Deutschland

Der grüne Krieg gegen die Bauern

Der grüne Krieg gegen die Bauern
Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft: Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen)

Tausende Landwirte demonstrieren gegen die Agrarpolitik der Ampelregierung. Es geht dabei nicht nur um ein paar Euros mehr oder weniger, die den Bauern vom Staat abgeknöpft werden. Die Landwirte wehren sich gegen die nun schon jahrelang zunehmende Gängelung durch die grüne Politik. 

von Larissa Fußer

Ein Miniatur-Bauernhof mit Holztieren, Filzpuppen und selbstgebastelten Papier- und Knetfrüchten war das Highlight der Spielecke im Prenzlauer Berger Kindergarten, den ich Anfang der 2000er Jahre besuchte. Völlig versunken, konnten meine Spielkameraden und ich Kühe verschieben, Bauern von Feld zu Feld befördern und immer neue Früchte basteln, wenn uns der Ertrag unserer Ernte nicht reichhaltig genug war. Man kann sich gut vorstellen, dass sich auch unsere Grünen-Politiker Cem Özdemir, Annalena Baerbock und Ricarda Lang in ihrer Kindheit auf diese Art und Weise als Landwirt-Mogul versucht haben.

Wer weiß, vielleicht hatten sie gleich neben ihrem Bauklötzchen-Betrieb eines der niedlichen Holz-Atomkraftwerke stehen, die Loriot in einem seiner Sketche erdachte. In diesem fiktiven Holzspiel gibt es eine automatische Katastrophenfunktion, bei dem die Holzkühe auf dem Spielfeld umkippen, wenn der Atomreaktor zu Schaden kommt. So eine frühkindliche Erfahrung würde viele Prozesse erklären, die von den Politikern heute mit Verbissenheit vorangetrieben werden. 

Doch dieser Tage steht vor allem die Frage im Raum, ob sich Özdemir, Lang und Co. auch heute noch nicht von der kindlichen Idee lösen konnten, Bauern, Vieh und Ernteerträge seien nur Figuren und Knete in ihren Händen, die sie lenken und verformen können, wie sie wollen – ohne, dass sich Widerstand regt.

Was haben die Herrschaften denn geglaubt, was passiert, wenn man einen ganzen Wirtschaftszweig Jahr für Jahr mit einer Verordnung nach der anderen belastet, sodass der Handlungsspielraum der Bauern immer, immer kleiner wird? Die Landwirte, die in dieser Woche auf den Straßen demonstrieren, meckern mitnichten herum, weil ihnen „nur“ die Subventionen für Agrardiesel und Kraftfahrzeugsteuer gestrichen werden sollen, wie es sich aus den meisten Medienberichten herauslesen lässt. 

Düngerverordnung, Pestizid-Reduktion, eingeschränkte Flächennutzung

Es fängt schon damit an: Seit wann ist eine Steuervergünstigung – also ein vermindertes Abzwacken des Umsatzes der Betriebe durch den Staat – eine Subvention, also eine finanzielle Unterstützung des Staates? Das ist so, als ob der Steuereintreiber den Bauern plötzlich nur noch vier statt fünf Äpfel wegnimmt und verlangt, dass sie dafür dankbar sein sollen. 

Der grüne Krieg gegen die deutsche Landwirtschaft geht aber viel weiter zurück, was die zahlreichen Wortmeldungen von Landwirten bezeugen, die seit ein paar Tagen in den Sozialen Medien kursieren. „Ich stehe hier vor einem der besten Ackerböden auf diesem Planeten“, sagt einer der Bauern im Video. „Und wie geht die Politik damit um? Vier Prozent davon muss ich stilllegen, der Rest muss unterdüngt werden, obwohl wir gar kein Grundwasser-Nitratproblem hier haben.“

Seit ein paar Jahren sind die landwirtschaftlichen Regionen je nach Nitratbelastung des Grundwassers in verschiedene Gebiete eingeteilt – rote Gebiete dürfen nur noch einen Bruchteil der eh schon geringen erlaubten Düngermenge verwenden. Hinzukommen diverse Regelungen zur Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln. Um 50 Prozent wollte die EU-Kommission den Einsatz von chemischen Pestiziden bis 2030 verringern. In sogenannten „sensiblen Gebieten“ sollte der Einsatz komplett verboten werden. Dieser Beschlussentwurf wurde im November vom EU-Parlament kassiert. Doch Özdemir wird wohl kaum das Handtuch werfen.

