Ein ehemaliger ARD-Mitarbeiter packt aus – und entlarvt die linken Aufpasser in der Tagesschau-Redaktion. Unser Autor arbeitete früher selbst für die Öffentlich-Rechtlichen und zeigt, wie sich die Machtbalance verschoben hat.
Verflixt, dachte ich, wie konnte mir das in der Eile nur passieren?! Ich hatte vor 20 Jahren, als ARD-Auslandskorrespondent in Indien, in einem Betrag für die Tagesschau die Errichtung des berühmten indischen Grabmals Taj Mahal versehentlich um hundert Jahre vordatiert. Die Folge war ein Anruf des Chefs vom Dienst aus Hamburg, der sich beschwerte, dass er meinen Beitrag nun umständlich nachvertonen müsste. Ich erwähne diese Geschichte, um aufzuzeigen, wie penibel damals mit jedweder Information in den ARD-Nachrichten umgegangen wurde. Und sie belegt erstens, wie hoch das Allgemeinwissen der Redakteure in Deutschlands wichtigster Nachrichtensendung einst war, und zweitens, wie professionell man selbst kleinste Fehler zu vermeiden suchte.
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Diese Zeiten sind längst Geschichte und mit der real existierenden Nachrichtenwelt von heute, so wie sie der Ex-ARD-Mitarbeiter Alexander Teske in seinem aktuellen Buch Inside Tagesschau beschreibt, nicht mehr zu vergleichen. Natürlich waren auch zu meiner Zeit die öffentlich-rechtlichen Sender vor politischer Einflussnahme nicht gefeit, die seit den neunziger Jahren mehr und mehr zugenommen hat. Ich erinnere nur an meinen Kollegen, den ehemaligen Top-Journalisten und ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender, der von den CDU-Granden im ZDF-Verwaltungsrat gnadenlos abserviert wurde, weil der Union seine ständigen Plädoyers für einen unabhängigen Journalismus auf den Wecker gingen. Im Unterschied zu heute versuchten sich die meisten meiner Kollegen allerdings gegen diese Art der Einflussnahme zur Wehr zu setzen. Und außerdem waren wir Vollblutjournalisten, die sich einen handfesten politischen Skandal, egal in welcher Partei, nicht entgehen lassen wollten.
Das, was Teske aus dem Intimleben in der Tagesschau-Redaktion heute zu berichten weiß, hat damit so gut wie nichts mehr zu tun. Der Autor belegt eindrucksvoll, wie mittlerweile der Gesinnungsjournalismus in der Hamburger Nachrichtenschmiede fröhliche Urständ feiert: Unliebsame Nachrichten werden entweder gar nicht gemeldet oder erst, nachdem viele andere Redaktionen das Thema aufgegriffen haben, so dass man sich dem nicht mehr entziehen kann. Er zitiert genüsslich die ARD-Korrespondentin Nadine Bader, die, nachdem ihr Sender über die Veröffentlichung der RKI-Corona-Files tagelang geschwiegen hatte, in ihrem Aufsager zu dem Schluss kam, die Insider-Protokolle seien «weit weniger brisant, als zum Teil behauptet wird».
Die Diktatur der Einser
Spannend wird es in dem Buch auch, wenn Teske über die sogenannten Chefs vom Dienst (CvD) in der Tagesschau berichtet, jene Koordinatoren, die die Themenliste der aktuellen Sendungen maßgeblich bestimmen. Sie scheinen inzwischen eine Allmacht erreicht zu haben, von der sie früher weit entfernt waren. Teske berichtet, dass die Korrespondenten heutzutage ihre Aufsager in ihren Beiträgen mit den CvDs absprechen müssen. Diesen direkten Eingriff in die Berichterstattung habe ich zu meiner Zeit nie erlebt.
