Saudi-Arabien wird 2034 die Fußball-WM ausrichten, mit „einstimmiger“ Unterstützung des Deutschen Fußball-Bundes. Aber Moment mal: Islam, Scharia, Menschenrechte und Fußball. War da nicht was?
von Marco Pino
Die Entscheidung ist gefallen. Sie klingt mitunter so: Zum ersten Mal in ihrer Geschichte wird eine Fußball-Weltmeisterschaft auf drei Kontinenten ausgetragen, auf europäischem, afrikanischem und lateinamerikanischem Boden. Eröffnungsspiele in Uruguay, Paraguay und Argentinien, dann Umzug nach Spanien, Portugal und Marokko, das Finale dürfte wohl in Madrid stattfinden, am 21. Juli 2030. Klingt verrückt? Ist es auch. Aber das ist noch die bessere von zwei befremdlichen Nachrichten aus dem Hause des Weltfußballverbandes Fifa.
Die andere lautet: 2034 wird der große Fußballtroß zwar wieder in ein einziges Land auf einem einzigen Kontinent ziehen, das aber ist ausgerechnet Saudi-Arabien. Fifa-Präsident Gianni Infantino bezeichnete die Entscheidung als „historischen Kompromiß“, der die „Welt vereinen“ werde. Und diese angebliche Einigkeit wollte offenbar auch der DFB nicht stören, der mittlerweile von linken und grünen Funktionären dominierte Fußballverband hatte schon vorher angekündigt, daß sein Präsidium die Vergabe „einstimmig“ unterstütze.
Die Parallelen zu Katar sind offensichtlich
All das kommt nicht überraschend, es hatte sich abgezeichnet. Seit einigen Jahren investieren die Saudis erhebliche Summen in den Aufbau ihrer eigenen Profiliga, lockten mit absurden Gehältern manch alternden Superstar wie Cristiano Ronaldo ins Land. Bis 2034 wird man dort wohl ganze 15 hypermoderne Fußballarenen aus dem Wüstenboden stampfen. Und sollten diese nicht allesamt über gewaltige Klimaanlagen verfügen, dürfte den Fans die nächste Winter-WM blühen, wie anno 2022 in Katar.
Apropos Katar: Die Parallelen zum absurden Turnier am Persischen Golf sind mehr als offensichtlich. Auch im Falle Katars spielten offenbar Petrodollars bei der Fifa die entscheidende Rolle, rückten sämtliche Vorbehalte wegen der dort herrschenden Zustände in den Hintergrund. Menschenrechte? War da was? Jedenfalls nicht am 2. Dezember 2010, als die Vergabe nach Katar bekanntgegeben wurde.
Warum kam der Protest so spät?
Da hatte Deutschland gerade eine intensive Sarrazin-Debatte hinter sich. Wer es wagte, Kritik an Mißständen im islamischen Kulturkreis zu äußern, sah sich automatisch dem Vorwurf der „Islamophobie“ ausgesetzt. Und bis in Katar der Ball rollen würde, da werde sich das Emirat schon zur bunten, vielfältigen Musterdemokratie wandeln, sicher auch der Fußball-Weltmeisterschaft wegen, lautete mancherorts der Tenor.
Der Ausgang ist bekannt: Zwölf Jahre später, gefühlt wenige Wochen vor Beginn des Turniers, fiel den chronischen Moralisten im deutschen Medien- und Politikapparat auf, daß es in Doha ja doch nicht so bunt zugeht wie erhofft. Wo vorher jahrelang donnerndes Schweigen herrschte und alle Kritik in diese Richtung als „rechts“ gebrandmarkt wurde, konnte es urplötzlich nicht kritisch genug zugehen, begann die große Show der linksgrünen Symbole.
Von Mund-zu-Geste über Regenbogenarmbinde bis hin zum Quasiboykott durch sportlichen Ruin und frühes Ausscheiden der Nationalelf – die Deutschen blamierten sich gehörig auf der internationalen Bühne. Und mußten sich die alles entscheidende Frage gefallen lassen: Wenn das alles so schlimm ist in Katar, und das ist es, warum ist euch das nicht eher aufgefallen? Warum seid ihr nicht gegen die Vergabe vorgegangen, warum habt ihr das Turnier dann nicht von Beginn an boykottiert? Kurzgefaßt: Entweder, oder! Leider wahr.
Der DFB agiert heuchlerisch
Nun ist es recht schwer, überhaupt ein Land zu finden, in dem die Menschenrechtslage, nicht nur, aber auch mit Blick auf Homosexuelle, noch düsterer aussieht als in Katar. Doch wenn das die Anforderung an die Weltmeisterschaft 2034 gewesen sein sollte, die Fifa hätte sie mit Bravour erfüllt – und der rotgrüne DFB das Ganze „einstimmig“ durchgewunken. Das ist von so brachialer Heuchelei, daß dieses Mal selbst in Leitmedien schon an der Vergabe Kritik laut wird. Für den gemeinen Fußballfan heißt das: Schlimmer geht immer!
Nur zur Erinnerung: In Saudi-Arabien gilt die Scharia in ihrer eindrucksvollsten Ausprägung, Menschenrechte gibt es nicht, Gleichberechtigung von Mann und Frau ebenso wenig, Ehebruch, Homosexualität oder Blasphemie können, wie viele weitere Delikte, mit dem Tod bestraft werden. Zwar wurde das Auspeitschen als Strafe 2020 offiziell abgeschafft, dafür stieg in den vergangenen Jahren aber die Zahl der Hinrichtungen und erreichte laut Amnesty International 2024 den höchsten Wert seit Jahrzehnten.
