Deutschland

Strafverfahren gegen Andreas Scheuer – wann ist der Rest von Merkels „Bande“ dran?

Strafverfahren gegen Andreas Scheuer – wann ist der Rest von Merkels „Bande“ dran?
Ermittlungsverfahren: Staatsanwalt ermittelt gegen Ex-Bundesverkehrsministers Andreas Scheuer (CSU)

Die Pkw-Maut war ein Debakel – und ein Lieblingsprojekt von Andreas Scheuer und seiner CSU. Nun hat es ein juristisches Nachspiel für den früheren Bundesverkehrsminister. Die Berliner Staatsanwaltschaft hat wegen Falschaussage im Untersuchungsausschuss des Bundestags ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

von Alexander Schwarz

Es geschehen in diesem Land noch Zeichen und Wunder: Offenbar gibt es doch noch Fälle, in denen die der Politik buchstäblich hörigen, weil weisungsgebundenen Staatsanwaltschaften ihrer Pflicht zur unabhängigen Strafverfolgung im Interesse der Öffentlichkeit nachkommen: Die Berliner Staatsanwaltschaft hat nun – spät, aber wohl nicht zu spät – ein überfälliges Ermittlungsverfahren gegen den früheren Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und dessen damaligen Staatssekretär Gerhard Schulz eingeleitet. Vorausgegangen waren mehrere Strafanzeigen von Privatpersonen gegen beide; allerdings waren nach dem von Scheuer zu verantwortenden Maut-Skandal mit mutmaßlichem Milliardenschaden für den Steuerzahler immer wieder Strafanträge und Anzeigen gestellt worden, ohne dass die Anklagebehörden einen Handlungsbedarf erkennen wollten. Anscheinend hat sich das mit dem Ende der Merkel-Regierung und Scheuers Amtserledigung geändert.

Hintergrund des nunmehr endlich aufgenommenen Ermittlungsverfahrens ist Scheuers Prestigeprojekt einer PKW-Maut, die wider alle Vernunft eingeführt und 2019 vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) für rechtswidrig erklärt wurde – nachdem Österreich 2017 dagegen geklagt hatte, weil die Maut Ausländer benachteilige. Nach dem Urteil wurde das Projekt aufgegeben; die Verträge mit dem vorgesehenen Mautkonsortium „Paspagon“ gekündigt. Ende 2019 war ein Untersuchungsausschuss des Bundestags einberufen worden, um die Vorgänge aufzuklären. Gegen Scheuer und Schulz wird nun der Vorwurf erhoben, vor dem Ausschuss falsch ausgesagt zu haben.

Taktische Erinnerungslücken?

Konkret geht es um ein Treffen beider mit den beiden Chefs der Betreiberfirmen im November 2018: Diese sollen Scheuer ausdrücklich angeboten haben, mit der Vertragsunterzeichnung bis zum Urteil des EuGH zu warten. Scheuer habe dies abgelehnt, da die Maut „noch im Jahr 2020 eingeführt” werden solle. Stattdessen habe er beiden Managern das Angebot lukrativer „optionaler Leistungen“, etwa die Ausweitung der PKW-Maut auf weitere Gewichtsklassen, gemacht, sofern der geforderte Preis „reduziert“ würde. Der Vorschlag sei ausgeschlagen worden. Der Vertrag wurde am 30. Dezember 2018 unterzeichnet. Bei ihrer Aussage vor dem Untersuchungsausschuss 2020 hatten Scheuer und Schulz auf mehrfache hartnäckige Nachfragen erklärt, sich nicht an das Angebot der beiden Manager erinnern zu können, wobei Schulz schließlich, so praktisch wie taktisch, einräumte: „Ich kann mich da auch nicht konkret erinnern, aber ich kann es auch nicht ausschließen.“

Aufgrund dieser widersprüchlichen Angaben wurde nun am 13. April ein Verfahren gegen Scheuer und Schulz wegen des Verdachts eingeleitet, „bei ihren zeugenschaftlichen Vernehmungen vor dem Untersuchungsausschuss bewusst wahrheitswidrig ausgesagt (zu) haben.“ Gegenüber dem „Spiegel” blieb Scheuer bei seiner Aussage vor dem Ausschuss, der er „nichts hinzuzufügen“ habe. Schulz, der es offenbar nicht über sich bringt, diesen Kurs mitzutragen, ließ lediglich verlauten, sich zu dem laufenden Verfahren nicht äußern zu wollen.

Teures Nachspiel für Steuerzahler

Die gescheiterte Pkw-Maut könnte noch ein teures Nachspiel für den Steuerzahler haben: Die beiden Firmen CTS Eventim und Kapsch Trafficcom verlangen Schadenersatz in Höhe von 560 Millionen Euro. Ende März hatte ein Schiedsgericht festgestellt, dass ihr Anspruch dem Grunde nach berechtigt ist. Scheuer hatte auch dies immer wieder bestritten und den Firmen seinerseits Vertragsverletzungen vorgeworfen. Über die genaue Schadenersatzsumme wird noch entschieden. In jedem Fall entwickelt sich die Farce um die PKW-Maut, die faktisch nichts anderes als eine Wahlkampfprofilierung der CSU war, zum Debakel für alle Beteiligten: Unsummen wurden und werden verschwendet, um das unsinnige Projekt voranzutreiben, die skandalösen Begleitumstände aufzuklären und die geprellten Firmen zu entschädigen. Immerhin werden nun endlich auch einmal strafrechtliche Ermittlungen in einem politischen Skandal gestartet.

Doch bei Scheuer darf es nicht bleiben: Er war einer der skandalträchtigsten, aber bei weitem nicht der einzige Minister der Merkel-Zerstörungstruppe, der von Skandal zu Skandal stolperte und sich bis heute für die in seinem Verantwortungsbereich begangenen Unregelmäßigkeiten und Unverschämtheiten nicht verantworten musste. Und auch wenn zu befürchten steht, dass die Ermittlungen am Ende doch wieder im Sande verlaufen (weil die Nachsichtigkeit gegenüber jenen, die Steuergelder vernichten, umgekehrt proportional ist zur Unerbittlichkeit gegenüber jenen, die Steuern hinterziehen), und wenn am Ende wieder ein „non liquet“ stehen dürfte, weil letztlich wohl Aussage gegen Aussage steht: Es bleibt zu hoffen, dass ähnliche mutmaßlich kriminelle Fälle aus Merkels „Bande“ zum Thema für die Justiz werden. Wie etwa die bis heute nicht restlos aufgeklärte Affäre um die Beraterverträge der damaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die diese für eine dreistellige Millionensumme abschloss bzw. abschließen ließ, oder die vom ehemaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn verschleppte Aufklärung der Maskenaffäre. Juristische Nachspiele gäbe es zu Genüge.

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