Darüber hinaus greift ab 2024 die EU-Auflage wieder, die Landwirte dazu zwingt, „zum Schutz von Klima, Artenvielfalt und Umwelt“ vier Prozent ihrer Ackerfläche stillzulegen. 2023 hatte für die Bauern eine Ausnahmegenehmigung gegolten. Die EU-Pläne, den Ökolandbau in den kommenden zehn Jahren um 25 Prozent anzuheben, sind auch noch nicht vom Tisch. 

Der Kampf gegen das Fleisch

Den Viehzüchtern geht es nicht besser. In ihrem Bundestagswahlprogramm 2021 erklärten die Grünen unverhohlen: „Klimaschutz heißt auch, dass wir als Gesellschaft weniger tierische Produkte produzieren und konsumieren werden. Wir wollen vegetarische und vegane Ernährung attraktiver und zugänglich für alle Menschen machen.“ Umgesetzt werden soll dieses Vorhaben durch eine aktive Reduktion der Viehbestände in Deutschland. Erst im September verlangte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir in einem Spiegel-Interview die Reduktion von Tieren in der Landwirtschaft. 

Den Schweinehaltern rücken die Grünen dabei besonders auf die Pelle. Özdemir will in Schweinezuchtbetrieben größere Ställe mit Frischluftzufuhr oder Auslauf durchsetzen. Das klingt nett – für die Bauern bedeutet es aber enorme Kosten für Stallumbauten, die sich nicht jeder Betrieb leisten kann. Die Konsequenzen der – man kann es nicht anders nennen – Anti-Fleisch-Politik der Grünen und ihrer grün-handelnden Vorgänger in anderen Parteien sind bereits zu spüren. Zwischen 2020 und 2023 hat fast jeder vierte Schweinezuchtbetrieb in Deutschland aufgegeben.

In den letzten zehn Jahren ist die Anzahl der schweinehaltenden Betriebe laut dem Statistischen Bundesamt sogar um 43,4 Prozent zurückgegangen. Die Gründe? Immer weniger Bauern können noch wirtschaftlich arbeiten – hinzukommt die fehlende Perspektive, dass sich die Schweinezucht irgendwann einmal wieder lohnen könnte. Der grüne Trend zur Fleischreduktion – er treibt viele Bauern schon heute dazu, das Handtuch zu werfen. Denn wer will sich Tag und Nacht für einen Betrieb abrackern, der eh in ein paar Jahren durch noch mehr erstickende Vorgaben vernichtet wird? 

Immer weniger Ertrag

Folgerichtig werden schon jetzt immer weniger Tiere geschlachtet. Im ersten Halbjahr 2023 wurden laut dem Statistischen Bundesamt 5,9 Prozent weniger Tonnen Fleisch als im Vorjahreszeitraum produziert. Der Ertragsrückgang beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Viehzucht. Auch die Apfelernte ist laut dem Statistischen Bundesamt 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 12,1 Prozent zurückgegangen. Die Kirschenernte ist im Vergleich zu 2022 um 17,5 Prozent eingebrochen. Diese Rückgänge sind nur exemplarisch – über die gesamte Landwirtschaftsbranche verbreitet, häufen sich Meldungen von Ertragseinbußen. 

