Hintergründe

Faesers Schattenmann: Ex-DDR-Grenzer Sven Hüber

Faesers Schattenmann: Ex-DDR-Grenzer Sven Hüber
Polizei-Gewerkschafter Sven Hüber

Faesers wichtigster Berater in Fragen des Grenzschutzes war früher Politoffizier bei den DDR-Grenztruppen: Der einflussreiche Polizei-Gewerkschafter Sven Hüber. Die Ministerin hält die Hand über ihn – und Hüber hält Kritiker in Schach. Machterhalt in den Trümmern der Geschichte.

von Max Mannhart und Jerome Wnuk

Betritt Nancy Faeser den Hauptpersonalrat der Bundespolizei, begrüßt sie zu aller erst den „lieben Sven“. Der Sven, Sven Hüber, ist Vorsitzender des Gremiums und damit entscheidend für die zentralen Personalentscheidungen bei der Bundespolizei. Er ist zudem stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP). „Liebe Nancy“, schreibt er handschriftlich auf einen dienstlichen Brief an Faeser, der Anonymous News vorliegt – „Dein Sven“. Seit Faeser im Amt ist, ist Sven Hüber im Aufwind, er ist für Faeser mittlerweile zentraler Berater. Hüber ist schließlich gestandener Erster Polizeihauptkommissar, langjähriger Polizeigewerkschafter und dennoch bereit, Faesers SPD-Vorstellung (etwa: keine Grenzkontrollen) zu unterstützen – besonders öffentlichkeitswirksam.

Faesers Schattenmann: Ex-DDR-Grenzer Sven Hüber

Nancy Faeser hat im Innenministerium aufgeräumt und Posten weitläufig neu parteinah besetzt. Was ihr dadurch fehlt, ist der Draht in die Tiefen der Behörde, die polizeiliche Glaubwürdigkeit. Sven Hüber ist der perfekte Mann, um diese Lücke zu füllen. Er hat sich in der Öffentlichkeit längst zu der Stimme der Bundespolizei inszeniert und ist insbesondere in der Debatte der Grenzkontrollen tonangebend.

Während Faeser eigentlich aus der Bundespolizei immer heftiger für ihre Linie attackiert wird, Grenzkontrollen abzulehnen, ist Gewerkschafter Sven Hüber da ganz auf ihrer Seite: Stationäre Grenzkontrollen seien „nicht mehr als Polit-Placebo“ und „politisches Wahlkampffeuerwerk“, meint er. Als Sachsens Innenminister Nancy Faeser auffordert, die Grenze zu kontrollieren, ist Sven Hüber sofort zur Stelle. „Schuster sagt die Unwahrheit“, schimpft er – rufe nach Grenzkontrollen wären „blanke Volksverdummung“. Als CDU-Politiker Christoph de Vries auf Twitter gegen Faeser austeilt, engagiert sich Sven Hüber in der Kommentarspalte.

PR-Beratung und „dämlicher Populismus

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Und als Nancy Faeser einen neuen Masterplan zum Thema Abschiebungen und Rückführungen vorlegt, wird sie dafür von Ländern, Kommunen und anderen Polizeigewerkschaftern scharf kritisiert – von konservativen genauso wie von grünen Politikern. Sven Hüber hingegen ist voll für Faesers Plan, natürlich. Als die Bild Faeser in der Einwanderungspolitik kritisiert, twittert Hüber:

„Die juristische Dummheit und der dämliche Populismus  wird noch von deren Dreistigkeit überholt.“ Und: „Moderne Verhetzung.“

Er tritt in zahllosen Medien auf, im Fernsehen, im Zuge der Debatte um Grenzkontrollen fast täglich. Er schreibt Briefe an Redaktionen, baut Druck auf. Sein politischer Einfluss ist enorm. Wie sehr Faeser und er kooperieren, zeigt ein Anonymous News vorliegendes Schreiben von Hüber an Faeser, in dem es um das umstrittene „Personalentwicklungskonzept“ geht. Darin schreibt Hüber: 

„Vor diesem Hintergrund muss auf jeden Fall vermieden werden, dass das seit 2019 bereits in der Evaluation und Neuerarbeitung befindliche  Personalentwicklungskonzept der Bundespolizei, welches nun unweigerlich auch mit dem Namen der Ministerin verknüpft würde, erneut negativ aufgeladen würde und auf Ablehnung bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern stoßen würde.“

Der Gewerkschafter berät die Ministerin in PR-Fragen. Sie gehen die Dinge gemeinsam an. In einem Podcast von Gabor Steingarts The Pioneer erzählt Sven Hüber in Wohlfühlstimmung über das Leben von Polizisten. Er wird anmoderiert als Polizeibeamter, „der sehr gut weiß, wie es Ihnen geht, den Damen und Herren in Polizeiuniform.“ Das dürfte zu bezweifeln sein.

