Friedrich Merz ist der unbeliebteste Kanzler in der Geschichte der Bundesrepublik. Er hat nicht nur sein eigenes Ansehen ruiniert, sondern führt auch die Union in den Abgrund – und das gesamte Land. Aber ein Ausweg bleibt ihm noch.
von Jürgen Elsässer
Sommerzeit ist Urlaubszeit, auch für den Kanzler. Über 30 Jahre hinweg verbrachte Helmut Kohl zusammen mit seiner Hannelore die Ferien in St. Gilgen am Wolfgangsee. Der pfälzische Wal schwamm in den österreichisches Fluten – die Fotografen durften aber erst ran, als er wieder im Ruderboot paddelte. 1998 rückte ihm Christoph Schliengensief im Urlaub auf die Pelle. Der Anarcho-Dramaturg von der Berliner Volksbühne hatte schon zuvor mit einer sogenannten Performance unter dem Titel «Tötet Helmut Kohl!» Furore gemacht – heutzutage würde man mit so etwas vermutlich im Knast landen. Damals war Spaß noch erlaubt. Schlingensief lud jedenfalls alle Arbeitslosen in Deutschland ein, gleichzeitig in den See im Salzkammergut zu springen, auf dass das Feriendomizil von Kohl überflutet würde. Dafür reichte es freilich nicht, doch viele Freaks hatten ihren Spaß. Kohl wurde im September dieses Jahres abgewählt.
«Links ist vorbei.» Merz vor der Wahl
Auch Angela Merkel tauchte im Sommer gerne ab. Sie ging wandern, entweder in den Dolomiten oder auf der italienischen Sehnsuchtsinsel Ischia. Immer mit dabei: Ihr Ehemann Joachim Sauer. Ihre Urlaubsgarderobe: «Schwarzer Pulli, rot-weißes Kachelhemd, beige Dreiviertel-Hose, gleichfarbige Strümpfe und Wanderschuhe. Dazu: Das Kanzler-Käppi», berichtete Bild 2017. Das muss für die Einheimischen ein Gruselspaß wie in der Geisterbahn gewesen sein.
Und Friedrich Merz? Seit seiner Vereidigung am 6. Mai war er pausenlos auf Achse, aber nicht zur Erholung. Er absolvierte innerhalb von drei Monaten 25 Staatsbesuche und nahm an drei Gipfeln teil. Die Rastlosigkeit zahlte sich nicht aus, denn im Inland war er kaum zu sehen – Spötter bezeichnen ihn als Kanzler der Ukraine. Endlich, nach 87 Tagen im Amt, wollte er Urlaub machen, ganz bescheiden zu Hause im Sauerland. Los gehen sollte es am 9. August, aber daraus wurde nichts. Denn just an diesem Tag stand er vor dem Nichts. Er musste zurück nach Berlin, um zu retten, was gerade noch zu retten war. In der CDU brannte es lichterloh.
Schussfahrt in den Abgrund
Als Totengräber Deutschlands wurden schon frühere Kanzler bezeichnet. Kohl traf das Verdikt, weil er die Euro-Einführung irreversibel gemacht und damit unsere stabile D-Mark aufgegeben hatte. Gerhard Schröder führte die BRD 1999 in den ersten Krieg nach 1945, dazu noch in einen unprovozierten und illegalen, nämlich gegen Jugoslawien. Merkel beschloss das Aus für Atom und Kohle und öffnete die Grenzen für ein Millionenheer an Asylforderern. Doch diese Verbrechen haben den Genannten zunächst nicht geschadet, alle drei wurden mehrfach ins Kanzleramt gewählt. Bei Merz sieht es nicht danach aus. Mitte August waren gerade noch 29 Prozent mit seiner Arbeit zufrieden. Besonders demütigend: Am 10. August zog die AfD, die zu halbieren er einst versprochen hatte, in der Sonntagsfrage erstmals mit 26 Prozent an CDU und CSU vorbei, die nur noch 24 Prozent erhielten. Merz sei «schon nach 100 Tagen so angeschlagen, als hätte die Union unter ihm drei Landtagswahlen verloren», höhnte der Focus.
Merz absolvierte innerhalb von drei Monaten 25 Staatsbesuche.
