Deutschland

Erinnerungskultur: Bundesregierung kauft Transe Kleidung ab

Erinnerungskultur: Bundesregierung kauft Transe Kleidung ab
Georgine Kellermanns Kleidung ist bundesdeutsches Erinnerungsgut: gegen Bezahlung.

Ein Blazer, eine Bluse, ein Bleistiftrock. Die Bundesregierung hat der Transe Georgine Kellermann Kleidung abgekauft. Die Exponate werden im Haus der Geschichte der Bundesrepublik ausgestellt und sollen dort die Diversität Deutschlands unterstreichen.

vom Sven Versteegen

Eine rosa Bluse, fünf Volants, Größe 41 – getragen von einer Frau, die jahrzehntelang als Mann vor der Kamera stand. Es ist kein Designerstück, keine Maßanfertigung. Der zart glänzende Stoff, aus Polyester und Viskose, fällt in fünf breiten Stufen über die Vorderseite. Gepaart mit einem Blazer und Bleistiftrock in Marineblau, Hut, Pumps sowie Handtasche entsteht ein konservativer Business-Look.

Heute steht das Set im Haus der Geschichte der Bundesrepublik – als Teil einer Sammlung zu Individualität, Diversität und Selbstbild in Deutschland. Getragen von Georgine Kellermann, die 2019 mit ihrem öffentlichen Coming-out als Transfrau bundesweit Aufsehen erregte. Wie die Kleidungsstücke in die Sammlung deutscher Nachkriegsgeschichte gelangten, beantwortete nun Kulturstaatsminister Wolfram Weimer auf eine Anfrage des AfD-Bundestagsabgeordneten Matthias Helferich.

Kellermanns Kleider kosten 900 Euro

„Die Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland hat im Jahr 2020 ein Objektkonvolut von Georgine Kellermann erworben“, heißt es in der Antwort Weimers, die der Redaktion exklusiv vorliegt. Demnach belief sich der Kaufpreis auf 900 Euro – dies entspreche dem Materialwert der Bekleidung.

Die Sammlung enthält neben dem Damenoutfit auch ein früheres Herrenensemble Kellermanns. Die frühere WDR-Führungskraft steuerte eine Barbour-Wachsjacke, ein hellblaues Button-Down von Ralph Lauren, einen roten Pullover, Levi’s 501 und schwarze Slipper des italienischen Modedesigners Salvatore Ferragamo bei – preppy. Seit September 2020 gilt Kellermann auch personenstandsrechtlich als Frau. Teile des angekauften „Konvoluts“, wie es in der Antwort heißt, wurden in der Wechselausstellung „Immer Ich. Faszination Selfie“ vom 17. März 2021 bis 30. Januar 2022 präsentiert.

Helferich bietet seine Kleidung an

AfD-Mann Helferich ist irritiert über die Auswahl von Kellermanns Kleidern. „Daß überhaupt ein Fokus auf Georgine Kellermann gelegt wird, zeigt, daß Propaganda auch unsere Museen erreicht“, kritisiert der Abgeordnete gegenüber der Redaktion. In der Frage hatte Helferich auf eine Schenkung oder eine Leihgabe spekuliert.

Im Archiv der Geschichte der Bundesrepublik befinden sich noch weitere Objekte mit Bezug zu Kellermann – insgesamt sind es somit zwölf. Darunter zwei Fotos, ein Selfie im Spiegel und eine Aufnahme vor dem Weißen Haus in Washington, Mail-Ausdruck mit Glückwünschen zum Outing als Transfrau sowie ein Glückwunschbrief des Windsurfers Florian Jung.

Nicht die erste Geldverschwendung des Museums

Mit Blick in die Zukunft bietet Helferich der Stiftung an, seine eigene Kleidung kostenlos beizusteuern – sollte man sich künftig auch seiner Person museal erinnern wollen. Die Bundesstiftung sammelt laut Eigenangabe „deutsche Geschichte vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis in die Gegenwart“. Dort finden sich unter anderem ein Trabant Rückfahrscheinwerfer, Friedrich Merz’ „Steuererklärung auf dem Bierdeckel“ und Günter Schabowskis Zettel vom 9. November 1989, wo sein gestammeltes „Das tritt nach meiner Kenntnis … ist das sofort … unverzüglich“ unabsichtlich den Fall der Berliner Mauer auslöste. Letzteren erwarb das Haus deutscher Nachkriegsgeschichte für 25.000 Euro, obwohl die Schabowskis Notiz bereits dem deutschen Staat gehörte. Kanzleramt und Weimers grüne Vorgängerin, Staatsministerin Claudia Roth (Grüne), gaben sich geheimnisvoll über den Kaufpreis – und verloren vor Gericht.

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