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Leere Kassen bei der Lügenpresse: So verhökern Mainstream-Medien die Daten ihrer Leser

Leere Kassen bei der Lügenpresse: So verhökern Mainstream-Medien die Daten ihrer Leser

»Google ist die böse Datenkrake, die Euch ausspioniert und davon gut lebt. Deshalb müsst Ihr Eure Daten schützen.« Diese Botschaft impfen Redakteure des Sterns und der ZEIT den Lesern ein. Dabei verdienen die Arbeitgeber der Journalisten, Medienhäuser wie Bertelsmann, selbst an den Daten ihrer Leser. Das ist verlogen und scheinheilig.

von Peter Harth

Zahlen Sie noch Geld für Zeitungen oder Magazine? Im Abo sind die doch schon mehr als gratis, Sie machen dabei sogar Gewinn. Journalismus aus der Druckerpresse wird seit Jahren verramscht, obwohl die Medienhäuser behaupten, dass er wertvoll ist. Tatsächlich findet er immer weniger Leser.

Mit Gratis-Abos werden Auflagen frisiert und die Anzeigenpreise künstlich oben gehalten. Also ist doch nichts Schlechtes dabei, wenn Sie sich durch die neue Gratis-Ausgabe der ZEIT wühlen. Wo doch die Hälfte aller gedruckten Hefte eh keinen Käufer findet. Am Ende wird doch nur ein einziger Artikel gelesen, weil Sie gar nicht genug Zeit für die ZEIT haben, und der Stapel mit Altpapier in der Wohnung wächst kiloweise.

Doch was gratis ist, muss trotzdem bezahlt werden. Wenn das Geld nicht durch die Leser kommt, fließt es an anderer Stelle. Dämmert es Ihnen gerade, lieber Abonnent? Der Preis des Abos sind Ihre Daten. Dabei wettern die Journalisten in ihren Beiträgen eifrig gegen Datendiebe wie Google oder Facebook, die an den Nutzern durch die Hintertür Geld verdienen. Bei dieser Rechnung vergessen die Journalisten ihre eigenen Arbeitgeber, die Medienhäuser. Auch dort verdient man wie Facebook oder Google: Je mehr Daten, desto mehr Geld.

Wie die Leser der ZEIT verkauft werden …

Was, das glauben Sie nicht? Doch, sogar die ehrwürdigste Wochenzeitung Deutschlands verkauft die Daten ihrer Leser. Lesen sie im Katalog des Adressenvermarkters AZ Direct nach. Auf Seite 53 heißt es über den Leser der ZEIT: Er »zeichnet sich durch einen überdurchschnittlich hohen sozialen Status und einen überdurchschnittlich hohen Bildungsgrad aus und lebt in guten Wohngegenden«. Es gibt sogar die Empfehlung, was sich mit den Daten der Leser alles anstellen lässt: »Durch ihr hohes Einkommen besitzen sie eine überdurchschnittlich hohe Kaufkraft für exklusive Markenprodukte und eignen sich insbesondere für die Ansprache rund um die Themen Lifestyle, Geldanlagen und Kreditkarten.«

AZ Direct hat die Daten von 374 900 Lesern der ZEIT im Angebot, das heißt: Die ZEIT-Verlagsgruppe verkauft persönliche Leser-Daten auf dem freien Markt. Angefangen bei Namen und Adressen oder was sich vielleicht noch durch Gewinnspiele sammeln lässt. Genaue Zahlen finden sich in einer gerade veröffentlichten wissenschaftlichen Studie des österreichischen Netz-Forschers Wolfie Christl. Nun wird klar, dass nicht nur Facebook oder Google die Spione sind, sondern bereits die Zeitung auf Ihrem Tisch.

Das Modell hinter den Datensammlern ist nicht neu. Seit Jahren sammelt eine ganze Branche mehr als Namen oder Adressen. Unsere Gewohnheiten und Einkäufe, sogar der private Mailverkehr und unsere Kontakte im Netz werden analysiert.

… und die Leser des Sterns

Bisher hielten sich die deutschen Medienhäuser hier vornehm zurück. Offiziell hatten sie mit den Daten-Schürfern und Händlern nichts am Hut. Christls Studie bringt jetzt die renommierte ZEIT-Verlagsgruppe in Verbindung mit dieser Branche. Und noch mehr: Auch Leser von Zeitschriften aus dem Verlag Gruner+Jahr sind betroffen mit Magazinen wie Stern, GEO, NEON, BRIGITTE. Der Katalog von AZ Direct bietet die Daten von 51 800 Abonnenten des Sterns an. Dessen Leser sind »anspruchsvoll, pflegen einen individuellen Lebensstil und sind bereit, dafür auch die entsprechenden Investitionen zu tätigen«.

Besonders brisant: AZ Direct ist eine Tochter der Bertelsmann AG und auch der Verlag Gruner+Jahr ist ein Teil der Bertelsmann-Gruppe. Hier sammelt also ein Konzern mit journalistischen Magazinen Daten und verdient an anderer Stelle am Handel mit diesen Daten.

