Meinung

Ricarda Lang als Dampfwalze – eine Klatsche aus der bayerischen Provinz

Ricarda Lang als Dampfwalze – eine Klatsche aus der bayerischen Provinz
Kritik an Grünen-Politikern: Ein Gerichtsurteil macht Hoffnung

Das „Königlich Bayrische Amtsgericht“ war seinerzeit eine launige ZDF-Fernsehserie. Gestern gab es eine Fortsetzung mit der Grünen-Spitze – humorlos und beleidigt. Der vorgebliche Übeltäter war derjenige, der zuletzt lachte.

von Georg Etscheit

Während der Bayerische Landtag am Donnerstag in erster Lesung eine Änderung des Abgeordnetengesetzes debattierte, einen Katalog von Maßnahmen, mit denen (AfD-)Abgeordnete sanktioniert werden sollen, die mit „verbalen Ausfällen oder Störungen von Sitzungen“ auffallen, fiel vor den Toren Münchens im bayerischen Oberland ein Gerichtsurteil, das zumindest ein wenig Hoffnung macht, dass die Meinungsfreiheit doch noch nicht völlig dem linksgrünen Gesinnungsstaat zum Opfer gefallen ist. 

Der Medienrummel im Amtsgericht Miesbach, fünfzig Kilometer südlich von München, war beachtlich, die Stimmung unter den Justizbeamten angespannt. Beinahe hätte man einem der Einlass begehrenden Zuhörer einen Satz Aufkleber vom Nürburgring abgenommen. „Aber keinen Scheiß damit machen“, blaffte einer der Uniformierten den Mann an. Die Brezen von Meier Bäck in Gmund am Tegernsee, die der Angeklagte vor Sitzungsbeginn verteilte, waren ungeschoren durch die Sicherheitsschleuse gekommen. 

Um ihn ging es: Michael Much, 53, Unternehmer daselbst, hatte im September 2023, zwei Wochen vor den bayerischen Landtagswahlen, im Vorgarten seines Privathauses an einer viel befahrenen Bundesstraße zwei großflächige Plakate platziert. Auf einem der Banner ist die Co-Vorsitzende der Grünen, Ricarda Lang auf einer Dampfwalze zu sehen. Vor allem diese Dampfwalze sollte bei der Beweiserhebung eine herausgehobene Rolle spielen.

Neben Lang sieht man Cem Özdemir, dem eine Möhren (bayrisch: gelbe Rübe) aus den Ohren herausschaut, Robert Habeck in der Pose des Pleitiers mit leeren Taschen und Annalena als trotziges Kind. Darüber der Satz: „Wir machen alles platt“. Am Fuß des Plakats prangt das berühmte Habeck-Zitat „Vaterlandsliebe fand ich stets zum Kotzen.“ Auf dem anderen Banner ist Habeck mit drei abgestreckten Fingern abgebildet – und seiner ebenfalls legendären Einlassung: „Unternehmen gehen nicht insolvent, sie hören nur auf zu produzieren“. Darunter steht die rhetorische Frage: „Kann er überhaupt bis 3 zählen?“

Provinzposse zur Staatsaffäre gemacht

Much, der ein Taxiunternehmen besitzt und mit Autos und Immobilien handelt, hatte die Plakate im Internet entdeckt und kurzerhand aufgestellt, um seiner „Meinung Ausdruck zu verleihen“. Er leide als Unternehmer sehr unter der Wirtschaftspolitik der Ampel, den hohen Energiekosten, gestörten Lieferketten. „Manchmal muss ich auf ein Ersatzteil die Monate warten, weil gerade wieder ein Zulieferer insolvent gegangen ist.“ Und wenn dann einer wie Habeck sage, dass Unternehmen nicht pleite gingen, sondern nur aufhörten zu produzieren, „dreht sich einem der Magen um“. 

Die Plakate standen ein paar Tage unbehelligt, als laut Aussage eines mit dem Fall befassten Beamten der Polizeiinspektion Bad Wiessee „Bürger mit Hund“ Anzeige erstattete. Die Plakate seien diffamierend, meinte der Bürger mit Hund, die Polizei fand das auch, legte die Plakate um, woraufhin sie Much wieder aufstellte, was die aus München angereiste Staatsanwältin als strafverschärfend wertete. Dann gab es die heute schon bei Bagatelldelikten übliche Hausdurchsuchung. Zur Beschlagnahme kamen die beiden Plakate sowie „fünf Kabelbinder schwarz“ und „zwei Kabelbinder weiß“.

