Aktuell mehren sich die Fälle polizeilicher Hausdurchsuchungen bei regierungskritischen Intellektuellen. Das Motiv ist erkennbar Einschüchterung. Eine Richterin zeigt sich fassungslos. Hat Deutschland aus seiner Geschichte nichts gelernt?
von Lena Böllinger
In Deutschland ist es verboten, Nazi-Propaganda zu verbreiten. Eine rechtsextreme Partei darf also zum Beispiel nicht Hakenkreuzfahnen schwenkend oder mit gerahmten Bildern von Adolf Hitler durch die Straßen ziehen und dabei „Deutschland erwache“ oder „Alles für Deutschland“ (beides SA-Parolen) skandieren. Im Strafgesetzbuch (§86 und § 86a) heißt es, wer „Propagandamittel“ oder „Kennzeichen“ verbreitet oder öffentlich verwendet, „die nach ihrem Inhalt dazu bestimmt sind, Bestrebungen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation fortzusetzen“, wird mit „Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft“. Vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte wirkt ein solches „NS-Kennzeichenverbot“ nachvollziehbar – als Bollwerk gegen ihre mögliche Wiederholung, gemäß der Devise: „Wehret den Anfängen!“
In letzter Zeit scheinen sich diese Anti-Nazi-Paragraphen jedoch zu einem Repressionsinstrument gegen unliebsame Stimmen zu entwickeln. Es trifft Menschen, die offensichtlich keine Nazis sind, sondern lediglich die Gegenwart kritisch, polemisch oder satirisch kommentieren.
Eines der prominentesten Beispiele ist der US-amerikanische Satiriker CJ Hopkins. Der linke Publizist lebt seit 20 Jahren in Berlin und ist mit einer Jüdin verheiratet. Im September 2024 verurteilte ihn das Kammergericht Berlin, weil er in Tweets gegen das NS-Kennzeichenverbot verstoßen habe. Konkret geht es um ein Bild, das eine weiße, medizinische Maske zeigt, in deren Mitte ein Hakenkreuz durchschimmert. Es handelt sich zugleich um das Cover-Bild von Hopkins Buch „The Rise of the New Normal Reich“. In den Begleittexten zu den Tweets kommentierte Hopkins: „#Masken sind Symbole der Ideologiekonformität“ und, Karl Lauterbach zitierend: „Von der Maske geht immer auch ein Signal aus.“
Dabei war noch im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Amtsgericht Tiergarten auch für den Staatsanwalt „klar“, dass Hopkins ein Nazi-Gegner ist. So sah es auch die Richterin: „Wenn man sich auch nur ansatzweise eine Minute Gedanken macht“, sei angesichts der geposteten Grafik klar, dass der Angeklagte damit eine „innere Distanziertheit“ zum Nationalsozialismus ausdrücken wolle. Es kam zu einem Freispruch. Doch die Staatsanwaltschaft ging in Berufung. Konträr zur Einschätzung des Amtsgerichts Tiergarten befand das Kammergericht in seinem Urteil, aus Hopkins Posts sei eine „eindeutige Abkehr vom Nationalsozialismus“ „nicht erkennbar“. Kritisiert würden „allein die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Covid 19-Pandemie, nicht aber der Nationalsozialismus“. Das Verfahren wurde an das Amtsgericht Tiergarten zurückverwiesen, das nun die Höhe der Strafe festlegen muss. Bislang ist das noch nicht passiert, wie Hopkins Anwalt Friedemann Däblitz auf Nachfrage bestätigte.
Grund dafür dürfte sein, dass Hopkins bereits vor einem Jahr Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil eingelegt hat. Wann das Bundesverfassungsgericht entscheiden wird, ist für seinen Anwalt „nicht absehbar“. Laut Däblitz geht es um zwei Aspekte. Erstens verletze das Urteil des Kammergerichts Hopkins Grundrechte – konkret die Meinungs- und Kunstfreiheit. Zweitens habe das Kammergericht „nicht wie üblich lediglich das Urteil des Amtsgerichts aufgehoben und zur Neuverhandlung auch über den Schuldspruch zurück verwiesen“. Stattdessen habe es Hopkins „direkt selbst schuldig gesprochen“. Eine solche „Abkürzung“ sei nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich – und die sind aus Sicht des Anwalts nicht erfüllt. Beide Aspekte könnten das Bundesverfassungsgericht dazu veranlassen, die Verurteilung aufzuheben.
