Deutschland hat sich sicherheits- und außenpolitisch in eine Sackgasse manövriert. Neben der Schundregierung in Berlin trägt die Schuld daran vor allem der BND. Auch beim international einst renommierten deutschen Auslandsgeheimdienst scheint die Selbstverzwergung und Transformation zur unfähigen Schlapphut-Gurkentruppe erfolgreich abgeschlossen.
von Sven Reuth
Ende 2017 stelle eine Historikerkommission, die im Auftrag des Bundesnachrichtendienstes (BND) dessen Geschichte erforschte, ihre Ergebnisse vor. Für den einst legendären Gründer der Organisation, „Hitlers Top-Spion“ (Spiegel) Reinhard Gehlen waren sie wenig schmeichelhaft. Sein Dienst war zu seiner Zeit als Chef bis 1968 deutlich schwächer, als es im Nachhinein dargestellt wurde.
Gehlens Einblicke in die DDR waren oft armselig, und die Militäraufklärung funktionierte nur zeitweise, so BND-Militärhistoriker Hans-Dieter Müller in einem Spiegel-Interview. Die wirtschaftliche und die politische Spionage jenseits der Mauer könne man laut Partnern bei der CIA gleich ganz vergessen. Vom Balkan und von anderen Teilen Südosteuropas hatte der BND ebenfalls keine Ahnung.
Auch große Krisen des Kalten Kriegs hat der Bundesnachrichtendienst verschlafen – den Aufstand am 17. Juni 1953 hielt Gehlen sogar für eine Inszenierung Moskaus. Ähnlich war es mit dem Mauerbau und der Kubakrise.
Dabei hat Gehlen es vermocht, seine Organisation der Kontrolle des Bundestages zu entziehen. Und das war kein Zufall, denn neben politischem Intrigieren war auch Augenwischerei eines der Felder, die er perfekt beherrschte.
Nach Gehlens Abgang 1968 sah es im Dienst nicht besser aus. Die DDR-Spionage war gegenüber ihrem Gegenspieler im bayerischen Pullach nicht nur besser aufgestellt, sie war vor allem auch erfolgreicher. Östliche Geheimdienste hätten so genaue BND-Kenntnisse gehabt, dass sie die eigentliche Personalverwaltung in Pullach erledigen könnten, sagte Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom in einer Spiegel-Doku.
Gravierende Fehler
Was haben diese alten BND-Schlappen mit dem heutigen Ukraine-Krieg zu tun? Seit fünf Jahren residiert der deutsche Nachrichtendienst, wie die Chefs der Behörde es zu sagen pflegen, um den Begriff „Geheimdienst“ zu vermeiden, in einem ultramodernen Gebäudekomplex in Berlin-Mitte – der Umzug von circa 4.000 Mitarbeitern, 100.000 Kartons und 58.000 Möbelstücken war ein gewaltiges Projekt.
Neuer Ort, neue Akzente in der Personalgewinnung: Der BND setzt nun auf den jungen akademischen Nachwuchs und geht gern auf Messen. Gleichzeitig ging in ebenjenem akademischen Milieu in den letzten zwei Jahrzehnten die Zahl der Studenten der Russlandstudien kontinuierlich zurück. Russland und der postsowjetische Raum waren sowieso nie in Mode. Die jungen Deutschen bevorzugen seit Langem Weltreisen nach Lateinamerika und in die angelsächsische Welt. Russlandstudien wurden zunehmend nach Deutschland eingewanderten Russen und ihren Nachbarn aus GUS-Staaten überlassen.
Diese Leute haben aber oft kompliziertes Verhältnis zu ihren Herkunftsländern und wollen
Informationen liefern, die ihr eigenes Weltbild stützen. Russland sei ein Scheinriese und Schurkenstaat, lässt es sich in zwei Worten fassen. Seine legitime Interessen bestünden darin, sich dem Willen des Westens zu unterwerfen, ist daraus die logische Schlussfolgerung. Das sind aber die Postulate, die man auch auf deutschen Chefetagen hören will, und der BND ist da keine Ausnahme.