Ein großes schwarzes Loch vor dem eisernen Vorhang

Auf der Website der GdP hat Sven Hübers Lebenslauf nur drei Punkte: „1964: Geboren, 1990: Eintritt in die Polizei, 1990: Eintritt in die Gewerkschaft der Polizei.“ heißt es da. Seine aktive polizeiliche Laufbahn fand also zwischen 1990 – und 1990 statt. Und das ging so:

Sven Hüber ist nämlich eigentlich Soldat – er meldete sich in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre freiwillig zu den Grenztruppen der DDR. Dort war er in Ost-Berlin Politoffizier und stellvertretender Kompaniechef. Er hatte zu diesem Zweck an der Offiziershochschule der Grenztruppen der DDR „Rosa Luxemburg“ studiert. Seine Diplom-Arbeit, die Anonymous News vorliegt, trägt den Namen:

„Der Bundesgrenzschutz als Instrument imperialistischer Macht- und Herrschaftssicherung“. Es ist eine detaillierte Abrechnung mit der Bundespolizei (damals Bundesgrenzschutz), die angeblich rechts-reaktionär sei. Sie beginnt so: „Mit der vorliegenden Diplomarbeit leisten die Autoren einen Beitrag zur Erörterung von Fragen der politisch-moralischen Vorbereitung der Angehörigen der Grenztruppen der DDR auf den Grenzdienst und das Gefecht.“

Hüber war anschließend in den letzten Jahren vor der Wende damit betraut, Grenzsoldaten ideologisch zu schulen. Hüber führte die sogenannten FDJ-Leitungen des Grenzregimentes 33 in Ost-Berlin. Diese FDJ-Leitungen hatten die Aufgabe, die politische Schulung der Grenzsoldaten zu unterstützen. Nach Lehrbuch bestand ihr Ziel darin, „alle jungen Armeeangehörigen zu klassenbewußten sozialistischen Soldatenpersönlichkeiten zu erziehen, die bereit und in der Lage sind (…), den Sozialismus unter allen Bedingungen zuverlässig militärisch zu schützen.“

Im Grenzabschnitt, in dem auch Hüber diente, wurde parallel 1989 auch der letzte Mauertote erschossen – der 20-Jährige Chris Gueffroy. Über den Politikunterricht sagte der Todesschütze im Fall Gueffroy später, erst durch ihn sei er überzeugt worden, dass das Erschießen eines Flüchtlings rechtmäßig sei.

So steht die GdP zu dem Vorgang

Auf Anfrage erklärt die GdP: 

„Herr Hüber hatte nach Kenntnis der GdP mit dem vom BGH genannten Politunterricht (der politischen Schulung) des Todesschützen und der anderen Tatbeteiligten, und mit den vom BGH genannten Instrukteuren des Politunterrichts nichts zu tun und hat diese nicht unterwiesen. Die FDJ-Leitungen waren mit dem Politunterricht nicht betraut. Dass der Todesschütze oder seine Kameraden überhaupt in der FDJ waren, ist nicht festgestellt“.

Der Todesschütze war allerdings unter 25 Jahre alt. Außerdem erklärt man uns: 

„Das Landgericht Berlin wie das KG haben zudem in zwei Verfahren festgestellt, dass Herr Hüber weder in einem unmittelbaren/direkten noch in einem mittelbaren/indirekten Zusammenhang mit dem Tötungsverbrechen an Chris Gueffroy und/oder den an der Tat beteiligten Personen oder deren Handlungsmotiven steht, und auch an deren Vergatterung nicht beteiligt war, weshalb seinerzeit untersagt wurde, einen solchen Eindruck zu erwecken.“

Allerdings heißt es in Urteilen, die Anonymous News vorliegen, auch:

Unabhängig davon, ob der Kläger den Schießbefehl an der innerdeutschen Grenze billigte oder diesem kritisch gegenüberstand, wie er behauptet, hat er doch als Angehöriger des Führungsstabs eines Grenzregiments das System der ‚Grenzsicherung‘ gestützt und dazu beigetragen, dass es funktionierte.“ Und: „Diesen Vorwurf, an der Einflussnahme auf die Grenzsoldaten mitgewirkt zu haben, eine solche Mitverantwortung im Sinne eines Beitrages zur Aufrechterhaltung des Grenzregimes der DDR kann der Antragsteller nicht von sich weisen.“

„Schuldiger als der Mauerschütze“

Es ist ein so ungeheurer, direkter Zusammenhang, dass der Schriftsteller Ralph Giordano – der in seiner Jugend von der Gestapo verfolgt und misshandelt wurde – sich zum Fall Sven Hüber persönlich einschaltete. Er schrieb in einem Brief, der Anonymous News vorliegt, an den damaligen Vorsitzenden der GdP die Zeilen:

 „In meinen Augen ist ein ausgewiesener Indoktrineur wie Sven Hüber schuldiger als der Mauerschütze, der abgedrückt hat. Diese Exekution hat ihre Vorgeschichte, und die weist auf Leute wie Sven Hüber hin. Schuld und Verantwortung beginnen nicht erst da, wo einem Blut an den Händen klebt.“

Dann kam die Wende. Und Sven Hüber kam zur Bundespolizei (damals noch Bundesgrenzschutz). Er wurde zunächst als Tarifbeschäftigter und nicht als Beamter übernommen. Das war üblich, um eine nachträgliche Sicherheitsüberprüfung möglich zu machen. Diese durchlief Hüber dann, bevor er 1993 verbeamtet wurde, wie er in einer Anonymous News vorliegenden eidesstattlichen Versicherung erklärt.  Über die GdP erhielt Hüber einen aussichtsreichen Listenplatz als Personalrat, womit eine Freistellung und eine Erschwerung einer Kündigung einhergingen. 

