Meinung

Thomas Gottschalk – Der letzte Gruß eines verschwundenen Landes

Der letzte Gruß eines verschwundenen Landes
Thomas Gottschalk: Mega-Klatsche gegen Politik, Fernsehen und Wokeismus

Es war absolut vernichtend fürs GEZ-System und für unsere rot-grünen Gesinnungswärter, was der Show-Gigant zum Abschied von „Wetten dass…“ sagte. Und offenbar nach Ansicht vieler Redakteure zu beunruhigend für die Normalbürger.

von Anna Gleichmann

Gestern Abend zur Primetime im ZDF: Gottschalk betritt die Halle, die Kamera schwenkt über das jubelnde Publikum. Man fühlt sich in vergangene Zeiten versetzt: Ein Publikum, so weiß und so deutsch, wie man es wohl nirgendwo sonst im Land noch antreffen kann. Das Faszinosum dieser Sendung kann wohl nur verstehen, wer schon länger in diesem Land gelebt hat: Gottschalk versuchte minutenlang, sich im tosenden Applaus Gehör zu verschaffen, und stellte dann sehr treffend fest, dass er nichts dafür kann, dass viele Menschen mit „Wetten, dass?“ die beste Zeit ihres Lebens verbinden. Die Wahrheit ist tatsächlich, dass viele der in diesem Land aussterbenden autochthonen Deutschen nostalgisch zurückdenken, als sie sich mit der ganzen Familie – die Kinder frisch gebadet, im Schlafanzug oder mit Bademantel – auf der Couch versammelten. Eine ganze Nation vereint vor dem Fernseher, um eine beliebte Samstagabend-Show zu schauen: So etwas wird es wohl nicht mehr geben.

Insofern war Gottschalks Abschiedsvorstellung wie der Nachruf auf eine behütete, friedliche und wohlhabende Ära, und vielen wird allmählich bewusst wird wie sehr sie dieses lebenswerte Deutschland vermissen. Wohl vor allem deshalb wollt sie gestern dieser finalen Sendung ein letztes Mal jenes Gefühl von Unbeschwertheit und Glück genießen, das für sie mit einer zwar nie perfekten, aber doch heileren Welt als heute assoziiert ist. Und Die Zuschauer wurden auf dieser Zeitreise nicht enttäuscht; schon mit der ersten Wette wurden alle Erwartungen erfüllt.

Nostalgikern kommen die Tränen

Als erster Wettkandidat kommt Horst auf die Bühne, ein lustiger älterer Herr in antiquiertem Outfit, dem die Herzen der Zuschauer schnell zufliegen. Horst ist ein Relikt aus einer Epoche, als im Ruhrpott die Milieus noch deutsch waren. Als „Rassegeflügelzüchter“ ist Horst überzeugt, Hähne unterschiedlicher Rassen am Krähen zu erkennen; fast schon ein Anachronismus in einer Zeit, in der allein schon das Wort „Rasse“ negativ konnotiert ist. Horst schafft es locker, das Krähen des Federviehs den richtigen Hähnen mit den Namen “Hermann der Dritte”, “Uli”, “Otto Waalkes”, “Bruce Lee” und “Käthe” zuzuordnen. Das Publikum jubelt und lacht vor Begeisterung, der Wettpate Matthias Schweighöfer ist hin und weg.

Dann folgt der erste Musikbeitrag, die gealterte Boygroup Take That ohne Robbie Williams, die nichts von ihrem Können verlernt hat, spielt live zwei Lieder aus ihrem neuen Album. Das Publikum ist begeistert, als Zugabe spielt Take That dann noch „back for good“, man fühlt sich in die Neunziger Jahre zurückversetzt, da kommen einem Nostalgiker schon fast die Tränen in Gedanken an eine verlorene Zeit.

Dahingeplätschere mit gelifteten Gästen

Die nächsten Wettpaten sind der Fußballweltmeister von 2014 Bastian Schweinsteiger mit Ehefrau Ana Ivanovic. Der blutige Held der WM 2014 – einer der letzten wahre Vertreter “deutsche Tugenden”, und seine Frau reagieren souverän auf Gottschalks Fragen. Gottschalk fabulierte dabei vom einstigen Glanz deutschen Fußballs und zählte Namen ehemaliger Fußballhelden auf wie Günter Netzer, Franz Beckenbauer und Lothar Matthäus auf – Personen, die wohl jeder über 40 noch kennt. Die anschließende Kinderwette rührt jeden.

Dann folgt Helene Fischer, die zusammen mit dem Influencer-Sternchen Shirin David eine Neuauflage von “Atemlos” als Reminiszenz an das Jahr 2014, dem Finale Grande eines verlorenen Landes via Playback inszenierte. Dieser Vorstellung ist allerdings mehr als peinlich verlaufen, Helene Fischer hat sich dem Niveau der Influencerin angepasst, ein Auftritt, den man sich nicht in Erinnerung behalten muss. Mit der unbekümmerten Helene, die einst vor dem Brandenburger Tor ausgelassen performte, hatte das nicht mehr viel zu tun.

Denkwürdiges Schlusswort zur Cancel Culture

Ein Highlight war dagegen der Videogruß der unsterblichen Rolling Stones, die leider nicht persönlich anwesend sein konnten, in dieser letzten “Wetten, dass?” Sendung. Anschließend  plätscherte die Sendung mit netten Gästen und schönen Wetten so vor sich hin. Das Urgestein Cher sang in gewohnter Professionalität ein Lied ihrer neuen Weihnachts-CD und bewies wieder einmal, dass es im Bereich der Schönheitschirurgie wahre Meister geben muss.

Recht pünktlich neigte sich die Veranstaltung ihrem Ende und Gottschalk verabschiedete sich – ohne großes Pathos und mit einem Statement, das so den Mainstreammedien wohl kaum gefallen konnte. Denn sein trauriges Fazit unserer Zeit – und das wird von diesem Abend wohl noch lange hängenbleiben – lautete am Ende sinngemäß: Früher habe er im Fernsehen genauso gesprochen wie zuhause; inzwischen spreche er zuhause anders als im Fernsehen. Das sei “keine dolle Entwicklung”, und bevor nun wieder irgendein verzweifelter Aufnahmeleiter herumrennende würde und “Panik vor einem einen Shitstorm” bekäme, wolle er, Gottschalk lieber gar nichts mehr sagen. Deutlicher kann man die mittlerweile herrschende cancel culture in diesem Land wohl kaum beschreiben.

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