doch dieses gesetzliche Recht wurden der Krim verwehrt und so die Krim von der Ukraine vereinnahmt.
Im Mai 1992 erklärte das Krim-Parlament erneut die Krim für unabhängig von der Ukraine und kündigte ein neues Unabhängigkeitsreferendum an. Dieses wurde aber auf Druck von Kiew und aufgrund weitreichender Zugeständnisse Kiews an die Krim ausgesetzt. Doch 1994 griff die Mehrheitspartei „Der russische Block“ im Krim-Parlament unter dem Krim-Präsidenten Juri Meschkow das Vorhaben wieder auf. Am 27. April 1994 stimmten 78,4 Prozent der Krim-Bewohner erneut für die Unabhängigkeit der Krim von der Ukraine. Kiew erklärte die Abstimmung für illegal, entzog der Krim ihre Sonderrechte, annullierte die Verfassung der Krim und enthob den Krim-Präsidenten unter Einsatz von militärischen Spezialeinheiten seines Amtes. Man kann es einen Militärputsch nennen.
Haltlose Behauptungen
Diese unstrittigen Fakten zeigen, wie die Bevölkerung der Krim beim Versuch zur Neubildung der Sowjetunion unter Gorbatschow und im Zuge der Auflösung der Sowjetunion entschieden dafür eintrat, unabhängig von der Ukraine zu werden und in einer Union mit Russland zu bleiben. Zur Ukraine gehörte die Krim ohnehin erst seit 1954; der damalige Präsident der UdSSR, Nikita Chruschtschow, hatte sie willkürlich an die Ukrainische Sowjetrepublik verschenkt. Vorher, seit 1774, gehörte sie zu Russland. Dass die Volksabstimmung auf der Krim im März 2014, bei der sich 97,5 Prozent der Abstimmenden für den Beitritt der Krim zu Russland entschieden, ein “Scheinreferendum” gewesen sei, wie es uns gesagt wurde, ist in Kenntnis der Vorgeschichte eine haltlose Behauptung. 135 Wahlbeobachter aus 23 Ländern bestätigten den korrekten Ablauf der Stimmabgaben und der Stimmauszählung. Spätere Umfragen von westlichen Meinungsforschungsinstituten auf der Krim bestätigten das Abstimmungsergebnis.
Und was geschähe, würde die Krim von der Ukraine zurückerobert? Der Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes betonte in einem Interview, dass die Krimbewohner nicht nur Illoyale sein, sondern Menschen mit veränderter Psyche, deren “gerechte Bestrafung” bei einigen nur die physische Auslöschung sein könne. Eine Bestrafung der „Kollaborateure“ kündigte auch der Chef des ukrainischen Sicherheitsrates in seinem “12-Punkte-Plan zur De-Okkupation der Krim” an: Entrechtung, Vertreibung oder physische Auslöschung erwarten die Krim-Bevölkerung, wenn die Ukraine die Krim zurückerhält. Für die Bewohner der Halbinsel wäre es eine Katastrophe. In den westlichen Medien wird jedoch so getan, als würde die Krim-Bevölkerung dadurch aus russischer Zwangsbeherrschung befreit. Die Wahrheit wird dabei um 180 Grad verdreht. Thomas Mayer geht in seinem Buch auch auf das Völkerrecht ein: Dieses legitimiert eine solche Sezession der Krim von der Ukraine und den Beitritt zu Russland ausdrücklich. Das gleiche gilt für die Donbass-Regionen. Waffen und Geld für die Ukraine ermöglichen den Krieg gegen die Selbstbestimmung der Völker. Wenn die Krim russisch bleibt, ist das keine Gefälligkeit gegenüber Putin, sondern die Anerkennung des Willens der dortigen Bevölkerung.
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