Dabei hatte er in seiner ersten Regierungserklärung versprochen: «Die Menschen sollen schon im Sommer spüren: Es geht voran.» Aber er konnte dieses Versprechen genauso wenig halten wie andere zuvor. Gleich nach der Bundestagswahl am 23. Februar begann der große Verrat: Am 18. März ließ er eine gigantische Staatsverschuldung («Sondervermögen») von über einer Billion Euro beschließen – ein klarer Bruch seines zentralen Wahlversprechens. Die Entscheidung traf nicht der gerade gewählte, sondern der alte Bundestag – weil er sonst die dafür notwendige Zweidrittelmehrheit nicht erhalten hätte. Um die Grünen zur Zustimmung zu bewegen, wurde der sogenannte Klimaschutz ins Grundgesetz aufgenommen – ein juristischer Hebel, der künftig Klagen gegen alle möglichen Industrieprojekte ermöglicht.
Die Quittung dafür erhielt Merz am 6. Mai: Als erster Bundeskanzler bekam er im ersten Wahlgang nicht die notwendige Mehrheit der Abgeordnetenstimmen. In CDU und CSU grummelte es. «Kanzler zweiter Wahl», lautet seither sein Spitzname.
Am 2. Juli beschloss die Regierung, die Stromsteuer, anders als im Koalitionsvertrag versprochen, für Privathaushalte nicht zu senken. Merz begründete dies mit Finanzknappheit («Wir können nur das Geld ausgeben, das wir haben») – dabei war doch allen noch in Erinnerung, dass er sich im März zusätzliches Schuldkapital in Billionenhöhe genehmigt hatte.
Das Waterloo des Kanzlers war die Richternachwahl für das Bundesverfassungsgericht. Die Abstimmung im Bundestag, geplant für den 11. Juli, wurde am Vormittag des Tages abgesagt, nachdem etwa ein Drittel der Unionsabgeordneten angekündigt hatte, der SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf ihre Stimme nicht zu geben (siehe Artikel: Die Schlacht um Karlsruhe).
Nun trat Merz die Flucht nach vorne an: Am 8. August verkündete er einen Stopp von Waffenlieferungen an Israel – wohl hoffend, dass ihn das in der Bevölkerung wieder populär machen könnte. Tatsächlich stimmen ihm laut Statista in dieser Frage 85 Prozent der Gesamtbevölkerung und 80 Prozent der Unionswähler zu. Was eine populistische Wende für den Kanzler hätte werden können, wurde zum Debakel: Angefeuert von den Springer-Medien und dem angeschlossenen Nius-Kartell schlugen die Wellen in der Union hoch – so hoch, dass der Kanzler seinen gerade begonnenen Urlaub abbrechen musste. CSU-Chef Markus Söder tobte, und auch Fraktionsvorsitzender Jens Spahn zeigte mit der schmallippigen Aussage, der Schritt von Merz sei «akzeptabel», die geringstmögliche Unterstützung für den Kanzler. Hier bringen sich mögliche Königsmörder in Stellung.
Verloren am Katzentisch
Mit einigem Recht stellen Bild, Welt, Focus und auch die AfD Merz als Geisel seines Vizekanzlers Lars Klingbeil dar. Tatsächlich hat die Brandmauer dazu geführt, dass sich die Union in babylonischer Gefangenschaft der SPD befindet, die nun – aus der Position einer 15-Prozent-Minderheit heraus – das Staatsschiff wie in den unseligen Ampel-Zeiten lenkt und ständig weitere unverschämte Forderungen stellt. Mit ihrem Umfeld aus Antifa- und Nichtregierungsorganisationen verfügt sie über ein Mobilisierungspotenzial, das, wie sich im Wahlkampf gezeigt hat, bei Bedarf jederzeit auch gegen Merz eingesetzt werden kann. Den Vorstoß, diese mit vielen Milliarden Steuergeld geförderten Apparate finanziell auszutrocknen, hat die Union dem Koalitionsfrieden geopfert. «Links ist vorbei» – das war das Versprechen des Kanzlerkandidaten. Für den Kanzler gilt hingegen: «Links ist vorbei» ist vorbei.
