Deutschland Meinung

Die Welterlöserin: Svenja Schulzes Entwicklungspolitik

Eine Politik-Karriere als „die Unbekannte“
Entwicklungsministerin Svenja Schulz (SPD)

Svenja Schulze scheint überzeugt, dass jedes Weltproblem auch ein deutsches Problem ist. Als „Kümmerin“ sorgt sie sich um jede Toilette der dritten Welt und will noch mehr deutsches Steuergeld rund um den Globus ausgeben. Als Politikerin surft sie klug auf den politischen Wellen der Ampel – und sieht sich wohl bald zu Höherem berufen. Ein Porträt.

von Max Roland

„Ich werde immer wieder gefragt, wie man eigentlich Bundesministerin wird. Dafür gibt es kein Rezept und darauf kann man sich auch nicht wirklich bewerben.“ Geschafft hat es Svenja Schulze trotzdem. Sie gehört sogar zu den wenigen Ministern, die über den Regierungswechsel 2021 im Kabinett bleiben konnten. Erst war sie Merkels Bundesumweltministerin: Jetzt ist sie unter Bundeskanzler Scholz die vielleicht präsenteste und relevanteste Entwicklungshilfe-Ministerin seit Bestehen des Amtes, in einer Rolle, die Schulze vor allem selbst geschaffen hat.

Ihre Heimat ist die Stadt Münster: grün, studentisch, Fahrradstadt. Diese Heimat liebt Schulze: „Ich genieße es, um den Aasee zu laufen und so wenige Minuten von zu Hause in so schöner Umgebung zu sein. Sich auf die Leeze zu schwingen und einfach mal durch die Gegend zu fahren, ist immer wieder schön. Und wenn es samstags möglich ist, bin ich gerne auf dem Markt in Münster.“ Sie fährt gerne Fahrrad und kocht auch gerne, erzählt die Ministerin über sich. Und sie kauft gerne ökologische Fair-Trade-Kleidung im schick-schönen „Südviertel“ Münsters, wo sie mit ihrem Mann auch wohnt.

Schulze strahlt immer eine gewisse Wärme aus. Vom Duktus ihrer Sprache her könnte sie auch Schuldirektorin sein. Mütterlich, ruhig, und immer von oben herab. Manchmal so, als würde sie einem Kleinkind oder einem Hund gut zureden. Die Worte wirken dabei aber oft mechanisch und leer. Bullshit-Sätze könnte sie in ihrem Job als Unternehmensberaterin gelernt haben – genauso gut aber auch in ihrer langen Politiker-Laufbahn.

Eine Politik-Karriere als „die Unbekannte“

Schulze gilt als gut vernetzt. Sie war Juso-Chefin, Ministerin und SPD-Generalsekretärin in NRW. Als enge Vertraute der ehemaligen Parteichefin Nahles schaffte sie 2017 schließlich den Sprung in die Bundespolitik, wurde Umweltministerin im letzten Kabinett Merkel. „Ihre parteipolitischen Drähte funktionieren bestens“, urteilte die Welt damals.

Lange war Schulze immer „die Neue“ oder „die Unbekannte“ in der Politik, etwa 2010 beim Amtsantritt als Wissenschaftsministerin in Nordrhein-Westfalen. Genauso galt sie öffentlich als unbekannte Überraschung im Merkel-Kabinett 2017. Das hat sich mittlerweile geändert. Schulze hat Sendungsbewusstsein, tritt gerne öffentlich auf und gibt für das Image ihres Ministeriums (und ihrer Person) viel Geld aus. Sie ist, und war wohl immer, eine Frau mit Ambitionen und Zielstrebigkeit.

In ihrer Rolle als Landesministerin konnte Schulze jedoch kaum glänzen. Die Abschaffung der Hochschulgebühren und die Rücknahme eines Hochschulfreiheitsgesetzes machten der SPD-Politikerin viele Feinde in Politik und Wissenschaft. Ihre Amtszeit als Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung in zwei Kabinetten von SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft in Nordrhein-Westfalen bleibt vor allem wegen eines Skandals in Erinnerung: Ihr Ministerium hatte in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage eines Grünen-Landtagsabgeordneten den Eindruck erweckt, als seien tausende Brennelementkugeln aus dem Zwischenlager am Forschungszentrum Jülich verschwunden. Über deren Verbleib „können keine abschließenden Aussagen getroffen werden“, hieß es in der Antwort damals. Nukleares Material verschwunden? Ein Furcht-Szenario im Atomangst-Land Deutschland.

„Brennelementkugeln vermisst“, „Atom-Skandal“, „Rätselraten um verschwundene Kugeln“, titelten die Medien daraufhin. Der damalige Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) musste einschreiten und stellte klar, dass alles dokumentiert sei. Daraufhin musste auch Schulze einräumen, dass die Menge des spaltbaren Materials in Jülich jederzeit „überprüfbar und nachvollziehbar“ gewesen wäre. Dafür gab es aus Berlin ordentlich Schelte: „Das Informationschaos, das in Düsseldorf stattgefunden hat, ist nicht akzeptabel. Mit ihren spekulativen Angaben haben Wissenschafts-, Umwelt- und Wirtschaftsministerium nur für Verunsicherung in der Bevölkerung gesorgt“, erklärte Minister Röttgen. Die Beteiligten hätten versucht, „aus einer ernsthaften Diskussion über die Zukunft der Kernenergie parteipolitisches Kapital zu schlagen“, warf Röttgen Schulze damals vor.

