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Kurse explodieren – Die deutsche Rüstungsindustrie boomt

Kurse explodieren – Die deutsche Rüstungsindustrie boomt
Friedrich Merz: Der beste Lobbyist der Rüstungsindustrie

Während der Rest des Landes kollektiv an die Wand fährt, herrscht in der Rüstungsindustrie Goldgräberstimmung. Was Corona für die Pharmaunternehmen war, ist der Ukraine-Krieg für die Waffenkonzerne – und auch Friedrich Merz‘ ehemaliger Brötchengeber Blackrock, verdient am Geschäft mit dem Tod kräftig mit.

von Kai-Uwe Reiter

Am Anfang war die «Zeitenwende»: Unter diesem Stichwort brachte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am 28. Februar 2022, kurz nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine, das gigantischste Aufrüstungsprogramm seit 1945 auf den Weg. Für stattliche 100 Milliarden Euro sollte die Bundeswehr nun alles das bekommen, was ihr jahrzehntelang vorenthalten worden war – modernes Gerät, genügend Munition, neue Kasernen, und das innerhalb weniger Jahre. Ein Gutteil dieser Ausgaben dürfte allerdings dem Selenski-Regime zugute gekommen sein: Scholz sprach Anfang November von 34 Milliarden Euro, die Deutschland seit 2022 für sogenannte Ukra­ine-Hilfen ausgegeben hat.

Goldgräberstimmung

Nachfolger Friedrich Merz (CDU) hat bereits vor seinem Amtsantritt mit einer Abstimmung im alten Bundestag dafür gesorgt, dass die Fantastilliarden noch kräftiger sprudeln: Sein Schuldenpaket, lügnerisch «Sondervermögen» genannt, beläuft sich auf über eine Billion Euro. Mindestens die Hälfte davon soll dem Ziel dienen, die Bundeswehr zur «stärksten konventionellen Streitmacht Europas» zu machen.

Rheinmetall hofft auf die Übernahme sterbender Autofabriken.

Tatsächlich tut sich etwas. Die neue Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) sieht die Rüstungsindustrie als «zentralen Wirtschaftsfaktor» und hat in ihrem Ministerium eigens einen hochkarätigen Beraterkreis eingerichtet, dem Fachleute wie Moritz Schularick (Institut für Weltwirtschaft, Kiel), René Obermann (Airbus), Nico Lange (Munich Security Conference) und Generalleutnant a. D. Jürgen-Joachim von Sandrart angehören, um die schnelle Skalierung der Verteidigungsindustrie zu unterstützen – mit Fokus auf Hochtechnologie, KI, Robotik, Raumfahrt und Satellitentechnologien.

Schon jetzt herrscht bei den beteiligten Firmen Goldgräberstimmung. Ihr Umsatz hat sich zwischen 2021 und 2025 nahezu verdreifacht, von 11,5 Milliarden Euro vor dem Ukrainekrieg auf schätzungsweise 31 Milliarden Euro 2025. Allein der Branchenriese Rheinmetall, der derzeit rund 33.700 Mitarbeiter an 167 Standorten weltweit beschäftigt und bereits ein Instandsetzungswerk in der Westukraine unterhält (weitere Fabriken sind dort geplant), meldete für 2024 einen Umsatz von 9,8 Milliarden Euro, ein Plus von 36 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Seit 2022 stieg die Rheinmetall-Aktie von etwa 100 auf knapp 2.000 Euro, ein Plus von sagenhaften 2.000 Prozent.

Panzer statt Autos

Unversehens wird die Wehrindustrie zum Hoffnungsanker für die stotternde Zivilwirtschaft, die von Auftragsrückgängen, CO2-Abgaben und explodierenden Energiepreisen gebeutelt ist. Die Verteidigungsbranche hingegen brummt. Rund 105.000 Beschäftigte arbeiten in rund 350 Firmen an 800 Standorten im Land. Künftig werden noch mehr Arbeitskräfte gebraucht. Sie sollen aus der darbenden Autoindustrie kommen. Beim Rüstungsverband BDSV hat man sich für die Entwicklung ein treffendes Kürzel ausgedacht: «Auto2Defence».