Doch das eigentliche Problem für Merz liegt tiefer. Die Union war immer die wichtigste transatlantische Partei, in Nibelungentreue mit den USA verbunden. Die SPD dagegen versuchte, über die Entspannungspolitik die Abhängigkeit zum Großen Bruder zu lockern, und bei der FDP gab es, bis zur Erselbstmordung von Jürgen Möllemann 2003, immer wieder deutschnationale Regungen. Was aber macht die prowestlichste Partei, wenn der Westen zerbröselt? Wenn einer wie Donald Trump rücksichtslos die eigenen imperialistischen Interessen vertritt? Präsident George H. W. Bush hatte Deutschland kurz nach der Wiedervereinigung als «Partner in Leadership» gelobt – übrigens obwohl Kanzler Kohl jede Hilfe im Irakkrieg 1991 verweigerte. Merz aber schmeißt unser Land militärisch und wirtschaftlich voll für die Ukraine ins Feuer – und wird von Trump bei wichtigen Treffen nicht eingeladen und höchstens telefonisch abgespeist.
Die Investitionen, die die Bundesregierung mit der Billionen-Verschuldung zu finanzieren versprach – wo sind die eigentlich? Das einzige, was zu klappen scheint, ist die Rüstungsproduktion für die Ukraine, eines der korruptesten Regime der Welt. Trump war so klug, im Juni die Waffenlieferungen einzustellen. Merz rühmt sich, ihn im Juli zu einer Kursänderung bewegt zu haben – mit dem Ergebnis, dass die USA wieder Himars, Patriots und anderes schweres Gerät für Kiew bereitstellen wollen, aber nur, wenn die Europäer alles bezahlen.
Frankreich und Polen haben den vergifteten Deal zur Ruinierung der eigenen Staatsfinanzen dankend abgelehnt – also wird der deutsche Michel wohl fast alles allein berappen müssen. So versickert das sogenannte Sondervermögen im blutigen Morast zwischen Lemberg und Donezk, während hierzulande Autobahnen zerbröseln und Schulen verfallen. Die Züge haben so viel Verspätung wie im Winter 1945/46, das Internet ist langsamer als im schwärzesten Afrika. «Alles für die Ukraine» ist die Devise. Oder im Originalton Merz: «Whatever it takes» (was auch immer notwendig ist) beziehungsweise «Slava Ukraini», der Gruß der ukrainischen SS-Kollaborateure.
Das Milliardengrab
Die Merz-Regierung scheint wild entschlossen, anstelle der USA die Führung im Angriff auf Russland zu übernehmen, zusammen mit Großbritannien und Frankreich. Die Entwicklung deutete sich schon im Frühjahr an, nachdem der Autokrat Wolodimir Selenski am 28. Februar aus dem Weißen Haus geworfen worden war und Trump ihm mit auf den Weg gegeben hatte: «Sie spielen mit dem Dritten Weltkrieg.» In der EU erkannte man das wohl als Chance. Daniel Günther, CDU-Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, sagte: «Union und SPD (…). Jetzt haben sie die historische Aufgabe, (…) Europa zum Anführer der freien Welt zu machen.» Verteidigungsminister Boris Pistorius hoffte: «Wir streben natürlich an, (…) den Wegfall der US-Unterstützung {für die Ukraine} zu kompensieren.»
Um die Dimensionen deutlich zu machen: Der damalige Kanzler Olaf Scholz rechnete Anfang November 2024 vor, dass die Bundesrepublik der zweitgrößte Sponsor des Selenski-Regimes sei und seit 2022 die Ukraine mit insgesamt 34 Milliarden Euro unterstützt habe, humanitäre Programme und deutsche Anteile an EU-Hilfspaketen wohl eingeschlossen. Seither muss sich die Aufrüstung erheblich beschleunigt haben: Die Nachrichtenagentur AP gab am 13. August bereits 40 Milliarden allein an deutscher Militärhilfe (geleistet oder zugesagt) an. Im März 2025 wurden drei, im Juni neun und im August noch einmal 5,5 Milliarden Euro freigegeben.
