Deutschland

Finanzminister Lindner findet Deutsche zu faul

Finanzminister Lindner findet Deutsche zu faul
Finanzminister Christian Lindner (FDP)

Auf einer Veranstaltung der Tageszeitung Die Welt sind sich die Vertreter von Wirtschaft und Politik einig: Die Deutschen sind zu faul und arbeiten zu wenig. Dass Politik die Weichen in den letzten Dekaden falsch gestellt hat, sieht man nicht. Der Einzelne soll das politische Versagen auffangen.

von Gert Ewen Ungar

In wirtschaftlichen Krisen greift die deutsche Politik immer zu den falschen wirtschaftspolitischen Konzepten und setzt obendrein auf die Beschimpfung der Arbeitnehmer. 

Aktuell ist es wieder so weit. Deutschland befindet sich in einer schweren wirtschaftlichen Krise. Die Wirtschaft schrumpft und einer alten Gewohnheit folgend, setzt die deutsche Politik alles daran, die Krise zu verlängern und zu vertiefen. Da man aus den bereits vergangenen Krisen nicht lernen wollte, singt die deutsche Politik daher weiter das Loblied auf prozyklische Maßnahmen. Man setzt den Rotstift an, fordert dazu auf, den Gürtel enger zu schnallen und fordert Leistungsbereitschaft, weil sich das gut anhört und irgendwie auch kompetent.

Finanzminister Lindner (FDP) verunglimpfte die deutschen Leistungserbringer wieder einmal als faul. Auch das passiert in Deutschland regelmäßig. Alles wie immer eigentlich, die deutsche Wirtschaft muss in dieser politischen Konstellation die nächste Runde in der Abwärtsspirale drehen. 

Finanzminister Lindner (FDP) verunglimpfte die deutschen Leistungserbringer wieder einmal als faul. Auch das passiert in Deutschland regelmäßig. Alles wie immer eigentlich, die deutsche Wirtschaft muss in dieser politischen Konstellation die nächste Runde in der Abwärtsspirale drehen. 

“Ohne Leistungsbereitschaft und mehr Wettbewerbsfähigkeit werden wir diese Ansprüche nicht mehr einlösen können”, sagte Christian Lindner (FDP) auf einer Veranstaltung der Tageszeitung Welt im Axel-Springer-Hochhaus in Berlin. Die Deutschen würden sich einen hohen Lebensstandard gönnen, ein hohes Niveau der sozialen Absicherung, aber dies erfordere auch das Erbringen von hohen Leistungen. Da ist er fein raus, der Herr Finanzminister, denn mit Politik hat das allem Anschein nach nichts zu tun. Ein bisschen einsichtiger ist Bundeskanzler Olaf Scholz, der anmerkte, Politik könne immer nur die Rahmenbedingungen vorgebe:

“Wir können nicht per Gesetz vorschreiben, dass alle zehn Stunden mehr arbeiten müssen”, sagte der Bundeskanzler. 

Was er dann nachschiebt, macht jedoch deutlich, dass auch er die Zusammenhänge nicht erfasst hat:

“Aber wir können dafür sorgen, dass mehr Bürgerinnen und Bürger länger arbeiten wollen.”

Das ist tatsächlich ganz einfach. Man muss nur die Renten kürzen und schwupp ist die Bereitschaft da, auch im Alter zusätzlich zu arbeiten. Man kann sogar behaupten, der Arbeitswille sei ganz freiwillig und aus eigener Einsicht in die Notwendigkeit entstanden.

Die von Scholz angesprochenen Rahmenbedingungen, die von der Politik vorgegeben werden, sind aktuell vor allem steigende Kosten und zusätzliche Verbrauchssteuern. Begleitet wird die Wirtschaftspolitik der Ampel von Kürzungen. Die Streichung der Subventionen beim Agrardiesel hat für die Bauern das Fass zum Überlaufen gebracht und massive Proteste ausgelöst. Die Bundesregierung hält dennoch an der Kürzung fest. 

All die Maßnahmen der Ampel wirken sich dämpfend auf die Nachfrage und die Investitionstätigkeit aus. Sie führen nicht zu einer Steigerung der Auslastung der Betriebe und einer Erhöhung der Produktivität. Sie führen auch nicht zu Investitionen. Im Gegenteil kämpfen auch die Unternehmen mit wachsenden finanziellen Belastungen durch beispielsweise steigende Energiepreise. 

Die Energiepreise sind allerdings nicht einfach so gestiegen, sondern sind das Ergebnis der westlichen Sanktionspolitik und auch der von der Politik vorgegebenen Rahmenbedingungen. Die deutsche Politik will auf günstige fossile Energieträger aus Russland und auf Erträge deutscher Unternehmen auf dem russischen Markt verzichten. Weder die deutschen Verbraucher noch die deutsche Wirtschaft in ihrer Gesamtheit will das, denn es ist wirtschaftspolitisch nicht nur dumm, sondern reiner Selbstmord. Die deutsche Politik setzt diese suizidalen Rahmenbedingungen dennoch um und fordert vom Einzelnen mehr Leistungsbereitschaft. Das ist zynisch und weltfremd. 

Gegen diese gesteckten Rahmenbedingungen kann man auch mit dem größten Fleiß und der größten Leistungsbereitschaft nichts ausrichten. Sie werden zwangsläufig ein negatives volkswirtschaftliches Gesamtergebnis erzielen. Dafür kann der einzelne Arbeitnehmer jedoch nichts, Christian Lindner und Olaf Scholz aber umso mehr. Es kommt daher einer zynischen Verhöhnung gleich, wenn ausgerechnet Mitglieder der Bundesregierung von den Deutschen eine Leistungsbereitschaft fordern, die durch die von ihnen geschaffenen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen ins Leere laufen muss. 

Es ist seit der Agenda 2010 immer das gleiche Spiel in Deutschland. Politik stellt die wirtschaftspolitischen Weichen falsch und adressiert die Verantwortung für ihr wirtschaftspolitisches Versagen an den Einzelnen. Der soll mit Fleiß und Leistungsbereitschaft etwas richten, was er gar nicht richten kann. So lange sich an diesem Zustand nichts ändert, wird es mit der deutschen Wirtschaft abwärtsgehen, der Wohlstand sinken und sich der Abstand zur Weltspitze vergrößern. Das liegt aber nicht an der mangelnden Leistungsbereitschaft der Deutschen. Es wäre an der Politik, diese systemischen Fehlstellungen zu ändern. Doch für diese Mühe fehlt ihr ganz offenbar die Leistungsbereitschaft und allem Anschein nach auch die dazu notwendige wirtschaftspolitische Qualifikation. 

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