Hopkins selbst schreibt auf seiner Webseite, er sei eigentlich davon ausgegangen, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, „wie auch immer sie ausfallen würde, endlich das Ende dieses Albtraums bedeuten würde“. Doch die Berliner Staatsanwaltschaft strengte eine weitere strafrechtliche Ermittlung gegen ihn an. „Drei bewaffnete Berliner Polizeibeamte standen heute Morgen mit einem Durchsuchungsbeschluss für meine Wohnung vor meiner Tür“, berichtete Hopkins am 26. November. „Sie führten die Durchsuchung durch, verhörten mich und meine Frau und beschlagnahmten meinen Computer.“
Im Gespräch erläutert Hopkins die neuen Vorwürfe gegen ihn. Im Durchsuchungsbeschluss werde ihm die „Veröffentlichung und Verbreitung“ seines Buches „The Rise of the New Normal Reich“ zur Last gelegt, auf dessen Cover der Mund-Nasen-Schutz mit dem schemenhaften Hakenkreuz abgebildet ist. Darüber hinaus nenne der Durchsuchungsbeschluss einen Text auf Hopkins Blog „Consent Factory, Inc.“, in dem er seine Verurteilung von 2024 kritisch kommentierte. Der Text enthält jene Bilder, für die er verurteilt wurde und vergleicht sie mit anderen Veröffentlichungen, darunter ein AfD-kritischer Tweet von Karl Lauterbach vom Mai 2024 und ein Cover des „Spiegels“ vom selben Monat mit dem Titel „75 Jahre Bundesrepublik. Nichts gelernt?“. In beiden Fällen ist das Hakenkreuz deutlich zu erkennen – strafrechtliche Ermittlungen gegen Karl Lauterbach oder den „Spiegel“ sind jedoch nicht bekannt. Auf die Entlarvung dieser doppelten Standards reagiert die Staatsanwaltschaft nun also mit neuen strafrechtlichen Ermittlungen.
Der Verdacht liegt nahe, dass bereits die Art der Beweissicherung – Hausdurchsuchung und Beschlagnahmung des Computers – einer Bestrafung gleichkommen soll. „Sie suchten nach Beweisen, dass ich das Buch geschrieben, veröffentlicht, beworben und verbreitet habe und dass es sich bei dem Blog mit dem kritischen Text zu meiner Verurteilung um meinen Blog handelt“, erzählt Hopkins. Das sei „verrückt“. Man müsse einfach nur die Seite besuchen, um zu erfahren, dass das sein Blog und er verantwortlich für die Inhalte sei. Auch bei dem Buch sei die Sache völlig klar. „Ich habe das ja sogar vor Gericht frei heraus zugegeben“, sagt er und muss fast lachten. „Ich habe dieses Buch geschrieben. Ich habe dieses Buch veröffentlicht. Es gibt überhaupt keinen Grund, Beweise zu sammeln.“ Für Hopkins handelt es sich „offensichtlich“ um einen „Vorwand“. Nur wofür?
Beunruhigende Parallelen I – Hausdurchsuchungen zur Einschüchterung?
„Einschüchterung“, vermutet Norbert Bolz, emeritierter Professor für Medienwissenschaften, Publizist und Kolumnist bei der „Welt“. Auch zu ihm kamen – wenige Wochen vor der Hausdurchsuchung bei Hopkins – eines morgens Polizisten mit einem Durchsuchungsbeschluss. In seinem Fall ging es um einen X-Post, wegen dem die Berliner Staatsanwaltschaft Bolz die „Verwendung von Parolen der Nationalsozialisten“ vorwirft. Auch hier sollten Beweise gesichert werden, die aus seiner Sicht keiner Sicherung bedurften. „Es ging nach meinem Eindruck um Einschüchterung. Jeder sollte sehen, was passiert – dass Polizisten kommen. Es ging ja offenkundig nicht um Tatsachenfeststellung bei der Aktion“, schildert Bolz der „Bild“ seine Eindrücke. „Es war ja offenkundig, dass es mein Post war, ich habe und hätte es ja nie abgestritten.“ Wie die „Welt“ berichtete, hätten die Polizisten Bolz geraten „in Zukunft vorsichtiger zu sein“.
Konkret beanstandet wird in seinem Fall ein Tweet aus dem Jahr 2024. Über einem taz-Beitrag stand: „AfD-Verbot und Höcke-Petition: Deutschland erwacht“. Das kommentierte Bolz mit den Worten: „Gute Übersetzung von woke: Deutschland erwache!“ Laut Welt wertet die Staatsanwaltschaft diesen Kommentar als „strafbare Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“, weil es sich bei „Deutschland erwache“ um eine NSDAP-Parole handele. Im Falle von Norbert Bolz verzichteten die Polizisten auf die Beschlagnahmung seines Computers. Sie machten lediglich ein Foto und stellten Fragen. Der Fall löste dennoch eine breite mediale Empörung aus.
Der Fall des Bremer Künstlers und Sozialwissenschaftlers Rudolph Bauer blieb dagegen von großen Medienhäusern bislang weitgehend unkommentiert. Der emeritierte Professor für Wohlfahrtspolitik und Soziale Dienstleistungen sah sich bereits im August 2023 mit einer Hausdurchsuchung konfrontiert. In einer Pressemitteilung berichtete er damals, sein Smartphone und fünf Kunsthefte der Edition Kunst des Bergkamener pad-Verlags seien als „Beweismaterial“ sichergestellt worden. Durchsucht worden seien „sämtliche Räume, Nebenräume, Schränke und Schubladen“, auch die seiner Frau, „sowie Dokumente und persönliche Unterlagen“. Die Polizei habe zudem die „120 Regalmeter der umfangreichen Bibliothek“ fotografiert. Die Hausdurchsuchung wurde später vom Landgericht Bremen für rechtswidrig erklärt.