Nervig im Weißen Haus
18. August, Selenski und Merz mit anderen europäischen Führern im Weißen Haus. Thema: Die Alaska-Annäherung zwischen Trump und Putin. Der Bundeskanzler nahm sich heraus, dem US-Präsidenten auf offener Bühne zu widersprechen: Es bräuchte einen umgehenden Waffenstillstand, sonst könne auch kein Gipfel Putin-Selenski stattfinden. Dabei war Trump am Tag vorher auf die russische Linie umgeschwenkt, dass es eine abschließende Friedenslösung bräuchte und eine bloße Feuerpause nicht zielführend sei.
Als Merz seine Attacke ritt, verdrehte die neben ihm sitzende Giorgia Melonie die Augen, als wollte sie ausdrücken: Fritze, das will hier keiner mehr hören (siehe Foto oben). Trump hatte schon vorher über den Deutschen gewitzelt, er habe eine fantastische Sonnenbräune.
Aber wenn Deutschland der führende Frontstaat gegen Russland wird, werden wir damit auch zur Zielscheibe. Nachdem höchste Offiziere der Luftwaffe im Frühjahr 2024 Taurus-Angriffe auf die Krim-Brücke durchgeplant hatten (und dabei abgehört wurden), zeigte das russische Staatsfernsehen die wichtigsten deutschen Brücken, die man im Gegenzug zerstören könnte. Und Igor Korotschenko, Chefredakteur des Militärmagazins Nationale Verteidigung, kündigte im Mai 2025 in der Sendung 60 Minutes einen Schlag gegen das bayerische Städtchen Schrobenhausen an: «Der Einsatz von Taurus-Marschflugkörpern gegen Russland würde bedeuten, dass sich Deutschland an Feindseligkeiten gegen die Russische Föderation beteiligt. Da sich der Hersteller dieser Marschflugkörper in einem abgelegenen Gebiet weitab von städtischen Ballungsräumen befindet, ist nur ein einziger Vergeltungsschlag notwendig.»
Das Sapsan-Debakel
Mittlerweile spricht Merz nicht mehr über den Taurus – was aber keine Deeskalation bedeutet. Die neue Gangart hatte sich Ende Mai beim Staatsbesuch von Selenski in Berlin angekündigt. Bild berichtete, die Bundesregierung plane, «der ukrainischen Rüstungsindustrie einen Millionenbetrag zur Verfügung zu stellen, um eigenständig Marschflugkörper mit bis zu 2.500 Kilometer Reichweite zu entwickeln und in Masse herzustellen». Was damit angekündigt wurde, sind zwar keine Taurus, aber Fernlenkwaffen mit ähnlicher, sogar stärkerer Wirkung (die jedoch nicht so heißen dürfen) und bei denen die letzten Schraubenzieherumdrehungen irgendwo zwischen Lemberg, Kiew und Odessa selbst durchgeführt werden. Drei deutsche Unternehmen arbeiteten bereits in der Ukraine, berichtete Selenski Ende Juni. Man warte auf das vierte. In den nächsten Tagen könne die Zahl der Partnerschaften auf zwanzig steigen, fasste der Spiegel zusammen.
Allerdings sieht es danach aus, dass Anfang August einige der gemeinsamen Fabriken schon von den Russen zerstört wurden. Die Nachrichtenagentur Tass schreibt, «dass der russische Geheimdienst FSB gemeinsam mit dem russischen Verteidigungsministerium eine Spezieloperation durchgeführt habe, in deren Folge ukrainische Unternehmen, die das operativ-taktische Raketensystem Sapsan entwickeln, zerstört wurden. Der FSB erhielt die genauen Koordinaten der an den Arbeiten an der Sapsan beteiligten Gebäude sowie Informationen über die Luftabwehrsysteme dieser Gebäude in den Regionen Dnjepropetrowsk und Sumy (…). Die ballistische Langstreckenrakete, die tief in russisches Territorium eindringen kann, wurde mit Hilfe von Spezialisten aus einem westeuropäischen Land und finanzieller Unterstützung aus Deutschland entwickelt».
Zwei Auswege
Mittlerweile ist die BRD in der längsten Rezession ihrer Geschichte. Schon im dritten Jahr geht die Wirtschaftsleistung zurück. Der Absturz ist zum großen Teil selbst verschuldet, weil die sogenannte Energiewende uns von den günstigen fossilen Brennstoffen abgeschnitten hat, hinzu kam der Boykott des preiswerten sibirischen Angebots. Für das Flüssiggas aus den USA zahlen wir derzeit 1,08 Euro pro Kubikmeter, russisches LNG würde nur 51 Cent kosten, russisches Pipelinegas sogar nur 32 Cent. Kein Wunder, dass die Industrie ihre Wettbewerbsfähigkeit verloren hat und Werke schließt.