So hält Hüber Kritiker in Schach

Doch Sven Hüber ist mit allem durchgekommen. Seine Vergangenheit wird überall verschwiegen, er trumpft medial auf. Und mehr noch: Sven Hüber mischt sogar in Fragen des Umgangs mit der DDR mit. So forderte er in der Berliner Zeitung 2004 die Entlassung des Gedenkstätten-Leiters Hubertus Knabe, weil dieser die Ansicht vertreten hat, 1945 habe in Ost-Deutschland eine Diktatur die andere abgelöst. „Schamesröte müsste ihm ins Gesicht steigen“, schreibt DDR-Grenzer Sven Hüber. Er tritt auch in einem WDR-Schulfilm als Zeitzeuge auf. In Bezug auf diesen Auftritt erklärt die Gewerkschaft der Polizei auf Anfrage: „Dieser nicht alltägliche offene Umgang mit seinem sehr frühen Lebensabschnitt hat ihm Respekt und Anerkennung eingebracht.“

Offener Umgang? Hüber versuchte jahrelang Berichterstattung über seine Vergangenheit zu verhindern. Als der Autor Roman Grafe in einem Buch Anfang der Nullerjahre nur im Nebensatz die Vergangenheit Hübers erwähnt, lässt er mit einem besonders rabiaten Anwalt dagegen vorgehen und verwickelt den Autor in einen jahrelangen Rechtsstreit. Nicht, weil es falsch wäre, sondern weil man Hüber nicht „deanonymisieren“ dürfe. Schließlich erwirkt Hüber ein gerichtliches Verbot einer solchen Namensnennung – bei Androhung von bis zu 250.000 Euro Ordnungsgeld oder sechs Monaten Gefängnis. Hüber erwirkt immer wieder Unterlassungsverpflichtungen – gegen die Berliner Zeitung, das Deutschland-Archiv und später gegen die Neue Zürcher Zeitung. Sein Name wird getilgt. Über den Fall Hüber wird schließlich zwar groß medial berichtet – allerdings völlig anonymisiert. Sven Hüber gilt weiter als unbescholten und macht richtig Karriere. Bis heute. Jahre später wird das unsägliche Urteil in der Sache Hüber / Grafe sogar gekippt. Doch die Schweigespirale ist weiter intakt.

Rechtskosten: Keine Akten, keine Erinnerung – und Hüber sei verreist

Bis heute großes Schweigen. Denn allein die Rechtskosten, sich gegen Hübers Angriffe zu wehren, sind bedrohlich genug. Hübers aggressives rechtliches Vorgehen ist deshalb möglich, weil seine – aus Mitgliedsbeiträgen von über 200.000 Polizisten – finanzstarke Gewerkschaft der Polizei hinter ihm steht. Nach Anonymous News-Informationen bezahlte sie Hübers Rechtskosten – diese gehen allein im Fall Roman Grafe weit in den fünfstelligen Bereich.

Auf Anfrage, wie so eine Kostenübernahme möglich sei und in welcher Höhe diese stattgefunden haben, erklärt die GdP, dass die Unterlagen in dieser Sache nicht mehr archiviert wären. Die erreichbaren Vorstände der Gewerkschaft hätten zur Frage „kein Wissen“. Und Sven Hüber sei „derzeit verreist und kann dazu nicht befragt werden.“ Alles klar.

Bei der Recherche in Sachen Hüber erleben wir vor allem eines: Erwähnt man in Gesprächen den Namen Sven Hüber, schweigt sein Gegenüber plötzlich. Und einmal legt eine mögliche Quelle noch im Satz, indem wir den Namen Hüber erwähnen, abrupt auf. Nach nettem Anfangs-Telefonat. Sven Hübers Ruf eilt ihm voraus. Seine pralle Rechtskasse und seine mächtigen politischen Freunde zeigen Wirkung.

Seine Methoden sind einzigartig. Als Anonymous News vor zwei Wochen einmal über Sven Hübers Twitter-Account berichtet, ist wenige Stunden später der gesamte Account gelöscht, verschwunden. Beweise vernichtet. Kein Wunder: Sven Hüber ist schließlich Profi.

Für die „Liebe Nancy“ hat er sich längst unverzichtbar gemacht. Als Architekt ihrer Grenzpolitik – und stetiger, lautstarker Fürsprecher ihrer Politik. Und so wird verlässlich über seine dunklen Flecken im Lebenslauf hinweggesehen und die schützende Hand der Ministerin über ihn gehalten. Auf Anfrage wollten sich weder Sven Hüber noch Nancy Faeser äußern.

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