Teske verortet die allermeisten dieser Koordinatoren im linken Spektrum und zweifelt an ihrer Unabhängigkeit und Neutralität. Einen wichtigen Aspekt übersieht er in seinem Buch allerdings. Zwar beschreibt er richtig, dass das ARD-Führungspersonal in der Regel in der höchsten Einkommenskategorie 1 Stufe 6 (etwa 11.500 Euro) rangiert, er übersieht dabei jedoch, dass es auf der Reporterseite heutzutage viel schlechter aussieht. Als ich Korrespondent war, gehörte ich auch zu den Gutverdienern der Einser-Gruppe. Völlig zu recht, denn damals musste ein Redakteur in Führungsposition für gewöhnlich 24 Stunden und sieben Tage die Woche auf Abruf bereitstehen. Man lebte für seinen Beruf und akzeptierte, dass das Familienleben erst an zweiter Stelle stand. Ich kann mich an meinen 50. Geburtstag erinnern, den ich fernab meiner Lieben aus «wichtigem Anlass» in Kabul verbrachte, während meine Frau daheim die seit Wochen insgeheim vorbereitete Party absagen musste. Sie hat sich nie beklagt. Es war «part of the job». Heutzutage sind dagegen mehr und mehr Reporter und auch Korrespondenten sogenannte Feste Freie. Sie haben keine quasi unkündbare Anstellung, sondern erhalten einen Vertrag auf Zeit, meist für vier Jahre. Wessen berufliches Wohl oder Wehe dadurch derart von seinen Vorgesetzten (und deren Gesinnung) abhängt, wird eher auch in deren Geiste Bericht erstatten. Eine meiner Lieblingsfragen heute lautet deshalb: «Na, Herr Kollege, kriegen Sie Ihre Vertragsverlängerung bald durch?»
Dementsprechend nutzen die sogenannten Einser den Zugewinn an Macht, um über die Themen zu entscheiden – notfalls auch gegen Korrespondenten und Redakteure. Nur so wurde es möglich, dass, laut Teske, die aufgeflogenen Manipulationen einer AKW-Studie in Robert Habecks Ministerium, bei der Staatssekretäre und Abteilungsleiter getäuscht, getrickst und gelogen hatten, im Sendeplan der Tagesschau nicht vorkamen. Generell gilt für die ARD-Magazine: Kritische Sachverständige Fehlanzeige – die einseitige Auswahl sogenannter Experten aus der pro-woken, pro-queeren und pro-bunten Richtung ist Programm.
Teske untersucht in seinem Buch auch die Webseiten und Social-Media-Plattformen, auf denen die Tagesschau vertreten ist und deren Präsenz sie mehr und mehr ausbaut. Ich erinnere mich gut an meine Jahre als Gründungsmitglied des neuen ARD-Hauptstadtstudios in Berlin am Anfang des Jahrhunderts. Damals kümmerte sich ein junger freibeschäftigter Mitarbeiter um die ersten Auftritte unseres Formats im Internet. So nett der Kollege auch war, so ungern arbeiteten wir ihm zu. Wir alten Hasen ahnten damals schon, dass hier zusätzliche Belastungen auf uns zukamen, nach dem Motto: «Sie sind doch schon drin im Thema, dann schreiben’S halt noch ein paar Zeilen dazu für die Webseite.»
Heute sind die jungen Kollegen im Dauerstress, weil sie neben ihrer eigentlichen TV-Berichterstattung für mehrere Plattformen einen erweiterten Beitrag mit Hintergrundinformationen, Tabellen, Grafiken und so weiter liefern müssen. Da sie dies allein nicht stemmen können, hat sich, so Teske, die linke Seilschaft die Leitung dieser Online-Formate zugeschanzt und betreibt seit 2017 unter anderem den Faktenfinder der Tagesschau, der über sogenannte Falschnachrichten aufklären soll. Chef des Ladens war lange Zeit das Antifa-Sympathisant Patrick Gensing. Teske zitiert den selbsternannten Nachrichtenmann aus einem Interview: «Ich bin ein großer Freund von Journalismus mit Haltung (…). Ich glaube, dass man die Leute eher gewinnen kann, wenn im Journalismus eine Haltung vertreten wird, als wenn da irgendwie einfach nur Fakten angehäuft werden.» In das gleiche Horn stößt auch seine aktuelle Nachfolgerin Carla Reveland, die sich nebenher in der berüchtigten Amadeo Antonio-Stiftung engagiert. Sie bezeichnete, laut Teske, Gensing als «mein journalistisches Vorbild».