Den Vorreiter machte schon voriges Jahr der Zulieferer Continental. Bis zu 100 Mitarbeiter am Standort Gifhorn sollen im nahen Unterlüß einen neuen Job in einer Munitionsfabrik von Rheinmetall finden. Ein anderes Beispiel ist die Übernahme des traditionsreichen Alstom-Waggonwerks in Görlitz durch den deutsch-französischen Panzerbauer KNDS. Geplant ist, Komponenten für Kettenfahrzeuge vom Typ Leopard 2, Puma und Boxer zu fertigen. Der Hensoldt-Konzern (Radar, Optoelektronik) wirbt vor allem um Software Experten, deren Jobs bei Bosch und Conti wegfallen sollen. Die Liste ließe sich problemlos verlängern. Beim Panzerriesen Rheinmetall denkt man schon über die Übernahme «überzähliger» PKW-Werke nach – wie die VW-Fabrik in Osnabrück. Der größte Vorteil der Autostandorte sei das qualifizierte Personal, weiß Konzernchef Armin Papperger. Er rechnet damit, dass seine Belegschaft noch vor 2030 von rund 30.000 auf 40.000 Beschäftigte wachsen wird.

2024 gab Deutschland noch 91 Milliarden Euro für die Rüstung aus, 2,1 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Ende Juni hat die NATO beschlossen, den Anteil für alle Mitgliedstaaten auf fünf Prozent zu erhöhen – das wären für die Bundesrepublik 215 Milliarden Euro. Bis 2035 will die Bundeswehr 1.000 neue Radpanzer anschaffen. Allein beim Rüstungszulieferer Renk kalkuliert man dafür Investitionen in Höhe von rund 500 Millionen Euro. Rheinmetall wiederum kann sich über einen Auftrag über 105 neue Leopard-Panzer freuen – und erhielt schon letztes Jahr eine Order über Artilleriemunition im Wert von 8,5 Milliarden Euro, der größte Auftrag in der Unternehmensgeschichte.

Viele deutsche Rüstungsunternehmen sind bloße Transmitter des internationalen Finanzkapitals.

Bei alledem werden aber künftig womöglich nicht mehr Panzer, Granaten und Flugzeuge das große Geschäft bringen, sondern Drohnen. Sie sollen, wie in der Ukraine, gegnerische Panzer stoppen. Einer der deutschen Marktführer, das Münchner Software-Unternehmen Helsing, brachte dafür im März ein gigantisches Projekt ins Gespräch, einen sogenannten Drohnenwall. «Dieser Drohnenwall ließe sich innerhalb eines Jahres errichten. Man braucht dazu noch Aufklärungssysteme, Satelliten und wahrscheinlich auch Aufklärungsdrohnen», sagt Helsing-Mitbegründer und Co-Vorstandsvorsitzender Gundbert Scherf. Sein Unternehmen hat für den Einsatz – zunächst in der Ukraine – bereits die Drohne HX-2 entwickelt, die Künstliche Intelligenz nutzt, um Sprengladungen punktgenau ins Ziel zu steuern und dabei weniger anfällig gegen Störmaßnahmen zu sein.

Für moderne «Deep Strike»-Drohnen, die autonome Schläge tief im gegnerischen Hinterland durchführen können, plant die Bundeswehr in den nächsten Jahren Milliardeninvestitionen. Drei Unternehmen konkurrieren in der strategisch hochsensiblen Sparte: So hat Quantum-Systems (München) mit der Vector-Drohne ein System entwickelt, das für das Schlachtfeld des 21. Jahrhunderts optimiert ist. Mit Diehl Defence in Überlingen am Bodensee arbeitet ein weiterer deutscher Rüstungs-Akteur an der Eurodrohne, einem mittelgroßen unbemannten Aufklärungssystem (MALE-UAV), das gemeinsam mit Frankreich, Italien und Spanien entwickelt wird. Dritter im Bunde ist die Hensoldt AG, die Radarsysteme, Optronik und elektronische Systeme liefert.

