Hessen war einmal Romantik pur: Hier entstanden die Märchen der Gebrüder Grimm, hier klapperte die Mühle am rauschenden Bach und führte ein Brücklein über den Main. Heute weht der Geist dieser mythischen alten Tage nur noch in wenigen naturbelassenen Wäldern.
von Jan Nolte
Typisch Hessen, was ist das? Da fällt den Leuten zuerst oft Äppelwoi aus dem Bembel, Handkäs mit Musik oder die berühmte grüne Sauce ein. Ohne Frage schöne Dinge, aber unser Bundesland hat weitaus mehr zu bieten. Es ist nicht nur geographisch das Herz Deutschlands, sondern hat auch mit seiner langen und altehrwürdigen Kulturgeschichte einen zentralen Platz unter den zahlreichen prägenden Regionen unseres Vaterlandes verdient. Mit dem 1749 in Frankfurt geborenen Johann Wolfgang von Goethe gehört etwa der sicherlich berühmteste Dichter Deutschlands zu Hessen, wie auch Georg Büchner, Hans Jakob von Grimmelshausen sowie natürlich die Gebrüder Grimm.
Im Land der Sagen
Letzteren ist es zu verdanken, dass Hessen bis heute als Märchen- und Sagenland gilt: Die beiden Brüder entfalteten in ihrer heimatlichen Verbundenheit eine enorme erzählerische Schaffenskraft, die sich aus alten Legenden und der malerischen Natur speiste. Von ihrem Geburtsort in Hanau wussten die beiden in fast schon epischer Verklärung zu berichten: «Nicht minder lebhaft steht mir noch in Gedanken, wie wir beide, Jacob und ich, Hand in Hand über den Markt der Neustadt (…) gingen (…) und in kindischer Freude stehen blieben, um dem goldenen Hahn auf der Spitze des Turmes zuzusehen, der sich im Winde hin und her drehte.»
Das Dornröschenschloss Sababurg oder der Frau-Holle-Teich auf dem Meißner inspirierten die Gebrüder Grimm.
Heute erinnern in der malerischen Fachwerkstadt noch Gedenktafeln an ihr Wirken, darunter das 1896 eingeweihte Nationaldenkmal, das heute den Ausgangspunkt der deutschen Märchenstraße bildet. Das Studium führte die Grimms schließlich nach Marburg, von dessen «Schloss auf dem Berge, (…) in der Abendsonne vergoldet» die beiden schwärmten. Später führte sie ihr Fleiß nach Kassel, wo sie zwischen 1798 und 1841 deutsche Sagen sammelten, die heute als «Kinder- und Hausmärchen» zum Unesco-Weltdokumentenerbe gehören.
Es dürfte heute kaum einen Menschen auf der Welt geben, der nicht die Märchen von Dornröschen, Schneewittchen oder Hänsel und Gretel kennt. Und wer sehenden Auges Hessen bereist und sich an dessen Geschichte, Kultur und Natur erfreut, der kann immer noch ein wenig nachvollziehen, woher die Inspiration der Grimms rührte. Die Brüder verbrachten viel Zeit damit, ihre Heimat zu erkunden und in den urwüchsigen Wäldern nach den Ursprungsorten alter Überlieferungen zu forschen.
So gibt es Schilderungen in Grimms Märchen, die an hessische Landschaft und Landmarken erinnern, wie zum Beispiel das «Dornröschenschloss» Sababurg oder der «Frau-Holle-Teich» auf dem Meißner. Dabei spielt es keine große Rolle, ob alle diese Märchen wirklich authentisch sind oder auch nur einen wahren Kern beinhalten. Es ist der Forschung nicht unbekannt, dass gerade Wilhelm Grimm mündlich tradiertes Kernmaterial romantisch ausschmückte und den eigenen Vorstellungen anpasste, doch tut dies dem Genie der Brüder oder dem kulturellen Wert ihrer Arbeit keinen Abbruch. Die moralischen Vorstellungen und Tugenden, die ihre Werke vermitteln, sind tief in unsere Volksseele eingelassen.
Windmonster im Märchenwald
Um die damals noch so intakte Natur Hessens ist es indessen heute schlecht bestellt. Bizarrerweise ist es die schwarz-grüne Landesregierung, die plant, unsere Wälder mit Windparks zu verschandeln. Dafür sollen in Teilen sogar Naturschutzgebiete weichen und auf dem Altar einer falschen Energiewende geopfert werden.
Riesige Waldflächen sollen für Windparks geopfert werden.
Insgesamt zwei Prozent Wald sollen für diese fragwürdige Politik verschwinden. Das klingt zunächst nach wenig, schließt aber in Wahrheit riesige Gebiete ein – und das vor allem in geschützten Forsten! Es grenzt an Satire, dass mit den Grünen gerade jene Partei, die in den 1980er Jahren das angebliche Waldsterben zur größten Naturkatastrophe aufgebauscht hatte, heute bereitwillig uralte Baumbestände abholzen lassen will. Dies wirft auch ein bezeichnendes Licht auf die Doppelmoral der einstigen Ökopaxe: Im Hambacher Forst in Nordrhein-Westfalen wollen sie – zusammen mit Militanten – Rodungen verhindern, die Flächen für den Braunkohletagebau schaffen sollen. Wenn der Kahlschlag hingegen für den Ausbau der Windenergie erfolgt, wie bei uns in Hessen, sind sie es selbst, die die Abholzungsfirmen beauftragen… Viele Waldbesitzer sind empört. Unterstützt werden sie nur von der AfD, die die Kulturlandschaft bewahren will – und vor Belastungen der Menschen in der unmittelbaren Nachbarschaft der Windparks warnt. «Durch die derzeitige Klimahysterie wird der Schutz von der Bevölkerung völlig ausgeblendet», konstatiert Landtagskandidatin Claudia Papst-Dippel aus Waldeck-Frankenberg in Nordhessen. «Neueste medizinische Studien zum Infraschall belegen eine Wirkung auf unser zentrales Nervensystem und unsere Psyche», mahnt sie.
Auferstehung einer Altstadt
Es gibt allerdings auch Positives zu berichten, wenn es um den Schutz hessischer Heimat und Kultur geht: In Frankfurt werden modernistische Nachkriegsbauten aus der Innenstadt zurückgedrängt, stattdessen historische Straßenzüge wiederaufgebaut. Bisher sind 15 Rekonstruktionen und 20 Neubauten entstanden, wobei letztere typische Stilelemente der mittelalterlichen Altstadt zwecks ästhetischer Kontinuität in ihrer Fassade integriert haben. Seit der Eröffnung des Komplexes am 9. Mai kann sich Frankfurt endlich in die Reihe jener Städte wie Dresden oder Potsdam einreihen, die bereits erfolgreich Teile ihres mittelalterlichen Stadtbildes wiederhergestellt haben.
Dabei darf man nicht nur an die touristische Attraktivität denken, die solche Projekte ohne Frage mit sich bringen. Das ist zwar für den Einzelhandel wie auch für die Gastronomie ein Gewinn, aber es geht um noch viel mehr: Die Bürger wollen nicht mehr als entwurzelte Konsumenten in einem leeren Raum ohne geschichtlichen Bezug leben. Es ist kein Wunder, dass gerade angesichts wachsender Unsicherheit und Heimatverlust die Sehnsucht nach Wiederfinden historischer Erinnerungen auch im unmittelbaren Wohnumfeld wächst. Eine behutsame Konstruktion wie in Frankfurt vermag dabei sowohl Altes wiederherzustellen als auch Neues in Form und Ästhetik in das architektonische Ensemble einzubetten.
Dass dies geschehen konnte, ist auch der Verdienst aufrechter Patrioten, die sich mit ihrem Ansinnen gegenüber den Blockaden der etablierten Politik durchsetzten. Seit die Initiative für einen Wiederaufbau der Frankfurter Altstadt 2005 von Dr. Claus Michael Wolfschlag angeregt wurde, gab es Widerstand gegen das Begehren. Damals kam der unter anderem aus Richtung jener Altparteien, die sich heute selbst die Orden für das erfolgreich umgesetzte Projekt anheften wollen.
Geschichtsrevisionist Goethe
«Ein ähnlicher Streit {wie 2018 um die Restaurierung der Altstadt} hatte in Frankfurt schon in den frühen 1950er Jahren um die Rekonstruktion von Goethes im Krieg zerstörten Geburtshaus getobt. Auch damals gab es Stimmen (…), die fanden, dass die Frankfurter damit ”die Spuren des Nationalsozialismus und damit auch der eigenen Schuld löschen wollten”. Aber andere fanden den stilgetreuen Wiederaufbau richtig – und zu ihnen gehörten mit Hermann Hesse, Thornton Wilder und Albert Schweitzer nicht ganz dumpfe oder rechtslastige Leute.» (Deutschlandfunk, 23.4.2018)
Noch aggressiver war das Sperrfeuer modernistischer Architekten wie Stephan Trüby, der Mitte April in der FAZ unkte: «Die Rekonstruktionsarchitektur entwickelt sich in Deutschland derzeit zu einem Schlüsselmedium der autoritären, völkischen, geschichtsrevisionistischen Rechten.» Projekte wie in Frankfurt seien «unterkomplexes Heile-Welt-Gebaue», welches «den Holocaust herunterstuft». «Ist Fachwerk faschistisch?» war ein Artikel in der Tageszeitung Die Welt übertitelt. Die linke Architekturzeitschrift Arch+ hat per Petition einen «Rekonstruktions-Watch» gefordert, eine Art Wächterrat, um die angebliche völkische Unterwanderung von Wiederaufbauprojekten zu verhindern… Es ist nur logisch, dass Zeitgenossen, die gerne alles Alte abreißen und durch seelenlose Glas-Stahl-Kuben ersetzen wollen, die Wiederauferstehung historischer Viertel nicht gefällt. Das ist aber noch lange kein Grund, solche aus der Bevölkerung getragenen Projekte mit der Auschwitz-Keule niederzuknüppeln.
Gottlob funktioniert das auch nicht mehr, wie das Beispiel Frankfurt zeigt. Viele Bürger haben erkannt, dass unsere Geschichte – horribile dictu – weiter zurückreicht als 1933. Und hier liegen die meist dem linkskulturellen Milieu angehörigen Kritiker zumindest nicht ganz daneben, wenn sie behaupten, in der Sehnsucht nach Rekonstruktion kämen konservative Tendenzen zum Vorschein.
Denn auch das ist wahr: Anders als die Linke kennt das rechte politische Spektrum weder unumkehrbare Fortschrittsgläubigkeit noch Berührungsängste mit der deutschen Vergangenheit. Und nicht nur das: Die Rechte geht auch davon aus, dass aus dem Wiederfinden unserer Wurzeln Segensreiches entstehen kann – etwas, das den Menschen Halt gibt und sie einbettet in ein größeres Ganzes mit traditionellen Normen und Regeln.
Bei den nächsten Landtagswahl hat der hessische Bürger die Chance zu zeigen, was er von der schwarz-grünen Tabula rasa hält und wie viel Grimm’scher Geist in ihm steckt. Für meine Heimat hoffe ich das Beste, denn sie ist – mit ihrer ganzen Tradition und kulturellen Vielfalt – des Bewahrens wert.
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