Die Ursachen sind naheliegend: Die Ackerbauern können durch die Reduktion von Dünger und Pflanzenschutzmittel weniger genießbares Obst und Gemüse ernten. Denn mit weniger Dünger wächst auch weniger und fehlende Pflanzenschutzmittel – man glaubt es kaum – haben zur Folge, dass die Ernte wieder öfter von Schädlingen zerstört wird. 

Und als wäre das alles noch nicht genug, ersticken die Landwirte – wie leider fast alle Branchen in Deutschland – immer mehr in Bürokratie. Für eine Düngeplanung mit Düngebedarfsrechnung müssen rund 250 Seiten Antragsformulare ausgefüllt werden. Hinzu kommen dicke Pflanzenschutzdokumentationen und einiges mehr. 

Die Bauern gehen aktuell also nicht nur für ein paar Kröten mehr oder weniger auf die Straße. Sie demonstrieren, weil die anhaltenden Gängelungen der grünen Politik inzwischen das Fass zum Überlaufen gebracht haben. Vermutlich wollen sie den Grünen auch klarmachen, dass sie nicht zaubern können. Außerhalb Bullerbüs in der echten Welt kann man nicht alles gleichzeitig haben: keine Pestizide, weniger Dünger und weniger genutzte Ackerfläche und trotzdem schön viel schickes Obst und Gemüse. Immer weniger Ställe und trotzdem genug Fleisch, das sich auch Menschen mit geringem Einkommen leisten können.

Die Landwirtschaft ist eine Errungenschaft der menschlichen Evolution

Vielleicht wollen sie auch auf den Irrsinn hinweisen, dass die zahlreichen Regulationen der deutschen Landwirtschaft zwangsläufig dazu führen, dass einfach mehr Lebensmittel aus Ländern importiert werden, die sich nicht an solche wahnsinnigen Vorgaben halten müssen und dadurch mehr und günstiger produzieren können. 

In jedem Fall sind diese Tage des Protests eine Gelegenheit, sich klarzumachen, dass die Grünen mit ihrer Agrarpolitik nicht für eine bessere Zukunft der Deutschen kämpfen. Wenn überhaupt, setzten sie sich für eine erholte Natur und mehr romantische Wälder ein, die Novalis geliebt hätte – doch selbst das ist zweifelhaft. Immerhin haben die Grünen bereits mehrfach bewiesen, dass sie bereit sind, für Windparks auch idyllische Naturlandschaften zu zerstören.

Der grüne Kampf gegen die Landwirtschaft ist letzten Endes nicht weniger als ein Kampf gegen den Menschen selbst. Wie konnte der Mensch zu dem werden, was er heute ist? Wie konnte sein Hirn im Vergleich zu seinen Vorfahren enorm wachsen? Wie konnte er sich derartig vermehren? Weil er es geschafft hat, durch die Nutzung von Feuer, Werkzeugen und dem gezielten Anbau und der immer besseren Verarbeitung von Lebensmitteln unsere Nahrungsquellen immer ertragreicher und nahrhafter zu machen. Die Landwirtschaft, die heute betrieben wird, ist das Ergebnis von den etwa 12.000 Jahren, in denen die Menschen nun schon Ackerbau und Viehzucht praktizieren und immer weiter verbesserten. 

Ein bisschen Demut vonseiten der Vertreter der grünen „Schönen Neuen Welt“ gegenüber dem Wissen und der Erfahrung tausender Generationen, die in jener Landwirtschaft stecken, die sie mit ihrer ideologiegetriebenen Politik kaputt regulieren, wäre daher angebracht. Doch die Reaktionen der Grünen-Politiker auf die Bauernproteste dieser Tage zeichnen ein anderes Bild. Offensichtlich sehen Habeck, Künast und Co. in den Bauern immer noch ihre Knetfiguren, die nur etwas mehr bearbeitet werden müssen, bevor sie sich wieder nach ihren Wünschen formen lassen. Ob sie sich damit nicht verschätzt haben?

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