Schulze schürte also auf Basis von bewusst produzierten Fake News Angst: Trotz eines ihretwegen eingesetzten Untersuchungsausschusses konnte sie den Skandal aber abschütteln, heute ist er fast vergessen. Sie wurde dann 2017 mit mauen 69 Prozent zur neuen Generalsekretärin der NRW-SPD gewählt. Nur ein knappes Jahr später begann ihre bundespolitische Karriere, die sie seit 2021 im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) fortsetzt.

Kümmerin auf Weltmission

Hier hat Schulze, so scheint es, die Rolle ihres Lebens gefunden. Sie macht aus dem Ministerium eine relevante Polit-Plattform, wie es das BMZ wohl noch nie war. Amtsvorgänger wie zuletzt Gerd Müller (CSU) waren oft blass, das Ministerium galt gemeinhin als irrelevant. Schulze will das ändern. Wichtige Ampel-Themen wie Klimaschutz oder feministische Weltpolitik reitet die Ministerin wie eine fähige Surferin. Während Außenministerin Baerbock eine „feministische Außenpolitik“ ausruft, erarbeitet Schulze in ihrem Windschatten Leitlinien für eine „feministische Entwicklungspolitik“. Die beiden Frauen scheinen sich politisch bestens zu verstehen und zu ergänzen.

„Deutschland trägt in der globalen Zusammenarbeit eine besondere Verantwortung – als Brücken­bauer und als Unterstützer. Als Ent­wick­lungs­mi­nis­terin geht es mir wie schon in meinem vorigen Amt als Umwelt­ministerin um den Erhalt unserer Lebens­grund­lagen, um gute Ent­wick­lungs­pers­pek­tiven, Solidarität und Gerech­tig­keit. Es muss unser Bestreben sein, für alle Menschen auf der Welt ein gutes Leben zu ermöglichen“, beschreibt Schulze ihre Arbeit. Diese „besondere Verantwortung“ nimmt sie sehr ernst. Die ganze Welt soll ein wenig wie ihr Münster werden: Grün, progressiv, Fahrrad fahrend.

Jedes Problem ist ein deutsches Problem

Schulze scheint überzeugt: Solange das nicht so ist, ist jedes Problem auf der Welt ein deutsches Problem. Nur so lässt sich die Verbissenheit erklären, mit der die Ministerin die zuletzt stark kritisierte Ausgabenpraxis ihres Hauses verteidigt. Radwege in Peru, feministischer Klimaschutz in Algerien und die Bekämpfung „toxischer Maskulinität“ in Ruanda: Hinter diesen Ausgabenposten steckt die tiefe Überzeugung, für jedes echte oder vermeintliche Problem auf der Welt mitverantwortlich zu sein. Wir müssen die woke-feministischen Ideen der Ampel exportieren und zeitgleich für ungefähr jedes Projekt, jedes Dorf und jede Toilette von Kenia bis Kathmandu eine Mitverantwortung übernehmen: Wer das kritisiere, sei oft „rechtsradikal“, drückte Schulze jüngst aus.

Aus dem Entwicklungs-Ministerium wird ein Alles-Ministerium, das von Klima über Wirtschaft, von Feminismus über „Gerechtigkeit“ für so ziemlich jedes Politikfeld irgendwie zuständig scheint. In fast jede heiße, aktuelle Debatte kann Schulze sich politisch irgendwie einmischen. Auch auf der Orgel von Kolonialismus-Komplexen und Vergangenheitsbewältigung kann sie spielen. Auf der Website ihres Ministeriums heißt es: „Auch heute sind Gesellschaften noch von Denkmustern und Strukturen geprägt, die auf die Kolonialzeit zurückgehen. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) setzt sich mit dem Kolonialismus und seinen Folgen kritisch auseinander“. Auf eine Frage des Tagesspiegel, ob Deutschland zur Aufarbeitung seiner Kolonialzeit genug tue, antwortet sie: „Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Daher widmet sich ein Teil meiner Afrika-Strategie auch der Frage, wie wir mit postkolonialen Kontinuitäten umgehen.“

Es zeigt sich, wie geschickt Schulze auf den jeweiligen Wellen des Zeitgeistes surfen kann: Ein „langweiliges“ Ministerium wie das BMZ wird unter ihr zur woken, hippen Behörde, die die echten und vermeintlichen Probleme am Puls der Zeit löst. Das kann für die Frau, die als Netzwerkerin und Treiberin gilt, jedoch kaum die Endstation sein. Schulzes Sendungsbewusstsein und ihr öffentliches Ausbauen der sonst so stillen Entwicklungspolitik deuten darauf hin, dass sie sich für Größeres bestimmt sieht. Vielleicht will sie die nächste Außenministerin werden? Da wäre eine aktive Entwicklungspolitik, bei der sie viel in der Welt herumgereist ist, nicht das schlechteste Zeugnis. Sollte die politische Lage es hergeben, könnte sie bald Baerbock beerben – und ihre klimabewusste, feministische Außenpolitik nahtlos fortsetzen. Für diese Aufgabe hat sie sich zumindest hinreichend qualifiziert.

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