Wer so tickt, hat in der Regel Soziologie und Politikwissenschaften an der Uni Bremen studiert oder bei ähnlichen Fakultäten zumindest einige Semester durchgezogen. Ein Großteil der Journalisten heute setzt sich aus Studienabbrechern oder Examinierten zusammen, die das wahre Arbeitsleben höchstens als Minijobber neben dem Studium kennengelernt haben. Dabei galt der Journalismus bis in meine frühen Anfänge noch als eigenständiges Handwerk. Und so große Namen wie Friedrich Nowottny, Lothar Loewe oder Jens Feddersen haben ihren Beruf – ihre Berufung! – noch von der Pike auf gelernt und keine Uni von innen gesehen. Ich habe sie alle noch kennenlernen dürfen und mir ihre Grundhaltung und Unabhängigkeit zum Vorbild genommen. Bei einem Mittagessen mit dem 2010 verstorbenen Kollegen Loewe kamen wir beide zu der Feststellung, dass wir, als konservative Geister, mit der uns damals nahestehenden CDU besonders kritisch umgehen müssen, um nicht in den Verdacht der Parteinahme zu geraten. Mit dieser Einstellung würden wir heute so manches Gelächter hervorrufen.
Hajo Friedrichs Mahnung
Mit seinem Buch Inside Tagesschau entlarvt Teske in beeindruckender Weise den heutigen Geist im ehemaligen Flaggschiff der Öffentlich-Rechtlichen. Man kann nur ahnen, dass er mit seiner Meinung auch in den Jahren seiner Arbeit bei der ARD nicht hinter dem Berg gehalten hat. Da war die Ablehnung, ihn in eine Festanstellung zu übernehmen und nicht weiterzubeschäftigen, leider ganz folgerichtig. In allen anderen Informationsprogrammen der ARD, ebenso wie bei ZDF, RTL, Welt-TV und vielen anderen Sendern, sieht es nicht besser aus, ebenso in den Printmedien. So titelte die Zeit über Teskes Buch herablassend: «Illoyal, fragwürdig – trotzdem interessant», anstatt sich ernsthaft mit dem Ist-Zustand der deutschen Medien auseinanderzusetzen.
Deren völliger Falschinterpretation von Journalismus kann und muss man den Satz des geschätzten und unvergessenen Kollegen Hans-Joachim Friedrichs entgegensetzen: «Mache dich als Journalist niemals mit einer Sache gemein, auch nicht mit einer guten.» Nach «Hajo», den ich als junger Reporter 1978 als ZDF-Sportkommentator bei der Formel Eins auf dem Hockenheim-Ring kennenlernen durfte, ist übrigens der wichtigste deutsche Medienpreis benannt. Ich ahne, der Vollblutjournalist alten Schlages rotiert derzeit im Grabe.
Über den Autor
Armin-Paul Hampel, Jahrgang 1957, hat seine journalistischen Erfahrungen an den Brennpunkten der Politik sammeln können. Er war für RTL und Sat.1 Parlamentskorrespondent in Bonn, bevor er als 1991 als Chefreporter zum MDR ging. Ab 1999 arbeitete er für das neue ARD-Hauptstadtstudio in Berlin. Von 2002 bis 2008 leitete er das Südasien-Studio der ARD in Neu-Delhi. Der Spiegel im Jahre 2006 über seine Reportage «Indische Höllenfahrt»: «Ohne überheblichen Unterton, ohne soziale Anklage, ohne dramatisches Getue, (…) was kann eine Dokumentation mehr leisten?» Hampel war fünf Jahre lang Landesvorsitzender der AfD-Niedersachsen, Mitglied des Bundesvorstands und von 2017 bis 2021 außenpolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion.
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