Thyssenkrupp droht mit Abwanderung, wenn der Strompreis nicht um zwei Drittel sinkt.
Thyssenkrupp-Chef Miguel Lopez drohte Mitte August im Focus mit Abwanderung ins Ausland, wenn der Strompreis nicht um zwei Drittel sinke. Die Stahlsparte, für die der Konzern einst bekannt war, fuhr im letzten Jahr 1,4 Milliarden Euro Verluste ein. Das einzige, was noch boomt, ist der Bereich U-Boote. Lopez: «Wir sehen sehr schwache Märkte und leider keine Belebung – abgesehen vom Marinebereich.» Dort sind die Auftragsbücher mit 18 Milliarden Euro gut gefüllt. Der Focus kommentierte: «Nichts beflügelt die Fantasie der Finanzszene gerade mehr als Rüstungsaktien.»
Das ist der Weg, den Merz einzuschlagen scheint: die ruinierte Wirtschaft durch Rüstungsaufträge wieder aufzupäppeln. Der Staat zahlt dann für den Stahl, der auf den zivilen Märkten nicht mehr konkurrenzfähig ist, und lässt damit U-Boote oder Raketen bauen. Und VW produziert, wie zu Anfang unter Hitler, statt der unverkäuflichen PKWs wieder Militärfahrzeuge (siehe auch Artikel: Wenn die Kurse explodieren). Das kann zweifellos Arbeitsplätze sichern – aber zu einem hohen Preis. Denn wenn Autos verkauft werden, dann kommt das Geld durch den Käufer wieder herein, der es zuvor verdient hat. Aber wenn Panzer verkauft werden, dann bezahlt der Staat mit dem Schuldgeld, das er an den internationalen Kapitalmärkten geliehen hat. VW und Thyssenkrupp wird das freuen, und auch Merzens früheren Arbeitgeber Blackrock, der die Kredite für die deutsche Rüstung auftreibt. Aber für den Staat bedeutet diese Megaverschuldung Geldentwertung und Ruin – es sei denn, er nutzt das Militär-Hightech für den Raub von Rohstoffen fremder Staaten, um damit die Löcher in der eigenen Bilanz zu stopfen. Der Weg von der Staatsverschuldung führt also entweder zur Hyperinflation oder in den Krieg.
Schulden für Krieg
Die Schuldenpolitik von Friedrich Merz ist die gleiche wie die von Hitler und Roosevelt, die 1933 zufällig im selben Jahr an die Spitze ihrer Länder kamen. Sowohl der New Deal in den USA wie die NS-Wirtschaftspolitik fußten auf den Theorien des Briten John Maynard Keynes: Der Staat müsse in der Rezession ins Defizit gehen und darüber die Konjunktur ankurbeln. Tatsächlich ging die Arbeitslosigkeit dadurch unter Hitler auf null, unter Roosevelt auf die Hälfte zurück. Aber die Staatsverschuldung explodierte, die Inflation zog an, das Ausland lieferte keine Waren mehr für die schwindsüchtige Reichsmark.
Das war 1936 der Moment, als Göring das Programm «Kanonen statt Butter» verkündete: Innerhalb von vier Jahren wollte man kriegsfähig werden. Tatsächlich: Der Raub von Rohstoffen und Arbeitssklaven in den besetzten Ländern sorgte endlich wieder für die Wertdeckung der vervielfachten Geldmenge im Dritten Reich. Auch die USA konnten angesichts gewaltiger Aufblähung der Dollar-Emmissionen ihre Währung nur sichern, indem sie militärisch für die Deckung durch die Reichtümer anderer Staaten sorgten: Sie brachten fast sämtliche Goldvorräte der Welt im Gegenzug für Kriegslieferungen in ihren Besitz.