Bauer hatte auf Instagram verschiedene Bildmontagen zur Corona-Politik und zum Ukrainekrieg gepostet – wegen vier dieser Bildmontagen wurde er angeklagt. Ende September 2025 sprach das Amtsgericht Bremen Bauer schuldig – wegen Volksverhetzung und wegen der „Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen“ und verurteilte ihn 2025 zu einer Geldstrafe in Höhe von 12.000 Euro. Bei den „Kennzeichen“, die Bauer laut Urteil in drei der Bildmontagen nicht hätte verwenden dürfen, handelt es sich um das Hakenkreuz und ein Abbild Adolf Hitlers.
Das Gericht beschreibt die Bildmontagen in seinem Urteil. So seien auf einem der Werke vom Februar 2023 die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj abgebildet. Zwischen den beiden befinde „sich ein schwarz-weißer Reichsadler mit Hakenkreuz“. Die Veröffentlichung sei „u.a. mit folgenden Hashtags: #gastgeschenk, #zubesuchbeifreunden“ versehen worden. Auf einer weiteren Bildmontage, die im gleichen Monat veröffentlicht wurde, seien „die Bundestagsabgeordneten Anton Hofreiter und Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (geschminkt anlässlich eines Karnevalsauftritts)“ zu sehen. „Die Politikerin scheint einen Zepter zu halten, der aus einem Reichsadler mit Hakenkreuz besteht. Überschrieben ist das Bild mit ‚THANK YOU, USA‘.“ Diese Veröffentlichung sei „u.a. mit den folgenden Hashtags: #deutscheführungsrolle bei #osterweiterung, #kriegstreiber, #russophobie“ versehen worden.
Die letzte beanstandete Bildmontage vom März 2023 zeige „Adolf Hitler und den damaligen Bundeskanzler Olaf Scholz mit ähnlichen Handbewegungen“. Die Bildmontage sei mit dem Hashtag #seitenwende versehen und stelle „gezielt einen Zusammenhang“ her zur „Zeitenwende“-Rede des Kanzlers vom Februar 2022. Das Gericht argumentiert: „Die Person Adolf Hitlers als solche repräsentiert, ohne dass es des Hinzutretens weiterer nationalsozialistischer Symbole, Kennzeichen oder Ergänzungen bedarf, den Nationalsozialismus. Allein sein Abbild stellt damit ein Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen im Sinne des § 86a StGB dar“.
Beunruhigende Parallelen II – rechtliche Verrenkungen
Alle drei Fälle weisen erstaunliche Parallelen auf, die den beunruhigenden Verdacht nähren, dass man es hier mit einer politischen Justiz zu tun hat, die im vordergründigen „Kampf gegen rechts“ das Recht instrumentalisiert, um kritische Stimmen einzuschüchtern oder mundtot zu machen. Das betrifft nicht nur die Verhältnismäßigkeit der Hausdurchsuchungen, sondern auch die Auslegung der Gesetze. Denn das Strafgesetzbuch sieht explizite Ausnahmen vor, wonach eben nicht jegliche Verwendung von Hakenkreuzen, Hitlerbildern oder NS-Parolen strafbar ist. Im Gesetz heißt es, die Verbreitung von nationalsozialistischen „Propagandamitteln“ ist dann nicht verboten, wenn sie „der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient.“ Demnach ist der Kontext entscheidend – und der scheint in allen drei Fällen von der Justiz missachtet oder verdreht zu werden.
So sagt etwa der Publizist Norbert Bolz über seinen Tweet: „Ich hielt das für einen guten Witz. Die ‚Taz‘ hatte etwas über Höcke geschrieben mit dem Fazit ‚Deutschland erwacht‘. Ich dachte: Das ist eigentlich eine gute Definition von ‚woke‘. Denn ‚woke‘ heißt ja auch ‚erwacht‘“. Er habe sich „nicht vorstellen können, dass man das missverstehen kann“. Auch Bolz’ Anwalt Joachim Steinhöfel erklärte gegenüber der Zeitung: „Die Ironie in Bolz’ Tweet ist so offensichtlich, dass man schon vorsätzlich missverstehen muss, um hier eine Straftat zu konstruieren.“
Auch der Verfassungsrechtler Dietrich Murswiek insistiert im Gespräch mit der NZZ, Bolz habe die NS-Parole „nicht im Sinne des NS-Regimes verwendet, sondern gerade entgegengesetzt zur Kritik von Tendenzen, die in eine totalitäre Richtung gehen. Diesen Tweet als strafbar anzusehen, ist ein klarer Verstoss gegen die Meinungsfreiheit.“ Die FAZ kommentiert: „Wozu immer es diente, als Bolz sich über die Woke-Bewegung lustig machte, es waren gewiss ähnliche Zwecke“ – wie sie das Gesetz in seiner Ausnahmeregelung ausdrücklich nennt. Man muss Bolz’ Tweet also nicht für „Kunst“ halten, um sich über die Ermittlungen gegen ihn zu wundern.
Bei Bauers Bildmontagen handelt es sich hingegen offensichtlich um Kunst, doch das Gericht will das nicht gelten lassen. „Die Einstufung als Kunst führt nicht allein schon zur Straffreiheit“, heißt es im Urteil gegen Bauer. Die Ausnahmeregelung gelte nur dann, wenn bei der Verwendung eines NS-Kennzeichens „in offenkundiger und eindeutiger Weise die Gegnerschaft zu der Organisation und die Bekämpfung ihrer Ideologie zum Ausdruck“ gebracht werde, sodass „ein Beobachter“ diese Gegnerschaft „auf Anhieb zu erkennen vermag“. Wenn der „Aussagegehalt einer Darstellung mehrdeutig oder die Gegnerschaft nur undeutlich erkennbar“ sei, gelte das Verwendungsverbot.
Das Gericht hält fest, bei den beiden Hakenkreuz-Bildmontagen zum Ukrainekrieg „fehlt es an einer offenkundig und eindeutig erkennbaren Gegnerschaft zur NSDAP“. Dies gelte „gerade auch unter Berücksichtigung der von dem Angeklagten verwendeten Hashtags“. Das Gericht unterstellt, „in den schnelllebigen sozialen Medien“ würden Nutzer Bauers Bildmontagen nur „flüchtig“ betrachten, ohne „vertiefte Auseinandersetzung“. Um die „Gegnerschaft“ zum Nationalsozialismus zu erkennen, wäre eine eingehendere Beschäftigung mit dem Werk Bauers nötig, auf Instagram jedoch nicht möglich. „Mangels auf Anhieb erkennbarer Gegnerschaft“ zum NS habe Bauer somit gegen das NS-Kennzeichenverbot verstoßen. Ähnlich argumentiert das Gericht im Fall der Scholz-Hitler-Bildmontage. Bauer habe auch hier eine „nachdrückliche Ablehnung des nationalsozialistischen Regimes nicht zum Ausdruck gebracht“.
Es stellt sich die Frage, wie ein Künstler, der als solcher ja per se mit Doppeldeutigkeiten oder Uneindeutigkeiten arbeitet, aus Sicht der Justiz mit Hakenkreuzen oder anderen NS-Symbolen umgehen soll, damit seine Kunst noch unter die erwähnte gesetzliche Ausnahmeregelung fällt. Wird jeglicher Interpretationsspielraum sicherheitshalber ausgemerzt, hat man es wohl allenfalls mit starrsinniger Pädagogik oder einer dogmatischen Spielart „staatsbürgerlicher Aufklärung“ zu tun, kaum aber mit Kunst. Auch Hopkins sagt:
„Manche Leute werfen mir vor, ich wolle mit der Abbildung provozieren. Natürlich! Ich bin ein politischer Satiriker und Kommentator. Es ist mein Job, die Leute zu provozieren und sie gelegentlich auch mal zu verärgern.“
Hopkins beruft sich neben der „Kunst“, die auf dem Cover seines Buches zu sehen sei, auch auf die „Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen“. Im Gespräch stellt er klar: „In den Ausnahmeregelungen des Gesetzes steht ja nicht, dass man das Hakenkreuz nur dann verwenden darf, wenn man damit ‚verfassungswidrige Bestrebungen‘ abwehren will, die ausschließlich von Nazis ausgehen.“ Aus Hopkins Sicht haben sich die deutschen Behörden während der Corona-Jahre „verfassungswidrig“ verhalten.
„Ich finde nach wie vor: Man kann die Verabschiedung des Infektionsschutzgesetzes im Jahr 2020 mit dem Ermächtigungsgesetz der Nazis von 1933 vergleichen“. Hopkins nennt den „Ausnahmezustand“, das „Außerkraftsetzen von Grundrechten“, das „Regieren per Dekret“. „Die Nazis haben ihre Herrschaft nicht durchgesetzt, indem sie allen Pistolen vor das Gesicht gehalten haben. Sie nutzten das Rechtssystem, sie höhlten es aus. Der Vergleich ist daher absolut legitim.“ Er sei mit seiner Kritik und dem Bemühen, „verfassungswidrige Bestrebungen“ abzuwehren, nicht allein gewesen, sagt Hopkins und verweist auf Demonstrationen zu Beginn der Corona-Krise. „Da liefen Menschen durch die Straßen und hielten das Grundgesetz in die Höhe.“
Im Falle von Hopkins kommt außerdem noch dazu, dass er auf seiner Webseite über seinen eigenen Prozess berichtete. Laut Gesetz ist bei der „Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens“ die Verwendung des Hakenkreuzes ausdrücklich nicht strafbar. Wie auf dieser Grundlage eine Hausdurchsuchung und Beschlagnahmung seines Computers gerechtfertigt sein soll, erschließt sich daher nicht. Sein Anwalt Friedemann Däblitz sieht eine Reihe von Grundrechten verletzt:
„Die Durchsuchung greift in die Pressefreiheit, in die Meinungs- Kunst und Berufsfreiheit meines Mandanten ein. Diese Eingriffe sind verfassungsrechtlich meines Erachtens offensichtlich nicht gerechtfertigt.“
Die Richterin Clivia von Dewitz hat zu NS-Gedankengut und Strafrecht (§§ 86,86a und § 130 StGB) promoviert. Im Gespräch zeigt sie sich fassungslos über die Strafverfolgung gegen Bolz, Bauer und Hopkins, die sie in allen drei Fällen für unrechtmäßig hält. Alle drei hätten sich lediglich kritisch zum Zeitgeschehen geäußert und in keinster Weise NS-Propaganda gutgeheißen oder gar beabsichtigt „Bestrebungen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation fortzusetzen“, wie es im Gesetzestext heißt. Alle beanstandeten Äußerungen seien zudem von der Kunst- und Meinungsfreiheit gedeckt. Die Juristin warnt:
„Die Schwelle, diese Paragraphen gegen NS-Propaganda zu instrumentalisieren und sie gegen Regierungskritiker oder unbequeme Stimmen einzusetzen sinkt immer mehr. Das ist eine brandgefährliche Entwicklung, die auch dem eigentlichen Anliegen und der tatsächlichen Differenziertheit dieser Gesetze zuwiderläuft.“
Die Justiz müsse sich dringend korrigieren, um den Eindruck, sie lasse sich politisch „missbrauchen“, auszuräumen. Auch der Rechtswissenschaftler Volker Boehme-Neßler beobachtet, dass das Recht zunehmend „als Waffe eingesetzt“ werde.
Beunruhigende Parallelen III – Meldestellen gegen „Hass und Hetze“
Doch nicht nur die scheinbar zurechtgebogenen rechtlichen Begründungen für Hausdurchsuchungen, Anklagen und Verurteilungen erwecken den Eindruck, dass hier politisch etwas im Argen liegt. Auch der Ablauf der rechtlichen Untersuchungen wirft Fragen auf. In allen drei Fällen gab eine sogenannte Meldestelle den Anstoß für die Ermittlungen. Im Fall von Bolz war es die staatliche Plattform „HessenGegenHetze“. Dieselbe Plattform leitete auch Hopkins Tweets an das Bundeskriminalamt weiter. Bei Bauer verwies laut seiner Pressemitteilung der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Bremen auf das Portal „REspect! im Netz“.
„HessenGegenHetze“ gehört zum Hessischen Innenministerium. Auf der Homepage der Meldestelle werden Bürger ermutigt, „entschieden“ gegen „Hate Speech und extremistische Aktivitäten“ vorzugehen ‒ „auch anonym“. „REspect! im Netz“ schreibt auf seiner Seite: „Das Internet ist kein rechtsfreier Raum.“ Das Portal wende sich „an alle, die etwas unternehmen möchten, weil sie Inhalte im Netz sehen, die sie für strafbar halten. Das geht ganz einfach: Meldemaske ausfüllen und abschicken.“ Die Plattform firmiert als „Angebot der Jugendstiftung Baden-Württemberg“. Das Projekt „kooperiert“ mit der Bayerischen Staatsregierung. Gefördert wird es eigenen Angaben zufolge vom bayerischen Familienministerium und vom Bundesfamilienministerium im Rahmen des Programms „Demokratie leben!“.
Die beiden Meldestellen sind Kooperationspartner des Bundeskriminalamtes (BKA). Seit Februar 2022 gibt es dort die „Zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet“ (ZMI), seit Juni 2021 lief bereits ein „Testbetrieb“, wie das BKA auf Anfrage mitteilt. Auf der Seite des BKA heißt es, gemeinsam mit den Kooperationspartnern „soll einer zunehmenden Verrohung der Kommunikation in sozialen Netzwerken entgegengewirkt und eine effektive Strafverfolgung der dort begangenen Straftaten wie Propagandadelikten, Volksverhetzungen oder Bedrohungen ermöglicht werden“. Die Zusammenarbeit sei „eng und vertrauensvoll“. Die ZMI verfügt neben „Hessen gegen Hetze“ und „REspect“ über vier weitere „Kooperationspartner“:
Einer davon kommt nochmals aus Bayern: Die Generalstaatsanwaltschaft München erhält Meldungen der Initiative „Justiz und Medien – konsequent gegen Hass“. Es handelt sich um ein gemeinsames Projekt des bayrischen Justizministeriums mit der Bayrischen Landeszentrale für neue Medien, das 2019 startete. Daneben bieten „die medienanstalten“ eine „Übersichtsseite“ mit den Landesmedienanstalten der jeweiligen Bundesländer – auch dort kann „Hassrede“ gemeldet werden. Die Landesmedienanstalten werden über den Rundfunkbeitrag finanziert. Zudem gibt es noch die „Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet – Niedersachsen“ der Staatsanwaltschaft Göttingen, die das Meldeportal „hassanzeigen.de“ betreibt.
Und ein letzter Kooperationspartner kommt erneut aus Hessen: Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main verfügt über eine „Zentralstelle zur Bekämpfung der Internet- und Computerkriminalität“. Diese gehe im Rahmen der Initiative „Keine Macht dem Hass“ „gemeinsam mit Akteuren aus Zivilgesellschaft, Medien und Wissenschaft gegen Hass und Hetze im Netz vor“, schreibt das BKA auf seiner Seite. Unter den Partnern aus der „Zivilgesellschaft“ ist auch die Organisation „HateAid“. Sie startete gemeinsam mit dem hessischen Justizministerium die App „MeldeHelden“, mit der „potenziell strafbare oder extremistische Inhalt einfach und direkt“ gemeldet werden können.
Zu den Geldgebern, deren Förderung im Jahr 2024 „mehr als zehn Prozent“ der gesamten Jahreseinnahmen von „HateAid“ ausmachten, gehörten das Bundesjustizministerium, das Bundesfamilienministerium und die Alfred Landecker Foundation. Diese Stiftung geht auf die Unternehmerfamilie Reimann zurück – eine der reichsten Familien Deutschlands, die über ein Vermögen von über 31 Milliarden Euro verfügen soll.
Nachdem die Kooperationspartner ihre Meldungen an das BKA weitergeleitet haben, prüft die ZMI diese „hinsichtlich einer strafrechtlichen Relevanz sowie möglicher Gefährdungsaspekte, stellt nach Möglichkeit den mutmaßlichen Verfasser fest und übermittelt im Erfolgsfall den Sachverhalt an die örtlich zuständigen Strafverfolgungsbehörden in den Bundesländern“. Doch wie genau bewertet das BKA die Strafbarkeit von Meldungen wie jenen von Bolz, Bauer oder Hopkins? Das BKA schreibt auf seiner Seite, es stehe hierfür „im engen Austausch mit der Justiz“ und zwar mit der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime NRW bei der Staatsanwaltschaft Köln und der bereits erwähnten Zentralstelle zur Bekämpufng der Internet- und Computerkriminalität (ZIT) bei der Generalstaatsanwaltschaft in Hessen. In einem letzten Schritt wird über die Landesmedienanstalten die Löschung des beanstandeten Inhalts veranlasst.
Für das BKA spielt es dabei keine Rolle, ob einer der Kooperationspartner auch als „Trusted Flagger“ („vertrauenswürdiger Hinweisgeber“) fungiert. Das ist beispielsweise bei „REspect! im Netz“ der Fall. Auch „HateAid“ hat mittlerweile diesen Status erlangt. Das BKA stellt klar: Die Benennung und Zertifizierung als „vertrauenswürdiger Hinweisgeber“ geht auf den „Digital Service Act“ (DSA) zurück, eine EU-Verordnung. Betreiber von Online-Plattformen müssen Meldungen von solchen „Hinweisgebern“ vorrangig bearbeiten. Für die ZMI hingegen „ist es irrelevant, ob ihren Kooperationspartnern der Status als Trusted Flagger zuerkannt wurde“. Für alle Meldungen gelten „die gleichen Bearbeitungsschritte“ und sie werden „grundsätzlich nach Eingang bearbeitet“.
Strafverfolgung oder Zensur?
Das Prozedere zeigt: Bevor die Polizei bei Hopkins, Bolz und Bauer an der Tür klingelt, haben sich viele Stellen mit der Angelegenheit beschäftigt: Meldestellen, BKA, Staatsanwaltschaft und Richter, die Durchsuchungsbeschlüsse unterschreiben. Haben all diese Stellen wirklich nur „eine effektive Strafverfolgung“ im Blick oder geht es auch um Einschüchterung und eine unzulässige Einschränkung der Meinungs-, Kunst- oder Pressefreiheit, wie Kritiker geltend machen? Sind die Meldestellen „Denunziationsportale“, mit denen der Staat versucht den Debattenraum zu kontrollieren oder eine Art indirekte Zensur zu etablieren?
Zumindest existieren Hinweise, dass eine solche Einhegung des öffentlichen Diskurses politisch erwünscht ist. Der hessische Innenminister Roman Poseck warnte etwa im Vorfeld der Bundestagswahl, im Netz verbreiteten sich „ungefiltert Meinungen“. Zur Erinnerung: In seinem Bundesland kooperieren gleich zwei Initiativen mit dem BKA und eine davon, die Meldestelle „HessenGegenHetze“, gab den Anstoß für die Ermittlungen gegen Hopkins und Bolz.
Die Zeitung „junge Welt“ hält den vorgeblichen Kampf gegen Hass und Extremismus für wenig glaubwürdig und weist darauf hin, dass das hessische Innenministerium „bis heute weder die Rolle seines Geheimagenten ‚Klein Adolf‘ beim NSU-Mord an Halit Yozgat 2006 in Kassel noch Polizeiversäumnisse beim rassistischen Hanau-Massaker 2019 aufklären konnte.“ Auf Nachfrage betont das hessische Innenministerium: „Es geht an keiner Stelle um die Einschränkung von Meinungsfreiheit“. „Hass und Hetze“ könnten jedoch „Grenzen der freien Rede überschreiten“. Die Meinungsfreiheit ende „dort, wo die Würde und Sicherheit anderer verletzt“ werde.
Bayerns Ministerpräsident Marcus Söder schrieb 2023 auf Instagram: „Bayern ist anders als Berlin, wir lehnen Wokeness, Cancel Culture und Genderpflicht ab. Bei uns darf man essen was man will, sagen und singen was einem gefällt“. Gleichwohl fördert das bayrische Familienministerium die Meldestelle „REspect!“ und die Generalstaatsanwaltschaft München ist einer der Kooperationspartner des BKA und sammelt Meldungen der Initiative „Justiz und Medien – konsequent gegen Hass“. Auf Nachfrage schreibt das bayrische Justizministerium:
„Kritik, auch scharfe Kritik, an Politik und Politikern ist selbstverständlich erlaubt und elementarer Bestandteil der demokratischen Debatte.“
Die „konsequente Verfolgung von strafbarem Hass“ diene gerade im Internet „dem Schutz der Meinungsfreiheit“. Durch „strafbare Beleidigungen und Bedrohungen“ könnten „Andersdenkende eingeschüchtert“ werden und sich „aus dem für die Demokratie unentbehrlichen offenen Meinungsaustausch zurückziehen“.
Wir wollten von den beiden Meldestellen „Hessen gegen Hetze“ und „REspect“ unter anderem wissen, wie sie sicherstellen, dass ihre Arbeit nicht zu Zensur, Denunziation, Einschüchterung und einer unverhältnismäßigen Einschränkung der Kunst- und Meinungsfreiheit führt und wie genau eingehende Meldungen auf strafrechtliche Relevanz geprüft werden. Wir fragten auch, ob die Meldestellen ausschließlich externe Meldungen entgegenehmen oder auch selbst recherchieren und wie viele Meldungen in den vergangenen Jahren entgegengenommen und weitergeleitet wurden. Zudem baten wir um Auskunft, ob beziehungsweise in welchem prozentualen Umfang auch Meldungen ohne strafrechtliche Relevanz an Verfassungsschutzämter weitergeleitet werden. Immerhin heißt es auf der Seite von „Hessen gegen Hetze“: „Seit dem 03. Februar 2023 können Sie uns auch extremistische Aktivitäten melden, die nicht mit Hate Speech in Verbindung stehen. Wir leiten diese Meldungen an das Landesamt für Verfassungsschutz Hessen (LfV) weiter, wo sie intensiv geprüft und bearbeitet werden.“ Weder „Hessen gegen Hetze“ noch „REspect“ antworteten auf die Presseanfragen.
Allerdings war „Hessen gegen Hetze“ am 13. November Gegenstand einer Debatte im hessischen Landtag, die etwas Licht ins Dunkel brachte. Die Fraktionen von AfD und FDP hatten beantragt, die Meldestelle ganz abzuschaffen. Anlass war die Hausdurchsuchung bei Norbert Bolz. Der AfD-Abgeordnete Patrick Schenk sagte in seiner Rede, wenn bei dem Publizisten „wegen eines ironischen Tweets am Ende die Polizei in Berlin für eine Hausdurchsuchung klingelt, dann muss man nach dem Beginn dieser Fehlleitungskette fragen, und die liegt eindeutig bei der hessischen Meldestelle“. Er konstatiert: „Dieser Inhalt hätte von der Meldestelle niemals an das BKA weitergeleitet werden dürfen“.
Der FDP-Abgeordnete Moritz Promny erinnerte daran, dass die Meldestelle nach dem Mord an Regierungspräsident Walter Lübcke ins Leben gerufen wurde. Das eigentliche und „richtige“ Ziel, „die Menschen und die Demokratie in diesem Land zu schützen“, sei jedoch verfehlt worden. Seit 2020 seien 85.000 Meldungen bei der Meldestelle eingegangen, es habe jedoch nur 570 Verfahren gegeben und nur 56 Verurteilungen. Das sei „weniger als 1 Prozent“ und „nicht effizient“. Aus Sicht des CDU-Abgeordneten Holger Bellino würden hingegen „die über 30.000 Hinweise, die alleine schon in diesem Jahr eingegangen sind“, zeigen, dass die Meldestelle „notwendig“ sei. Der Meinungsstreit werde „nicht überwacht“. Die Meldestelle werde „nicht aus eigenem Antrieb aktiv, sie bearbeitet lediglich die eingehenden Meldungen.“ Wohl unter Anspielung auf den Fall Bolz sprach er von „ein oder zwei Fehleinschätzungen“ und stellte sie den „vielen tausend Meldungen“ gegenüber, „die eingegangen sind“.
Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) sagte, er halte die Durchsuchung bei Bolz für einen „Fehler“, die Verantwortung dafür liege aber bei der Berliner Justiz, nicht bei der Meldestelle. Dennoch nehme man die Kritik ernst. Er wolle eine „Neuausrichtung der Meldestelle“. Diese besteht den Ausführungen des Ministers zufolge jedoch in erster Linie darin, den Zuständigkeitsbereich der Meldestelle „auf Fälle mit Hessenbezug“ zu begrenzen. 93 Prozent der Fälle hätten keinen Bezug zu dem Bundesland. Ihm sei außerdem ein „Mehrwert“ für „Betroffene“ und „Opfer“ wichtig. Was das konkret in Bezug auf die Neuausrichtung bedeuten soll, blieb offen. Die Anträge der AfD und FDP scheiterten.
„Hass und Hetze“ in Zahlen: Wer meldet was – und wie häufig?
