Obwohl Friedrich Merz noch nicht mal als Kanzler vereidigt wurde, entmachtet er bereits das Parlament. Das gab es nicht mal unter Hitler. Weil es eilig sei, soll der alte Bundestag die Grundgesetzänderungen abnicken. Doch das neue Plenum könnte sofort zusammentreten. Das entlarvt die Abstimmung über die Sondervermögen als kriminellen Akt.
von Frank Hauke
Das Grundgesetz ist über die Konstituierung eines neu gewählten Bundestages nur in der Frage eindeutig, wann das spätestens passieren muß: 30 Tage nach der Wahl. Das wäre der 25. März. Artikel 39 der Verfassung sagt nichts darüber aus, wie früh das sein könnte. Theoretisch bedeutet das, das neue Parlament hätte sich auch bereits am 24. Februar zusammenfinden können – 24 Stunden nach der Bundestagswahl.
Und es könnte sich natürlich auch in der nächsten Woche konstituieren, wenn Geschichte zu einer Billion Euro Neuverschuldung geschrieben werden soll. Daher handelt es sich bei dem Manöver, die Grundgesetzänderungen zu den Sondervermögen und der Reform der Schuldenbremse für die Länder vom alten Bundestag entscheiden zu lassen, um ein Austricksen der neugewählten Abgeordneten – um eine Entmachtung der demokratisch gewählten Volksvertreter. Union und SPD begründen das jedoch mit der absoluten Eile, die in der Frage herrsche. Zuweilen geben sie auch offen zu, daß es um die Zweidrittelmehrheit geht, die Union, SPD und Grüne im alten Parlament noch haben.
Dies dürfte für eine mögliche Verfassungsklage, die sowohl Linke als auch AfD prüfen, von entscheidender Bedeutung sein. Denn wenn es wirklich um das Tempo ginge, könnte sofort der neue Bundestag einberufen werden. Vielmehr wollen die Chefs der mutmaßlichen Koalitionspartner, Friedrich Merz (CDU), Markus Söder (CSU), Lars Klingbeil und Saskia Esken (beide SPD), die Gunst der Stunde nutzen, solange die Verfassung noch Sitzungen der abgewählten Abgeordneten erlaubt.
Konstituierung des Bundestages wird verzögert
Die Konstituierung des neuen Parlaments, über die das Präsidium entscheidet, wird tatsächlich bis auf den letzten möglichen vom Grundgesetz festgeschriebenen Tag hinausgezögert, damit die abgewählte Volksvertretung noch einmal tätig werden darf. Entsprechend mit heißer Nadel gestrickt ist der Zeitplan, der Redaktion vorliegt und der die Verfassungsänderungen möglich machen soll. Denn bis zum 24. März muß alles in trockenen Tüchern sein.
Auf die abgewählten Bundestagsabgeordneten wartet Akkord-Arbeit. Schon an diesem Montag bringen Union und SPD laut des Papiers die Grundgesetzinitiative ein. Noch am selben Tag tritt der Haushaltsausschuß zusammen, um Vorratsbeschluß und Anhörung auf einmal durchzuführen.
Am Donnerstag kommender Woche muß dann das Plenum zur ersten Lesung der Grundgesetzänderungen zusammentreten. Und sofort danach geht die Vorlage zurück in den Haushaltsausschuß. Nur einen Tag später, am Freitag, fällt dieser seinen finalen Beschluß. Wir sind inzwischen am 14. März angekommen – nur noch zehn Tage Zeit.
Das Rekordtempo geht weiter
Nach dem Wochenende geht es mit dem Rekordtempo weiter. Bereits am Montag, 17. März treten die alten Fraktionen, auch die der ab der Fünfprozent-Hürde gescheiterten FDP, zusammen, um zu beraten, wo es kaum noch etwas zu besprechen gibt. Aber die Formalie wird eingehalten. Es muß demokratisch aussehen.
Am Dienstag findet ein „Zählappell“ in den Fraktionen statt, damit ja nichts schief geht. Sofort danach werden die zweite und dritte Lesung der Verfassungs-Initiative an einem einzigen Tag durchgehastet. Und dann folgt auch schon die Abstimmung. Denn es sind nun nur noch sechs Tage, bis der neue Bundestag spätestens zusammentreten muß. Solche Effizienz kennt man von den Volksvertretern selten.
Auch der Bundesrat soll sein Werk bis zum Ende der Woche verrichten. Am Freitag, 21. März, tritt die Länderkammer zusammen, um ihre Zustimmung zu erteilen. Dann wären drei Verfassungsänderungen durch die Instanzen geprügelt. In den vergangenen beiden Jahren gab es nur deren zwei.
Nun müssen ebenfalls im Eiltempo die Bauarbeiter ran. Sie haben den Plenarsaal umzubauen. Schließlich gibt es am Dienstag, 25. März, bei der konstitzierenden Sitzung eine Fraktion, die der FDP, und insgesamt 94 Abgeordnete weniger. Im besten Fall sind dann die Spuren dieses einmaligen Vorgangs in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland verwischt.
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