Vielleicht weiß Merz das sogar, und vielleicht kam deswegen seine entspannungspolitische Wende in der Nahost-Politik am 8. August. Deutschland ist der zweitwichtigste Waffenlieferant für Israel. Dieses Geschäft des Todes weiterzubetreiben, obwohl Benjamin Netanjahu gerade eine Ausweitung des Gaza-Krieges bis zur vollständigen Vertreibung angekündigt hat, würde die BRD zum Komplizen eines Völkermordes machen und auch noch unsere letzten Absatzmärkte in der arabischen Welt zerstören – ja sogar in weiten Teilen des globalen Südens, der durchweg mit den Palästinensern sympathisiert. Doch Merz hat den Lieferstopp lausig vorbereitet. Die einsame Entscheidung kontrastierte grell mit dem Lob für Netanjahus «Drecksarbeit» im Zwölftagekrieg gegen den Iran, und noch im Juli hatte Merz die Unterschrift verweigert, als 25 Staaten einen sofortigen «Stopp des Gaza-Krieges» verlangten, darunter die Mehrheit der EU-Mitgliedsländer und selbst Großbritannien.
Ließe sich so ein Sturz von Merz und eine schwarz-blaue Regierung einfädeln?
An diesem Punkt einen – inhaltlich richtigen – Kurswechsel einzuleiten, hätte von einer argumentativen Offensive begleitet sein müssen. Stattdessen begnügte sich Merz mit einer dürren schriftlichen Begründung und rauschte dann in den Urlaub ab. Von allem anderen abgesehen zeigt das auch die personelle Auszehrung des Führungspersonals – der Kanzler hat keine Berater, und so war er dem einsetzenden Trommelfeuer der Israel-Lobby hilflos ausgesetzt. Vor dem Sturz hat ihn wohl nur gerettet, dass er in der zweiten geopolitischen Herzensfrage des transatlantischen Tiefen Staates, der Frontstellung gegen Russland, voll auf Linie blieb.
AfD ante portas
Wird sich dieser Spagat durchhalten lassen – im Nahen Osten deeskalieren, in der Ukraine eskalieren? Immerhin befindet sich Merz in beiden Fragen auch auf Konfrontationskurs mit der Trump-Administration. Wenn Washington die Bundesregierung wieder auf Linie bringen will, stünde ihr über die Achse von Richard Grenell und Jens Spahn ein Hebel zur Verfügung. Trumps früheren Botschafter in Berlin und den Unionsfraktionschef verbindet die homosexuelle Orientierung bei gleichzeitiger Ablehnung des Linksliberalismus. Ließe sich so ein Sturz von Merz und eine schwarz-blaue Regierung einfädeln? Aber die AfD wäre dafür, gottseidank, derzeit wohl nicht zu gewinnen, keinesfalls unter einem Corona-Hardliner wie Spahn. Auch die Alternativen haben jedoch ihre Israel-Lobby, und in der Ukraine-Politik würden sie im Falle einer Zuspitzung Washington folgen und den Frieden mit Moskau opfern.
Parteichefin Alice Weidel war in den entscheidenden Wochen im Sommerurlaub, besuchte unter anderem Richard Wagners Walküre in Bayreuth. Vielleicht ein gutes Zeichen: Sie gönnt sich etwas Ruhe, macht es also wie die früheren Kanzler – weil sie entschlossen ist, deren Nachfolge anzutreten. Schwarz-Blau wäre ein Weiter-So, aber Blau-Schwarz immerhin ein Neuanfang.
🆘 Unserer Redaktion fehlen noch 72.500 Euro!
Um auch 2025 kostendeckend arbeiten zu können, fehlen uns aktuell noch 72.500 von 125.000 Euro. In einer normalen Woche besuchen im Schnitt rund 250.000 Menschen unsere Internetseite. Würde nur ein kleiner Teil von ihnen einmalig ein paar Euro spenden, hätten wir unser Ziel innerhalb kürzester Zeit erreicht. Wir bitten Sie deshalb um Spenden in einer für Sie tragbaren Höhe. Nicht als Anerkennung für erbrachte Leistungen. Ihre Spende ist eine Investition in die Zukunft. Zeigen Sie Ihre Wertschätzung für unsere Arbeit und unterstützen Sie ehrlichen Qualitätsjournalismus jetzt mit einem Betrag Ihrer Wahl – einmalig oder regelmäßig: