Deutschland

Cum-Ex-Skandal: Der Zeitstrahl, der Kanzler Scholz überführt

Cum-Ex-Skandal: Der Zeitstrahl, der Kanzler Scholz überführt
Warburg Bank und Bundeskanzler Olaf Scholz: Paradebeispiel für politische Einflussnahme

Dokumente des PUA Hamburg, die Anonymous News exklusiv vorliegen, zeigen einen genauen Zeitverlauf der Cum-Ex-Affäre um die Warburg Bank und Olaf Scholz in Hamburg – und sie zeichnen ein eindeutiges Bild der politischen Einflussnahme.

von Henry Albrecht

Der Cum-Ex-Skandal ist vermutlich die brisanteste politische Affäre dieser Zeit in Deutschland – und doch spielt sie eine medial eher untergeordnete Rolle. Obwohl es um das politische Überleben des Bundeskanzlers geht. Der simple Grund vermutlich: Die Vorgänge sind derart verstrickt und kompliziert, dass sie schlichtweg nicht verstanden werden. Ein Millionenraub getarnt im Nebel der Komplexität.

Cum-Ex-Skandal: Der Zeitstrahl, der Kanzler Scholz überführt

Klar wird nun allerdings die Affäre, was die Rolle von Olaf Scholz betrifft, aus dem zeitlichen Verlauf des Jahres 2016. Dokumente des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses in Hamburg enthalten einen detaillierten Zeitstrahl der ermittelten Vorgänge, sie liegen Anonymous News exklusiv vor. Auf dieser Basis ergibt sich die Möglichkeit einer Rekonstruktion.

Was ist ein Cum-Ex-Geschäft?

Aber vielleicht von vorne: Cum-Ex-Geschäfte sind komplexe Aktiengeschäfte, die sich um den Zeitpunkt der Dividendenausschüttung drehen – vor der Ausschüttung (cum) sind die Aktien mehr wert als danach (ex). Mittels Leerverkäufen werden Aktien dabei zwischen Parteien so hin und her geschoben, dass für das Finanzamt nicht nachvollzogen werden kann, wem welche Aktie zu welchem Zeitpunkt wirklich gehörte. Institutionelle Anleger haben grundsätzlich die Möglichkeit, sich die Kapitalertragssteuer (25 Prozent auf Gewinne aus Kapitalgeschäften) vom Finanzamt rückerstatten zu lassen. Durch die Cum-Ex-Methode gelingt es dabei Investoren, sich Steuern zurückerstatten zu lassen, die sie eigentlich gar nicht gezahlt hatten – und so Steuergelder abzugreifen.

Im Jahr 2016 geriet nun die Hamburger Privatbank M.M. Warburg ins Visier von Staatsanwaltschaft und Steuerfahndern aus Nordrhein-Westfalen. Der Vorwurf lautete, dass die Bank sich zwischen 2006 und 2011 durch Cum-Ex-Geschäfte unrechtmäßig etwa 170 Millionen Euro an Steuerrückerstattungen erschlichen haben soll. Hier beginnt die Aufklärung eines Skandals, der Deutschland seit über einem halben Jahrzehnt beschäftigt. Im Zentrum des Skandals, steht ausgerechnet der Mann, der seit 2021 die politischen Geschicke in Deutschland lenkt – Bundeskanzler Olaf Scholz.

Während die Steuerbehörden über die potenzielle Rückforderung der mutmaßlichen Cum-Ex-Millionen entscheiden mussten, führte er mehrere Treffen mit den Mitinhabern der Bank, um den Fall zu besprechen. Die Banker beabsichtigten, durch diese Treffen die Millionenforderung zu verhindern – das ist aus Tagebucheinträgen bekannt. Kurze Zeit später verzichtete das Finanzamt dann tatsächlich auf die Rückforderung. Parallel floßen von der Bank sowohl Spendengelder an die Hamburger SPD, als auch privat an SPD-Politiker. Scholz bestreitet, Einfluss auf die Entscheidung des Finanzamts genommen zu haben.

Die Machenschaften von Kahrs und Pawelczyk

Im Zwischenbericht des parlamentarischen Untersuchungsausschusses in Hamburg wird ein detaillierter Einblick in die Rolle von Alfons Pawelczyk und Johannes Kahrs – beide Politiker der SPD in Hamburg – im Zusammenhang mit den Cum-Ex-Geschäften der Warburg Bank gewährt. Die handschriftlichen Notizen von Warburg-Chefs Olearius mit dem Titel „Hexenjagd“ werfen ein Licht auf die Ereignisse rund um die Durchsuchung der Bank im Jahr 2016, sowie auf die Ausführungen der BaFin und der KPMG zu den Cum-Ex-Geschäften. Diese Notizen, obwohl undatiert, enthalten eine kurze Liste von Personen, die eine „Mitteilung“ oder einen „Dank“ erhalten haben oder erhalten sollen. Hierbei wird Herr Pawelczyk als Person auf der Liste „Dank“ aufgeführt, und hinter seinem Namen ist ein Haken gesetzt.

Interessanterweise sind auf weiteren Blättern der Notizen das Datum 1. November 2016 und kurze Listen für Personen vermerkt, die eine „Mitteilung“ oder einen „Dank“ erhalten haben oder erhalten sollen. Am 22. November 2016 informierte Olearius Pawelczyk laut Tagebucheintragung über die Entwicklungen. Die Tagebuchnotizen legen nahe, dass Pawelczyk sich einen Anteil an der positiven Wendung des Falls zusprach. Als Dank für die Hilfestellung lud Olearius Pawelczyk zum Jahresausklang 2016 zu einem Lunch ein. Dieser Termin wurde bereits am 12. Dezember 2016 in einer bankinternen E-Mail kommuniziert. Am 23. Dezember 2016 ging laut Vermerk des Landeskriminalamts Nordrhein-Westfalen eine Überweisung der Warburg Gruppe in Höhe von 29.750 Euro auf Pawelczyks Konto ein, gekennzeichnet als „Rechnung 1/2016“.

Cum-Ex-Skandal: Der Zeitstrahl, der Kanzler Scholz überführt

Neben Pawelczyk wird auch die Rolle von SPD-Politiker Kahrs im Jahr 2016 genauer betrachtet. Der Tagebucheintrag vom 21.03.2016 dokumentiert ein Treffen mit Kahrs, Olearius und Pawelczyk, bei dem Trost und das „Relativieren des Vorgangs“ besprochen wurden. Am 24. Juli 2016 war Kahrs laut seinem Terminkalender als damaliger Finanzsenator von 15.15 Uhr bis 15.30 Uhr mit Finanzsenator Peter Tschentscher verabredet. Das genaue Thema dieses Treffens bleibt in den Unterlagen des Untersuchungsausschusses ungenannt.

Für den 5. August 2016 ist in den Tagebüchern von Olearius festgehalten, dass Kahrs nach Lektüre der Unterlagen Gespräche mit der Leitung der BaFin oder dem Bundesfinanzministerium führen wollte, um „die Bösartigkeit aus der Geschichte zu nehmen“. Am 18. August 2016 notierte Olearius, dass Kahrs angerufen habe und sich daraufhin entschieden wurde, dass Kahrs mit Max (Name in Aufzeichnungen unleserlich) und Olearius die Spitze der BaFin aufsuchen sollte.

Am 29. August 2016 sendete Olearius ein persönliches und vertrauliches Schreiben an Kahrs, in dem er die Kernpunkte und eine Zusammenfassung des Falles übermittelte und bat, den Termin mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht erst Ende September oder Anfang Oktober stattfinden zu lassen. In diesem Schreiben informierte Olearius Kahrs über den Sachverhalt und bat ihn, Einfluss auf die BaFin auszuüben. Die Bundesregierung bestätigte in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage, dass Kahrs am 01.09.2016 einen Telefontermin zum Thema Cum-Ex mit dem damaligen Chef der Bankenaufsicht, Hufeld, hatte.

Diese Informationen zeichnen ein komplexes Bild von den Aktivitäten von Pawelczyk und Kahrs im Zusammenhang mit den Cum-Ex-Geschäften der Warburg Bank im Jahr 2016. Die detaillierten Tagebuchaufzeichnungen und Dokumentationen belegen eine enge Verflechtung dieser Akteure mit den Geschehnissen, wobei Versuche zur Beeinflussung von Entscheidungen und Gesprächen mit relevanten Institutionen dokumentiert sind.

Darüber hinaus wurde bekannt, dass Kahrs nicht nur in Verbindung mit den Cum-Ex-Geschäften der Warburg Bank stand, sondern auch eine Rolle in der Organisation von erheblichen Parteispenden der Bank an die SPD spielte.