Folglich hat der Nachrichtendienst auch in der Bewertung Russlands einen gravierenden Fehler nach dem anderen gemacht. Und nicht nur da. Auch nach der Flucht aus Afghanistan mussten die Chefs aller drei deutschen Geheimdienste im Verteidigungsausschuss Rede und Antwort stehen. Ob sie die Kritiker mit ihrem Selbstlob bei Ausreden überzeugen konnten, ist ungewiss, aber dass die gute alte Gehlen’sche Augenwischerei-Tradition bei BND & Co. unbeschadet fortbesteht, müsste auch Außenstehenden durchs veröffentlichte Protokoll der Anhörung deutlich werden.
Blinder Fleck Russland
Und Russland? Mit Moskau befindet sich Deutschland ganz offiziell beinahe im Krieg („Wir leben nicht mehr im Frieden“). Ihre Aufgabe sehen die deutschen Geheimdienste BND und Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) vor allem darin, Blaulicht auf einem gepanzerten Bundeswehrwagen zu sein. Also liefern sie das, was das Militär auf dem Weg zur Kriegstüchtigkeit hören will: Überall lauern Putins Spione und Saboteure, die uns mit hybriden Attacken ständig angreifen. Also los, liebes Volk, an’s Gewehr!
Die Bundeswehr handelt auch nicht selbstbestimmt und erfüllt wiederum einen politischen Auftrag – derjenigen Kaste, die davon träumt, Russland zu besiegen. Und da, ganz nahe der politischen Spitze, sehen wir in guter alter Gehlen-Tradition nicht nur BND-Chef Bruno Kahl, sondern auch BfV-Chef Thomas Haldenwang, der nun für die CDU in Bundestag wechseln will. Seine Behörde trat in den letzten Jahren vor allem bei der Bekämpfung der AfD, von Corona-Dissidenten, Impfgegnern, sogenannten Reichbürgern, ausländischer Einflussnahme, vermeintlicher Desinformation“ und ähnlichem in Erscheinung.
BND-Chef Kahl, dessen Behörde sich im immer gefährlicher werdenden Konflikt in der Rolle des Scharfmachers eingerichtet hat, bringt im Bundestag den NATO-Bündnisfall ins Spiel, ohne jegliche Belege behauptend, dass Putin gegenüber der Bundesrepublik eine Feindesserklärung abgegeben habe. Wegen der Nicht-Früherkennung des versuchten Wagner-Aufstandes in Russland in Juni 2023 geriet der BND einmal mehr in die Kritik. Doch das wahre Versäumnis der deutschen Aufklärung, gerade mit Blick auf die Russlandpolitik liegt ganz woanders und wiegt viel schwerer.
Der BND hat vor allem die ökonomische Russlands und seine Fähigkeit, Sanktionen zu trotzen, falsch eingeschätzt. Er hat die Politik nicht vor waghalsigen Schritten in diese Richtung gewarnt. Die wirtschaftliche Rezession, die Energiekrise und die damit einhergehende Verarmung der Bevölkerung in Deutschland sind also auch Mitschuld des Dienstes. Ideologisch bedingtes Unverständnis, was Russland politisch überhaupt umtreibt, was es anstrebt, was eine Sicherheitsarchitektur in Europa für alle überhaupt bedeutet, führte dazu, dass die Bundespolitik, am Gängelband der USA bleibend, als EU-Macht immer größenwahnsinniger wurde.
Das Resultat: Die Bundesrepublik Deutschland steht laut BND mit dem langjährigen Partner Russland beinahe im Krieg, ist zum großen eigenen Nachteil zweitgrößter Ukraine-Lieferant („Egal, was meine Wähler dazu meinen“) und wird trotzdem – wenn es nun mal doch zu Verhandlungen im Ukraine-Konflikt kommt – gar nicht mit am Tisch sitzen dürfen. Alles Grundlegende, was für die europäische Sicherheitspolitik für Jahre und Jahrzehnte entschieden wird, wird ohne Deutschland entschieden.
Ja, der ehemalige „Hitler-Spion“ und BND-Gründer Gehlen war womöglich ein Hochstapler. Aber er hat es zumindest vermocht, das Bild eines funktionstüchtigen Geheimdienstes zu simulieren, und das hatte schon eine abschreckende Wirkung. Durch das Image seiner Behörde wurden also womöglich weitere Krisen vermieden. Heute besitzen die Nachrichtendienste in Deutschland weder politische Weitsicht noch die Fähigkeiten und schon gar nicht das Image früherer Zeiten. Man könnte fast lachen, wenn es nicht so traurig wäre.
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