Von besonderem Gewicht ist in diesem Kontext ein ebenfalls bayerischer Akteur, der seit Monaten immer wieder für politische Schlagzeilen sorgt: die Taurus Systems GmbH in Schrobenhausen, eine Kooperation zwischen MBDA Deutschland und der schwedischen Saab Dynamics. Sie erlangte Bekanntheit durch die Entwicklung des gleichnamigen Marschflugkörpers, dessen Einsatz gegen die Krim-Brücke hohe Bundeswehrgeneräle im Februar 2024 durchspielten. Derzeit wird an der Weiterentwicklung des Systems gearbeitet, um die Reichweite (bisher über 500 Kilometer) und Präzision weiter zu verbessern.

Die besonderen Stärken der deutschen Rüstungsindustrie liegen aber nach wie vor bei klassischen Hauptwaffensystemen wie gepanzerten Fahrzeugen, U-Booten und Marine-Schiffen. Hier kann sie sich – vor allem in der Mikroelektronik – auf eine breite inländische Zuliefererbasis stützen. Das Kieler Unternehmen Thyssenkrupp Marine Systems ist Weltmarktführer für nichtnuklear betriebene U-Boote und bis Anfang der 2040er Jahre mit einem Auftragsvolumen von mindestens 18 Milliarden Euro ausgelastet.

Das Interesse von Blackrock

Viele der deutschen Rüstungsunternehmen sind dabei mit ihren weltweiten Beteiligungen und Verflechtungen längst «global players», also bloße Transmitter des internationalen Finanzkapitals. Beispiel Rheinmetall: Die Aktiengesellschaft wird laut Firmenangaben zu 66 Prozent von institutionellen Anlegern, zu 23 Prozent von Privataktionären und zu elf Prozent von sonstigen Anlegern getragen. Die institutionellen Anleger verteilen sich zu 37 Prozent auf Nordamerika, zu 23 Prozent auf Europa und die übrigen acht Prozent auf den Rest der Welt.

Helsing will einen gigantischen Drohnenwall an der Ostfront bauen.

Allein hieran zeigt sich, dass es sich bei dem Düsseldorfer Unternehmen nur noch nominell um eine deutsche Firma handelt. Und siehe da, unter den wichtigsten Anteilseignern finden sich bekannte Kapitalkraken wie Société Générale (elf Prozent), Blackrock (5,6 Prozent), Goldman Sachs und Bank of America (beide jeweils 4,7 Prozent) oder UBS mit 3,8 Prozent – die Crème de la Crème des globalen Finanzkapitals also. Apropos Blackrock: Bei dieser Finanzkrake war Friedrich Merz von 2016 bis 2020 Aufsichtsratsvorsitzender Deutschland. Offensichtlich denkt er auch heute noch an seinen früheren Brötchengeber… Auch für die Neuschulden in Höhe von einer Billion Euro, die im Frühjahr beschlossen wurden, dürfte ein größerer Teil über Kredite eingesammelt werden, die Blackrock besorgt – selbstverständlich bei entsprechenden Provisionen.

Fest steht: An der deutschen Rüstungsbranche wird die von der Politik gewünschte «Kriegstüchtigkeit» nicht scheitern. Aber vermutlich an der russischen Gegenwehr: Von 18 Leopard-2-Panzern, die Deutschland seit 2022 in die Ukraine geliefert hat, wurden bereits 13 abgeschossen oder außer Gefecht gesetzt. Rheinmetall und Co. wird das nicht gestört haben: Die Profite wurden bereits vorher realisiert, neue Aufträge sind im Anmarsch.

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