Tschentscher und das Finanzamt

Die Zeugin Karin Ohse-Griem, Vorsteherin des Finanzamts für Großunternehmen, gab vor dem Untersuchungsausschuss in Hamburg an, dass im Jahr 2016 mehrere Besuche von Finanzsenator Tschentscher im Finanzamt stattfanden. Bei diesem Besuch wurde auch die Cum-Ex-Problematik thematisiert, allerdings wurde betont, dass es sich um eine allgemeine Darstellung des Themas handelte und nicht auf den Einzelfall bezogen war. In einer späteren Vernehmung im August 2022 ergänzte die Zeugin, dass Tschentscher bei seinem Besuch in einer großen Runde Informationen zu verschiedenen Themenbereichen erhalten habe.

Tschentscher besuchte das Finanzamt für Großunternehmen am 25. April 2016, wie aus einem Tweet vom 07. Mai 2016 hervorgeht. In diesem Zusammenhang erklärte er, dass bei diesem Besuch Konzernbetriebsprüfer Cum-Ex-Geschäfte auf einem Flipchart erklärten. Tschentscher betonte, dass er das Thema mitgenommen habe und betontes Engagement für die Verfolgung von Cum-Ex-Strukturen zeigte. Es wurde nicht hinterfragt, ob Cum-Ex der Hauptanlass für den Besuch war.

Zum zweiten Besuch am 25. August 2016 machte Tschentscher keine konkreten Angaben zu Anlass und Inhalt. Er erinnerte sich daran, dass bei einem Besuch über Cum-Ex-Strukturen auf einem Flipchart gesprochen wurde, jedoch nicht anhand eines konkreten Falls. Auf die Frage nach einem spezifischen Besuch am 25. August antwortete er, dass er sich nicht genau erinnern könne.

Die Person Scholz

In den parlamentarischen Untersuchungen zur Rolle von Olaf Scholz im Cum-Ex-Skandal wurden mehrere Treffen des Ersten Bürgermeisters Hamburgs mit den Anteilseignern der M.M. Warburg & CO Gruppe GmbH im Jahr 2016 thematisiert. Am 07. September 2016 und am 26. Oktober 2016 fanden Gespräche im Rathaus und am 09. November 2016 ein Telefonat zwischen Scholz und Olearius statt. Die Gesprächsinhalte wurden jedoch nie protokolliert, und erst nach Medienberichten im Jahr 2020 wurden diese Treffen öffentlich bekannt.

Bei den Vernehmungen betonte Olaf Scholz, dass er aufgrund des Steuergeheimnisses keine genauen Auskünfte über die Gesprächsinhalte geben könne. In seiner Aussage vom 30. April 2021 sagte er, keine eigene Erinnerung an die Abläufe und konkreten Inhalte der Gespräche zu haben. Ohne die Kalendereinträge aus der damaligen Zeit könne er nicht präzise beschreiben, wann die Treffen stattfanden.

Scholz räumte ein, dass es drei Begegnungen und ein kurzes Telefonat gab, wie aus den Tagebuchaufzeichnungen von Olearius hervorgeht. Allerdings ist die Frage nach der genauen Anzahl der Treffen und den konkreten Gesprächsinhalten weiterhin unklar. Die Vernehmung vom 30.04.2021 offenbarte, dass Scholz zunächst nicht angab, dass ein Vertreter der Behörde für Wirtschaft und Innovation, Herr Gernegroß, an dem Treffen am 07. September 2016 teilnahm. Diese Information wurde erst während der Vernehmung bekannt und war vorher weder aus den Unterlagen noch aus den Tagebuchaufzeichnungen ersichtlich.

Die Vernehmung vom 30.04.2021 zeigte, dass Scholz „keine eigene Erinnerung“ bzw. „keine detaillierte, aktive Erinnerung“ an die Inhalte und den Verlauf der Gespräche haben will. Es seien keine Handlungen aus den Gesprächen erwachsen. Allerdings sieht es im zeitlichen Zusammenhang mehr als eindeutig aus – insbesondere, wenn man die Machenschaften seiner Parteifreunde miteinrechnet.

Der Verlauf des Jahres 2016 wirft ein Schlaglicht auf die engen Verflechtungen der SPD Hamburg im Cum-Ex-Fall. Die parlamentarischen Untersuchungen haben gezeigt, dass hochrangige SPD-Politiker wie Johannes Kahrs und Johannes Pawelczyk in enger Verbindung zu Vertretern der Warburg Bank standen.

Es geht hier in Teilen um nichts anderes als Korruption. Scholz‘ Schergen profitierten von dem Warburg-Deal und es erscheint aufgrund engen Verbindungen sehr unwahrscheinlich, dass Scholz nicht in die Privilegierung der Bank verstrickt gewesen sein soll.

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