Aus Hunderttausenden werden »wenige Ausnahmen«

Welche Verlage sonst noch mit Daten Geschäfte machen und in welchem Ausmaß, darüber spricht niemand. Welcher Leser würde so einem Verlag dann noch etwas Persönliches anvertrauen oder an seinen Gewinnspielen teilnehmen? Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger gibt in einer Stellungnahme aber zu, dass in den deutschen Medienhäusern die Achtung vor dem Leser sinkt. Anja Pasquay, die Pressesprecherin des Verbandes, schreibt: »Bis vor wenigen Jahren war die Vermietung von Abonnentendaten für die Zeitungsverlage ein absolutes Tabu. Inzwischen scheint es davon einige – und mit der Betonung auf wenige – Ausnahmen zu geben.« Wenn zu diesen »Ausnahmen« sowohl die ZEIT als auch Titel von Gruner+Jahr zählen, ist das eine sehr großzügige Auslegung von »wenig«.

In einer Stellungnahme gab die ZEIT-Verlagsgruppe den Handel mit Daten zu – verharmlost aber das Ausmaß. Sandra Kreft (dort für »Magazine und neue Geschäftsfelder« zuständig) spricht von einem verschwindend geringen Anteil, den der Handel mit Daten am Gesamtumsatz des Verlages ausmacht. Das ist kein Trost für die 374 900 »aktuellen und ehemaligen Leser« der ZEIT, deren Daten im Katalog von AZ Direct verhökert werden. Wie viele »aktuelle« Leser Opfer des Datenhandels sind, dazu macht die Verlagsgruppe keine Angaben. Der Schaden ist in jedem Fall gleich groß. Egal, ob die Daten sofort verkauft werden oder erst nach Beendigung des Abos.

Die Daten-Geschäfte von Bertelsmann

Viele werden jetzt mit den Schultern zucken und sagen: »Na und? Haben die eben meinen Namen und meine Adresse.« Die sollten aber weiter als bis zu AZ Direct denken. Bringen wir jetzt die Firma Infoscore ins Spiel, die wie die SCHUFA Bonitäten prüft und gemeinsam mit AZ Direct zu Bertelsmann gehört. Es wäre hochexplosiv, wenn Infoscore nun die Daten von AZ Direct kauft oder direkten Zugriff darauf hat, weil beide Teil eines Konzerns sind, der jetzt sehr viel über sehr viele Menschen weiß. Leider ahnen die nicht einmal was davon. Riesige Datenmengen entwickeln ein Eigenleben ohne ihre Besitzer.

Warum ganze Branchen eine Lücke im Datenschutz verteidigen

Warum ist das so? Weil es unsere Datenschutzgesetze erlauben. Deshalb kann AZ Direct sagen, dass es die angebotenen Daten gar nicht besitzt, sondern die »Listeigner«, welche ihre Listen mit Daten »permanent selbst pflegen«. AZ Direct verkauft auch nichts, es »vermittelt« wie ein Makler, »wenn wir vom Besitzer der Daten den Auftrag dazu bekommen«. Das nennt sich Listbroking, bei dem unsere Daten vermietet werden. Etwa die Liste der Abonnenten von Stern und ZEIT.

Das ist legal, weil im Bundesdatenschutzgesetz eine Ausnahmeregelung namens Listenprivileg verankert ist. Damit lassen sich personenbezogene Daten an Dritte weiterverkaufen. Oft werden die Daten an Vierte oder Fünfte weiterverkauft. Zum Beispiel bietet Gruner+Jahr die Daten bei AZ Direct nicht selbst an, sondern tritt sie an eine Firma ab, die dort aktiv wird. Wir können der Nutzung unserer Daten zwar widersprechen, doch wir wissen nicht, wie viele Zwischenhändler sich bereits bedient haben. An wen also alles ein Widerspruch gehen muss.

Bereits 2009 sollte das Listenprivileg entschärft werden. Nur nach einem ausdrücklichen »Ja« von uns sollten überhaupt noch Daten weitergegeben werden. Dann blieb aber alles beim Alten: Wir dürfen zwar widersprechen, wissen aber nicht, wer mit unseren Daten schon gehandelt hat. Neben dem Versandhandel, der Werbewirtschaft und dem Marketing wehrte sich der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger besonders heftig gegen die Entschärfung des Listenprivilegs: »Das Gesetz darf in der jetzigen Form nicht verabschiedet werden. Es würde die Zeitungsverlage unzumutbar schädigen.« Jetzt wissen wir, warum der Verband so sehr für das Listenprivileg kämpft. Weil die deutschen Medienhäuser offenbar eine sehr wichtige Rolle beim Geschäft mit unseren Daten spielen.

Was sie alles wissen …

Wer immer noch denkt, dass alles halb so schlimm ist, den überzeugt dieses Argument: Mit dem Listenprivileg können beliebig viele Listen erworben und dann neu kombiniert werden. Die Grenze setzt nur die Fantasie der Daten-Händler. Ein Stern-Leser und Abonnent der katholischen Wochenzeitung Tag des Herrn, der auch bei Infoscore und Beate Uhse Daten hat, landet nach einer Analyse in ziemlich ominösen Listen wie »passive Ältere«, »Postkäufer von modischen Schuhen« und »Hypothekendarlehen«. Für jede denkbare Schwäche gibt es eine eigene Liste. Sitzen sie jetzt in einer Bankfiliale, reicht dem Berater ein Knopfdruck und er weiß, was für ein Mensch sie sind. Immer noch Lust auf ein Gratis-Abo?

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