Doch wie sieht es insgesamt mit Qualität und Anzahl der Meldungen aus, die die Meldestellen bekommen und weiterleiten? Das BKA schreibt auf seiner Seite, die ZMI erhalte „wertige Meldungen, die durch ihre Kooperationspartner bereits eine justizielle Vorprüfung durchlaufen haben.“ Zwischen Juni 2021 und September 2025 seien 85 Prozent der Meldungen strafrechtlich relevant gewesen. Das „Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen“ (§ 86a StGB), das Bolz, Bauer und Hopkins zur Last gelegt wird, gehört laut BKA zu den häufigsten Straftatbeständen. Seit Juni 2021 „betrafen die meisten Meldungen (ca. 19.900) den Straftatbestand §86a StGB“, teilt ein Sprecher des BKA mit.
Wir baten das BKA auch um Auskunft, wie viele Meldungen insgesamt und von den jeweiligen Kooperationspartnern eingingen. Seit Juni 2021 bis einschließlich September 2025 erreichten die ZMI laut Antwort insgesamt rund 59.000 Meldungen. „Hessen gegen Hetze“ lieferte seit Juni 2021 die meisten Meldungen – insgesamt knapp 25.900. Gemäß einer Aufschlüsselung nach Kooperationspartnern ab Mai 2022 bis einschließlich September 2025 geht der weit überwiegende Teil der Meldungen auf „Hessen gegen Hetze“ und „REspect“ zurück.
Die Meldungen der beiden Spitzenreiter sind laut Angaben des BKA in der Regel strafrechtlich relevant. So lag gemäß der Aufschlüsselung des BKA im Fall von „REspect!“ zwischen Mai 2022 und September 2025 die strafrechtliche Relevanz durchweg bei über 80 Prozent, 2024 sogar bei 90 Prozent. Im Falle von „Hessen gegen Hetze“ schwanken die Zahlen über den genannten Zeitraum hinweg zwischen 73 und 87 Prozent. Wie viele der durch die Meldungen angestoßenen strafrechtlichen Ermittlungen bislang tatsächlich mit einem Schuldspruch endeten, kann das BKA nicht sagen: „Nach Übermittlung eines Sachverhalts an die örtlich zuständige Strafverfolgungsbehörde in den Bundesländern erhält das Bundeskriminalamt keine Informationen über den Fortgang der Ermittlungen und somit auch keine Erkenntnisse zu etwaigen Gerichtsverfahren und deren Ausgang“, heißt es in einer Antwort auf eine entsprechende Nachfrage.
Befürworter der Meldestellen wie etwa der Präsident der Bundesnetzagentur Klaus Müller deuten die Zahlen zur strafrechtlichen Relevanz als „hohe Bestätigungsquote“ und „Qualitätsindikator“ dafür, dass Meldestellen wie „REspect!“ eine „saubere Arbeit“ machen. Es zeige auch, dass es sich nicht um Zensur handele, sondern um die Meldung illegaler Inhalte. Auch das hessische Innenministerium betont „Hessen gegen Hetze“ würde „differenziert“ arbeiten. Zwischen dem Start der Meldestelle am 16. Januar 2020 und dem 30. September 2025 seien knapp 85.000 Meldungen ausgewertet, aber nur knapp 27.000 Meldungen wegen potenziell strafrechtlicher Relevanz an das BKA und knapp 14.000 Meldungen an die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt weitergeleitet worden. Das entspricht einer Weiterleitungsquote von rund 48 Prozent.
Man kann diese Zahlen auch weniger optimistisch lesen: Wenn nur knapp die Hälfte der eingehenden Meldungen als strafrechtlich relevant weitergeleitet wird, könnte das auch ein Indikator für eine um sich greifende Denunziationskultur in der Bevölkerung sein, die sich aufgerufen fühlt, auch Bagatellen bei einer Meldestelle anzuschwärzen. Und wenn das BKA rund 85 Prozent der Meldungen für strafrechtlich relevant hält, heißt das, die Weiterleitungen der Meldestellen haben immer noch eine Fehlerquote von rund 15 Prozent. Ob das eine Erfolgsmeldung ist, darüber kann man streiten.
In der Gesamtschau ergibt sich jedenfalls ein beklemmendes Bild. Die Ermittlungen gegen Hopkins, Bolz und Bauer durchliefen alle einen mehrstufigen Prozess – es sind keine Schnellschüsse eines einzelnen, übereifrigen Beamten. Mitarbeiter der Meldestellen, des BKA, der Staatsanwaltschaften und Gerichte waren involviert. Außer der Richterin am Amtsgericht Tiergarten, die Hopkins in erster Instanz freisprach, scheinen alle anderen Stellen es auf eine eigenwillige und höchst umstrittene Auslegung des deutschen Anti-Nazi-Paragrafen angelegt zu haben. Damit schaden sie möglicherweise dem eigentlichen Anliegen des Gesetzes.
Im Gespräch erklärt Hopkins: „Wissen Sie, ich habe gar nichts gegen dieses Gesetz. Ich möchte nicht umgeben sein von Nazis, die Hakenkreuzfahnen schwenken. Das Gesetz definiert das Verbot und seine Ausnahmen sehr klar. Wenn man das einfach anwenden würde, hätte auch ein ‚Free Speech Absolutist‘ wie ich nichts dagegen einzuwenden.“
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