Deutschland

Die digitalen V-Männer gegen rechts

Die digitalen V-Männer gegen rechts
Der deutsche Inlandsgeheimdienst arbeitet mit V-Leuten und Fake-Nazis im Internet.

Während Regierungspolitiker über neue Mittel im Kampf gegen „Hass im Netz“ diskutieren, kommt jetzt heraus: Der Verfassungsschutz selbst verbreitet über digitale V-Leute rechtsextreme und strafbare Inhalte – die wiederum als Beweis für die Bedrohung von rechts hinhalten könnten. Ein fragwürdiger Schatten-Kreislauf.

von Max Roland

„Hass und Hetze im Netz“ – dessen Bekämpfung steht ganz oben auf der Agenda vieler Ampel-Politiker. Rechtsextreme verbreiten Hass-Parolen in den sozialen Medien, stacheln zum Hass auf, begehen damit Straftaten – das beklagen durchweg die Innenministerin und ihre Sicherheitsbehörden. Und ist Gegenstand zahlreicher Studien, Berichte und Co. Die Bundesregierung gibt, etwa über das Familienministerium, viel Geld unmittelbar und mittelbar zur Bekämpfung von „Hass im Netz“ aus.

Der kommt, so die Regierung, natürlich vornehmlich von Rechts. Diese „rechte Verrohung“ im Internet wird immer wieder gerne zur Bedrohung für die Demokratie erhoben. Politiker schreiben ganze Bücher darüber, wie sie zum Opfer von „Hass im Netz“ wurden, Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz erfassen, flankiert von diversen halbstaatlichen „Meldestellen“, eifrig jeden rechten „Hass-Delikt“ im Netz.

Doch zu genau all dem trägt offenbar der Verfassungsschutz selbst mit bei – und das hundertfach. Mit mehreren Hundert hauptamtlichen Verfassungsschutzmitarbeitern posiert der Inlandsgeheimdienst in sozialen Netzwerken mit gefälschten Accounts als rechtsextreme User. Der Verfassungsschutz spricht von „virtuellen Agenten“. Sie dürfen in gewissem Rahmen auch Straftaten begehen, zum Beispiel Volksverhetzung. Das berichtet die Süddeutsche Zeitung.

Wie treten diese Accounts auf? Wie viele sind es? Werden ihre Straftaten als rechtsextreme Delikte erfasst? Der Verfassungsschutz schweigt dazu – und wirkt ein bisschen wie ein Glaser, der Scheiben einwirft, um dann seine Hilfe anzubieten. Ständig wird von rechtem Hass im Netz, von „Hass und Hetze“ als zentralem Problem gesprochen – ein Problem, zu dem der Verfassungsschutz offensichtlich seinen Teil beiträgt.

Haldenwangs Schattenwelt

Schon in der Vergangenheit wurde der Verfassungsschutz für seine Arbeit mit V-Leuten hart kritisiert, Auch und gerade in der rechtsextremen Szene. Seit Jahrzehnten sorgen V-Leute immer wieder für Skandale. Im Sommer letzten Jahres kündigte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) deswegen an, V-Leute „an die kurze Leine“ legen zu wollen.

Neu war auch, dass der Bundestag jährlich und anonymisiert über die Einsätze der V-Personen informiert werden sollte. Passiert ist davon bisher sehr wenig: Die Intransparenz ist frappierend. Eine gerichtliche Kontrolle sei „bisher nur in Ansätzen gewährleistet“, erklärt das Justizministerium. Und das trotz der „sehr schwerwiegenden Grundrechtseingriffe“, die durch die V-Leute entstünden. Das Justizministerium stellt fest: Unter der Rigide von Haldenwang gibt es eine Schattenwelt, die weitgehend unkontrolliert arbeitet.

Nur die Behörde selbst weiß oft wirklich Bescheid. Auch im Streit um die AfD spielt das eine Rolle. Hat der Verfassungsschutz nach dem gleichen Prinzip etwa zur Radikalisierung, etwa in Chatgruppen der Partei, beigetragen? Soziale Medien und Chatgruppen – das sind exakt die Quellen, auf die sich der Verfassungsschutz in seinem 1.000 Seiten starken Gutachten über die Radikalität der AfD „fast ausnahmslos“ stützt, schrieben die AfD-Anwälte in ihrer Berufungsbegründung an das Oberverwaltungsgericht Münster schon Ende 2022.

Die Arbeit und der Auftrag des Verfassungsschutzes gestalten sich in einer Art und Weise der Arbeit, die es in kaum einem anderen demokratischen Land in dieser Art und Weise gibt. Und sie ist problematisch bei einem Verfassungsschutz, der sich so offen als politisches Kampforgan versteht. „Es ist nicht allein die Aufgabe des Verfassungsschutzes, die Umfragewerte der AfD zu senken“, erklärte ein selbstgefällig wirkender Haldenwang vor kurzem im ZDF. Ebenjener Haldenwang, der AfD-Parteitage live im Fernsehen kommentiert und „einordnet“.

Das – die öffentliche Kommentierung des AfD-Europaparteitages und der dort gewählten Kandidaten – musste er auf eine Abmahnung hin übrigens eiligst wieder einstellen. Schon viele Male verlor seine Behörde vor Gericht, weil sie in ihrem offenkundig politisch motivierten Kampf gegen die AfD Grenzen überschritt und Recht brach.

Geheimdienst auf parteipolitischer Mission

Auch 2021 war die AfD gegen den Verfassungsschutz erfolgreich gewesen: Damals war dem Amt gerichtlich untersagt worden, die Partei öffentlich als „Verdachtsfall“ zu bezeichnen – dadurch werde in unvertretbarer Weise in die Chancengleichheit politischer Parteien eingegriffen, urteilte das Verwaltungsgericht Köln damals. Der Verfassungsschutz habe Informationen über eine solche Einstufung trotz anders lautender Zusicherungen durch Durchstechen an die Medien publik gemacht, heißt es in dem Urteil weiter. Haldenwang hatte seine Macht als Amtschef zur politischen Einflussnahme missbraucht. 

Was Haldenwang im Kampf gegen die AfD antreibt, ist kein neutraler Auftrag – sondern offensichtlich persönlich und/oder politisch. Allein die genannten Beispiele produzieren einen Vertrauensverlust. Wer so parteiisch und unlauter arbeitet, könnte auch an anderen Ecken mal Fünfte gerade sein lassen – etwa in der Arbeit mit V-Leuten und Fake-Nazis im Netz. Merken würde das zunächst niemand, so unkontrolliert, wie der Geheimdienst immer noch arbeiten darf. Produziert der Verfassungsschutz am Ende etwa einige der Belege für „Rechtsextremismus“, zum Beispiel in der AfD, aus politischen Beweggründen einfach selbst?

Ausschließen kann man das nicht, weil der Inlandsgeheimdienst sich nicht äußert. Gegenüber der AfD und vor Gericht wollte der Verfassungsschutz schon nicht erklären, sich an gewisse Regeln für seine Arbeit zu halten. Schon vor einem guten Jahr verlangten die Anwälte der AfD zu erfahren, ob sich der Verfassungsschutz denn auch wirklich überall an diese strikten, neuen Vorschriften halte. Der Inlandsgeheimdienst solle dies zumindest „testieren“, also im Gerichtsprozess förmlich versichern, dass er genau das tue. Das ist bislang nicht geschehen.

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