Schließlich flatterte Much ein Strafbefehl ins Haus. 6.000 Euro sollte er zahlen wegen „Beleidigung, übler Nachrede und Verleumdung von Personen des öffentlichen Lebens“. Kein Pappenstiel. „Unternehmer verhöhnt Grüne“, titelte der Mainstream und „Kritik an den Grünen kann sehr teuer werden.“ So landete der Fall bei Walter Leitner Interview mit Richter Walter Leitner: So sieht der Alltag am Amtsgericht aus (merkur.de), Richter am Amtsgericht Miesbach. Und man kann sagen, wäre die Staatsanwaltschaft mit ihrem hanebüchenen Vorwurf durchgekommen und hätte das Urteil den Instanzenweg überstanden: Es wäre das Ende der Meinungsfreiheit gewesen, wie wir sie kennen. Satirisch zugespitzte Kritik am politischen Personal der Republik wäre wohl nicht mehr möglich gewesen, was einem Arbeitsverbot für Karikaturisten gleichgekommen wäre.

Richter Leitner, weißer Haarkranz, väterlicher Habitus, verkörpert (noch) das Bild des erfahrenen Amtsrichters bayerischer Prägung. Die ziemlich junge Staatsanwältin wirkte fahrig, manchmal hatte man den Eindruck, dass sie der Fall nicht sonderlich interessiere. Ahnte sie, auf verlorenem Posten zu stehen? Was wiederum die Frage aufwirft, warum es überhaupt zu der Anklage kam. Wollte jemand, womöglich mit Rückendeckung der Politik, ein abschreckendes Exempel statuieren, selbst auf die Gefahr hin, vor Gericht zu unterliegen? Ihr gegenüber der Angeklagte sowie seine beiden Verteidiger, ein Strafrechtler sowie ein Medienanwalt aus Berlin. Immerhin ging es ja um vier leibhaftige Mitglieder der Bundesregierung, denen Much allesamt die Ehre abgeschnitten haben sollte. Baerbock selbst hatte sogar persönlich Strafantrag gegen Much gestellt. So wurde aus der Provinzposse fast so etwas wie eine Staatsaffäre.

Untere Extremitäten abgeschnitten

Während der Beweisaufnahme vertrat die Staatsanwaltschaft die Meinung, dass die Meinungsfreiheit umso stärker zurücktreten müsse, je mehr Emotionen geweckt würden. Besonders anstößig empfand sie die Darstellung von Grünen-Co-Chefin Ricarda Lang als Dampfwalze, wobei es ihr darum ging, nachzuweisen, dass der Karikaturist, der die Plakate geschaffen hatte, die unstrittigerweise adipöse Politikerin nicht einfach auf eine Dampfwalze gesetzt, sondern ihre unteren Extremitäten abgeschnitten habe, sodass sie nahtlos in die Dampfwalze übergehe. Dies habe mit Kritik an ihrer Politik nichts mehr zu tun, sondern sei „reine Stimmungsmache“ und in besonderer Weise geeignet, ihre Menschenwürde zu verletzen. 

Dass es sich dabei um Satire gehandelt haben könnte, fiel der Staatsanwältin offenbar nicht ein, das Wort erwähnte sie kein einziges Mal. Die Verteidigung hielt mit einer Flut von Gerichtsentscheidungen dagegen, in denen Übertreibung im Rahmen „zulässiger Machtkritik“ als Wesensmerkmal der Satire definiert werde. Genüsslich zitierte einer der Verteidiger den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU), der in seiner jüngsten Aschermittwochsrede Bundesumweltministerin Steffi Lemke als „grüne Margot Honecker“ „Diffamieren“: Lemke kritisiert Söders Honecker-Vergleich – ZDFheute bezeichnet hatte. Das sei schon eine ganz andere Hausnummer. Und Alice Weidel dürfe man straflos als „Nazi-Schlampe“ schmähen. Satire!

Alles andere als ein Freispruch wäre ein Justizskandal erster Güte gewesen. Richter Leitner mahnte zwar, dass auch Politiker kein Freiwild seien, doch sie hätten eben mehr einzustecken als Privatleute. Und wie man die Dampfwalze sehe, liege jeweils im Auge des Betrachters, wobei rechtlich die schwächere Deutungsversion zu gelten habe. Ein wenig „im Zweifel für den Angeklagten“ schwang in diesem salomonischen Urteil mit. Ob die Staatsanwaltschaft in Berufung geht, stand am Ende des Prozesses noch nicht fest. Michale Much zeigte sich erleichtert. Auf die Frage, ob er die Plakate jetzt wieder aufzustellen gedenke, meinte er: „Wohl nicht, aber meine Meinung ist angekommen.“ 

Ein BR-Reporter wollte noch wissen, ob der Ton in der öffentlichen Auseinandersetzung nicht vielleicht doch zu rau geworden sei. Ricarda Lang als Dampfwalze? Aber sowas auch.

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