Salafismus ist Staatsreligion in Saudi-Arabien
Der Islam salafistischer Prägung ist in Saudi-Arabien Staatsreligion, der genauso mächtige wie reiche Al-Saud-Clan herrscht seit 1932 über das Land, Staatsgründer König Abd al-Aziz ibn Saud hatte schätzungsweise eintausend Enkel, bis heute soll die Herrscherdynastie alleine 5.000 bis 7.000 lebende Prinzen hervorgebracht haben, die allesamt großzügig staatlich alimentiert werden. Derzeit herrscht offiziell König Salman ibn Abd al-Aziz Al Saud, der allerdings aufgrund gesundheitlicher Probleme das Amt des Premierministers schon 2022 an seinen Sohn und Kronprinzen Mohammed bin Salman übergab, der seither als De-facto-Herrscher gilt, und damit auch als zukünftiger „Hüter der heiligen Stätten“.
Gemeint sind die islamischen Heiligtümer Mekka und Medina, wobei für das berühmte Mekka, Ziel der islamischen Pilgerreise mit der Kaaba und der al-Harām-Moschee im Zentrum, bis heute gilt, daß der Zutritt nur Muslimen erlaubt ist. Wohlgemerkt: Die Rede ist von einer Stadt mit gut 2,5 Millionen Einwohnern, die der geneigte, nicht-muslimische WM-Tourist im Jahr 2034 aber besser von seiner Sightseeing-Liste streichen sollte. Genauso wie Bierkonsum, Regierungskritik oder sonstiges unislamisches Verhalten.
Das Milliarden-Netzwerk des Kronprinzen
Und nicht nur das: Der Kronprinz ist auch der Vorsitzende des saudi-arabischen Public Investment Fund (Pif), mit einem geschätzten Gesamtvermögen von 925 Milliarden Dollar einer der reichsten Staatsfonds der Welt. Und der wiederum ist in Sachen Sport höchst umtriebig, kaufte beispielsweise 2021 die Mehrheit am englischen Premier-League-Club Newcastle United. Einige weitere europäische Fußballvereine wie Manchester City, Atlético Madrid oder AS Rom haben mittlerweile Sponsoringverträge mit saudi-arabischen Unternehmen, die spanische La Liga und die italienische Serie A tragen ihre Supercups bereits in Saudi-Arabien aus.
Auch das erinnert stark an Katar, dessen Strategie ebenfalls darauf beruhte, mit seinen Petrodollars den europäischen Fußball zu infiltrieren – und mutmaßlich auf diesem Wege die nötige Anzahl an Funktionären auf seine Seite zu ziehen. So brach der große FC Barcelona anno 2010 mit seiner bis dahin 111jährigen Tradition, keine Werbung auf seinen Trikots zuzulassen. Zu verheißungsvoll waren offenbar die 170 Millionen Euro, die Katar über fünf Jahre zahlen sollte, um das Logo der staatseigenen „Qatar Foundation“ dort zu platzieren.
Auch der deutsche FC Bayern erfreute sich jahrelang katarischer Sponsorengelder, der französische Sitzenclub Paris Saint-Germain gehört den Kataris ganz. Und wie im Falle Katars geht auch das Engagement der Saudis weit über den Fußball hinaus: Von Kampfsport über Motorsport und Golf bis zu E-Sport übe der saudische Staatsfonds großen Einfluß aus, so das Ergebnis einer Recherche der dänischen Initiative „Play the Game“, die 910 Sponsoringgeschäfte des Königreichs in verschiedenen Sportarten identifiziert hat. Am mächtigsten ist das Netzwerk des Kronprinzen aber im Fußball. Und die selbst in Deutschland „einstimmige“ WM-Vergabe an den Wüstenstaat ist mehr als nur ein Indiz dafür.
Der Fußball bleibt auf der Strecke
Und warum das alles? Im „Play the Game“-Bericht wird vermutet, Saudi-Arabien wolle auf diesem Wege sein Image aufpolieren. Schillernde Sportevents, um krasse Menschenrechtsverletzungen zu kaschieren? Der Plan könnte aufgehen, wie er auch für Katar aufgegangen zu sein scheint. Zwar wurde das Turnier 2022 gerade hierzulande durchaus kritisch begleitet, doch bleibt es bei wenigen Wochen der Pseudokritik und erschöpft sich diese in peinlichen Symbolen, ist ihr Wirken offenbar nicht allzu nachhaltig, wenn nicht sogar kontraproduktiv. Auch das belegt die neuerliche WM-Vergabe ins Reich der Scharia.
Der Fußball bleibt bei alledem auf der Strecke. Nicht nur, daß das große Geschäft mit dem „Runden ins Eckige“ die Kultur seiner treuesten Anhänger immer stärker untergräbt. Schlimmer noch, stellen geldgierige Funktionäre die „schönste Nebensache der Welt“ einmal mehr bereitwillig als Propagandafläche für einige der unschönsten Hauptsachen auf dem Erdenrund zur Verfügung: Fundamentalismus, Totalitarismus, Freiheitsfeindlichkeit.
Aber wer weiß. Vielleicht geht ja dieses Mal der Traum der selbsterklärten Bunten in Erfüllung, Saudi-Arabien wird binnen zwölf Jahren zur Musterdemokratie und Manuel Neuer darf im Jahre 2034 endlich mit einer Regenbogenarmbinde über die Arabische Halbinsel ziehen, vielleicht ja sogar im Kreise um die Kaaba zu Mekka. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
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